# taz.de -- Helden-Diskussion in Hamburg: Nicht totzukriegen
       
       > Postheorische Zeiten? Von wegen! Beim „Mittagsgespräch“ der Nordelbischen
       > Kirche geht es am Donnerstag um unseren Bedarf an Helden.
       
 (IMG) Bild: Heldin unserer Zeit: Die Umweltaktivistin Greta Thunberg
       
       HAMBURG taz | Der Held hat seine besten Zeiten hinter sich. Dass wir in
       „postheroischen“ Zeiten leben, hat – nicht zuallererst, aber bis heute
       wirksam – der Politikwissenschaftler [1][Herfried Münkler] formuliert. Und
       das Adjektiv hat Karriere gemacht, bis hin Wunderlichem wie dem
       „postheroischen Management“, das zu vermitteln sich vielerorts
       Beraterfirmen (vermutlich gut) bezahlen lassen.
       
       Warum war es nötig, sich abzugrenzen von einem davor Liegenden, also den
       noch nicht nach-heldenhaften Zeiten? Münkler selbst hat in diesem
       Zusammenhang [2][auf die Moderne verwiesen], der das alte Heldenhafte
       suspekt geworden sei.
       
       „Mit Helden assoziieren wir gemeinhin kämpferische oder auch tragische
       Gestalten“, so fasst es der Freiburger Soziologe [3][Ulrich Bröckling],
       „die Exzeptionelles leisten und sich mächtigen Feinden entgegenstellen, die
       Katastrophen abwenden und sich um der guten Sache willen in Gefahr begeben,
       ohne sich dabei um Regeln und Konventionen zu scheren – und die für all das
       verehrt und bewundert werden.“
       
       Und er folgert: „Stoff eher für romantische Erzählungen, militärische
       Mobilmachungsprosa, pädagogische Erbauungsliteratur oder die [4][Mythen der
       Populärkultur]“ – als für eine Wissenschaft wie die seine. Und hat, nach
       Jahren der Beschäftigung [5][in einem Uni-Sonderforschungsbereich], im
       Februar doch einen Versuch vorgelegt, auszuleuchten, welchen Platz das
       Heroische in unserer Gesellschaft einnimmt.
       
       Der Titel „Postheroische Helden“ (Suhrkamp 2020, 277 S., 25 Euro; E-Book
       21,99 Euro) ist dabei weniger paradox, als dass er andeutet, dass es heute
       eben beides gibt: Verabsolutierte Opferbereitschaft oder auch bestimmte
       Männlichkeitsideen mögen in Verruf geraten sein – zumindest in weiten
       Teilen der Gesellschaft. Aber der Bedarf an Heldenhaftem ist geblieben, ja:
       Helden umgeben uns vielleicht mehr denn je; nicht erst, seit mit der
       globalen Pandemie allerlei Berufsgruppen als „Coronahelden“ oder auch
       „-heldinnen“ bezeichnet werden.
       
       Auch der Spiegel hat – insbesondere online – die [6][„Heldinnen und Helden
       des Corona-Alltags“] gleich serienweise gewürdigt. Weshalb Bröckling am
       Donnerstag nun [7][auf Einladung der Evangelischen Akademie in Hamburg] mit
       Spiegel-Chefredakteurin Barbara Ernst über den zeitgenössischen
       Heroismus-Bedarf diskutiert – kurzfristig nun wohl doch nicht face to face,
       ließ er die taz wissen, sondern „elektronisch zugeschaltet“.
       
       Anders als andere, die über solche Dinge nachdenken – allen voran
       hierzulande der Philosoph Dieter Thomä mit seinem Ruf nach „demokratischen
       Helden“ –, bleibt Bröckling dabei skeptisch gegenüber noch den
       runderneuertsten Heldenfiguren. Wo der – oder immer öfter eben auch mal die
       – Einzelne derart ins Licht gerückt wird, werde eben stets anderes zum
       Verschwinden gebracht.
       
       Denn kollektive Leistungen, Strukturen und überhaupt komplexe Bedingungen,
       die allesamt die Heldentat erst ermöglichen: Sie taugen nicht für
       romantische Erzählungen. Deren Konjunktur wiederum hält der Soziologe für
       einen guten Marker: Helden zeigen demnach krisenhafte Zeiten an; Krisen,
       die sie aber nie zu lösen imstande seien.
       
       20 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!s=&Autor=Herfried+M%C3%BCnkler/
 (DIR) [2] https://www.podcasts.uni-freiburg.de/geschichte-gesellschaft/ringvorlesungen/helden.-formen-und-funktionen-des-heroischen/74947338
 (DIR) [3] https://www.soziologie.uni-freiburg.de/personen/broeckling
 (DIR) [4] /Queere-SuperheldInnen/!5345271
 (DIR) [5] https://www.sfb948.uni-freiburg.de/de/profil/?page=1
 (DIR) [6] https://www.spiegel.de/thema/heldinnen-und-helden-des-corona-alltags/
 (DIR) [7] https://www.akademie-nordkirche.de/veranstaltungen/aktuelles/843
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alexander Diehl
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Theorie
 (DIR) Soziologie
 (DIR) Helden
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Helden
 (DIR) Politisches Buch
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Soziale Ungerechtigkeit in Deutschland: Hört auf zu klatschen!
       
       Die einen spenden in der Corona-Krise vom schicken Altbaubalkon aus
       Applaus, die Beklatschten selbst haben keine Zeit dafür – und keine
       Balkone.
       
 (DIR) Post-Platzhirsch-Zeitalter: Der Überkanzler hat ausgedient
       
       An Helmut Schmidt zeigt sich, wie groß das Bedürfnis nach Heldenverehrung
       ist. Ein kleiner Beitrag zur Dekonstruktion.
       
 (DIR) Neues Buch für „aufgeklärte Patrioten“: Ein deutsches Ich
       
       Thea Dorn begibt sich wieder auf die Suche nach einem kerndeutschen
       „Seelenreichtum“. Herausgekommen sind viele Lebkuchenverse.