# taz.de -- Die Wahrheit: Tierrettung einmal anders
       
       > Im Netz kursieren immer mehr Videos von Männern, die Tieren in Notlagen
       > helfen. Leider bieten die Filmchen nie etwas Unerwartetes oder
       > Überraschendes.
       
 (IMG) Bild: Teilen sich schon lange ein Gehege: Ein Tiger und ein Bär in einem Tierheim in Locust Grove / USA
       
       Immer wenn ich denke, das Internet ist endgültig auserzählt, biegt dann
       doch die nächste Überraschung um die Ecke. So trenden in den sozialen
       Medien gerade diese Videos, in denen irgendwelche Typen irgendwelche Tiere
       retten. Es sind immer Männer. Gute Männer. Frauen gehen Tiere wohl am Arsch
       vorbei. Ganz vielleicht geben sie auch nicht so viel mit ihren guten Taten
       an.
       
       Da ist zum Beispiel der Film mit dem Eichhörnchen. Den haben bestimmt schon
       alle Menschen auf der ganzen Welt gesehen. Der Nager ist nach einem
       Stromschlag bewusstlos oder klinisch tot – so genau weiß man das nicht. Ein
       Typ wird mit dem Smartphone dabei gefilmt, wie er das auf dem Rücken
       liegende Eichhörnchen mit leichter Fingerdruck-Herzmassage sowie
       Mund-zu-Schnauze-Beatmung erfolgreich wiederbelebt.
       
       Oder der Clip mit dem jungen Fuchs, der in einen fast leeren Swimmingpool
       gefallen ist, und dem ein Helfer eine Holzplanke zum Rausklettern
       bereitstellt. Oder das Kaninchen, das nicht mehr aus der glatten Skate-Bowl
       herauskommt. Ein Skater versucht in für das Video auf drei Minuten
       heruntergekürztem, doch in Wahrheit sicher stundenlangem Ringen ein
       Vertrauensverhältnis zu dem Karnickel aufzubauen, um es endlich greifen zu
       können.
       
       Womöglich spiegelt das Interesse an diesen Clips das große Bedürfnis der
       Menschen nach einfachen Lösungen in scheinbar aussichtsloser Lage wider.
       Hier können sie sich mit Tieren und Rettern zugleich identifizieren, Happy
       End inklusive.
       
       Mir ist das alles zu billig. Eine feine Pointe wäre es für mich gewesen,
       hätte er dem zutraulich gewordenen Vieh das Longboard über den Brägen
       gezogen und es anschließend in die Pfanne gehauen. Aber leider passiert bei
       diesen Filmchen niemals Unerwartetes.
       
       Dabei weiß doch jeder gute Unterhalter, wie man das Publikum mit bewusst
       eingebauten Irritationen aus seiner Komfortzone herausholt. So ein Clip ist
       leicht selbst produziert. Ich animiere eine herbstgeschwächte Wespe mit
       Pusten und Anschnipsen dazu, mir in den Arm zu stechen. Ich möchte ihr noch
       ein spätes Erfolgserlebnis verschaffen, bevor sie geht. Wobei ich natürlich
       nicht weiß, ob der Stich eines Menschen nicht sowieso hinter Achievements
       wie „Königin befruchtet“ oder „Besonders weich auf einem besonders großen
       Marmeladenbrot gelandet“ zurücksteht.
       
       Leider gänzlich unbeachtet blieb mein Film, in dem ich hundert in meinem
       Müll gefangene Fruchtfliegen durch einen einzigen Tritt aus dem Klappeimer
       befreite. Das ist wieder typisch: Die Leute reagieren immer nur auf
       spektakuläre Warmblüter. Eichhörnchen, Füchse, Kaninchen. Löwen, Giraffen,
       Elefanten. Dabei bietet die Natur doch direkt vor unseren Augen so
       unendlich viele, winzigste und doch atemberaubende Wunder.
       
       Egal, wer nicht will, der hat schon. Oberflächliche Arschlöcher. Ich bin ja
       zum Glück nicht so ein Like-Luder.
       
       10 Nov 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Hannemann
       
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