# taz.de -- Gewaltkriminalität in Deutschland: Frauen fühlen sich unsicherer
       
       > Viele Menschen erleben Gewalt, zeigt eine repräsentative NRW-Studie. Aber
       > es gibt Unterschiede in Sicherheitsgefühl und Anzeigeverhalten.
       
 (IMG) Bild: Frauen fühlen sich insbesondere bei Nacht und im öffentlichen Nahverkehr unsicher
       
       BERLIN taz | Zwar befürchten nur wenige Menschen in Nordrhein-Westfalen,
       Opfer einer Gewalttat zu werden. Wenn sie Gewalt erleben, zeigen viele
       Menschen das aber nicht an. Das sind Ergebnisse der Dunkelfeldstudie
       „Sicherheit und Gewalt in Nordrhein-Westfalen“, die die MinisterInnen Ina
       Scharrenbach und [1][Herbert Reul] (beide CDU) am Montag vorgestellt haben.
       
       Anders als im Hellfeld, das amtlich registrierte Straftaten erfasst, können
       im Dunkelfeld auch das subjektive Sicherheitsgefühl, die Gewalterfahrungen
       und das Anzeigeverhalten von BürgerInnen ausgeleuchtet werden. Mehr als
       60.000 von ihnen hatte das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen im Auftrag
       der Ministerien für Inneres und Gleichstellung zu diesen Themen befragt.
       Der Rücklauf von 40 Prozent der Fragebögen sei „enorm“, sagte Reul.
       Besonders sei außerdem, dass anders als in bisherigen Studien der Länder
       nicht nur Mädchen und Frauen, sondern auch Jungen und Männer zu
       Gewalterfahrungen Auskunft gaben.
       
       Mehr als die Hälfte der nordrhein-westfälischen Bevölkerung (58 Prozent)
       ist laut Studie in ihrem Leben von mindestens einer Form von körperlicher,
       sexualisierter oder psychischer Gewalt betroffen. Unter Letzteres fallen
       auch Drohungen. Männer erfahren im Vergleich zu Frauen häufiger körperliche
       Gewalt, Frauen im Vergleich zu Männern häufiger sexualisierte Gewalt.
       
       Dabei zeige sich, dass das Sicherheitsgefühl oft mit der Ausgestaltung des
       öffentlichen Raums zu tun habe, sagte Reul: „Wie sieht der aus? Ist er
       dunkel, ist er verwahrlost?“ Frauen etwa fühlten sich insbesondere bei
       Nacht und im öffentlichen Nahverkehr unsicherer als Männer und bewerteten
       das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, höher – vor allem im Hinblick
       auf sexuelle Belästigung.
       
       ## Nur jede vierte Körperverletzung wird angezeigt
       
       Nun müsse festgestellt werden, wie das Sicherheitsgefühl verbessert werden
       könne. Dabei komme es auf viel mehr an als beispielsweise auf die Präsenz
       von Polizei. So spielten zum Beispiel die Wohngegend und ein intaktes
       Nachbarschaftsumfeld eine Rolle. „Wahrscheinlich geht es oft nur darum“,
       sagte Reul, „an der richtigen Stelle für Beleuchtung zu sorgen.“
       
       Die Anzeigequote bei Gewalttaten ist bei körperlicher Gewalt am höchsten.
       Im Vergleich etwa zu Eigentums- oder Vermögensdelikten sind die Quoten bei
       Gewalkriminalität insgesamt allerdings gering und liegen zwischen null und
       50 Prozent. So wird etwa jede vierte Körperverletzung angezeigt.
       Insbesondere Formen von Gewalt, die mit Scham- und Schuldgefühlen
       einhergehen und im sozialen Umfeld stattfinden – also zum Beispiel
       sexualisierte Gewalt und Gewalt in Partnerschaften – werden selten
       angezeigt.
       
       Auch die Gründe, warum Männer und Frauen die Taten anzeigen, unterscheiden
       sich: Männliche Gewaltopfer wollen vor allem den Täter fassen und
       Schadenersatz erstreiten, sagte Scharrenbach. Weibliche Opfer zeigten die
       Täter vor allem deshalb an, weil sie sich und andere schützen wollten. Wenn
       Frauen nicht anzeigten, liege das auch an der Sorge, bei Polizei und Justiz
       „noch ein weiteres Mal Opfer“ zu werden.
       
       Erschreckend sei dabei auch, dass professionelle Hilfe eher selten in
       Anspruch genommen werde. „Wir müssen die Präventionsarbeit ausbauen und die
       Sichtbarkeit von Hilfsangeboten erhöhen“, sagte Scharrenbach.
       
       Einen „Corona-Effekt“ zeige die Studie nicht: Sie sei schon vorher
       initiiert worden. Dennoch sehe sie durchaus „mit Sorge“ auf die
       [2][Entwicklung von häuslicher Gewalt] in den kommenden Wochen und Monaten,
       sagte Scharrenbach – auch, weil häusliche Enge Anzeigen möglicherweise
       erschweren könnten.
       
       2 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ein-Streitgespraech-ueber-Rechtsextremismus/!5716986
 (DIR) [2] /Haeusliche-Gewalt-und-Corona/!5710777
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patricia Hecht
       
       ## TAGS
       
 (DIR) taz-Serie Sexuelle Gewalt
 (DIR) Gewalt gegen Männer
 (DIR) häusliche Gewalt
 (DIR) Gewalt gegen Frauen
 (DIR) Sexualisierte Gewalt
 (DIR) Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
 (DIR) häusliche Gewalt
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) häusliche Gewalt
 (DIR) häusliche Gewalt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Sexualisierte Gewalt in Deutschland: Kaum Verurteilungen von Tätern
       
       Vergewaltigungen werden selten zur Anzeige gebracht. Und wenn doch, führt
       es in der Regel nicht zur Verurteilung des Täters. Wo liegt das Problem?
       
 (DIR) Statistik zu Gewalt in Beziehungen: „Der Feind im eigenen Bett“
       
       Häusliche Gewalt steigt laut Zahlen des BKA. Corona habe dies „sehr
       wahrscheinlich“ noch verschärft, so Frauenministerin Franziska Giffey.
       
 (DIR) Frauen in der Pandemie: Die sozialen Verliererinnen
       
       Der „Covid-19 Global Gender Response Tracker“ der UN sammelt Daten zu
       gendersensiblen Maßnahmen. Sie stimmen nicht gerade optimistisch.
       
 (DIR) Häusliche Gewalt und Corona: Frauen suchen öfter Hilfe
       
       Über tausend Beratungen pro Woche verzeichnet das Hilfetelefon „Gewalt
       gegen Frauen“ seit Mitte Mai. Es fehlen Plätze in Frauenhäusern.
       
 (DIR) Programmleiterin über häusliche Gewalt: „Veränderung ist harte Arbeit“
       
       In Wolfsburg, Gifhorn und Helmstedt gibt es ein Präventionsprogramm für
       Täter häuslicher Gewalt. Ein Gespräch über gestiegenes Problembewusstsein.