# taz.de -- Linken-Politiker Liebich zur US-Wahl: „Haltung muss man zeigen“
       
       > Die Bundesregierung hätte sich im US-Wahlkampf hinter Joe Biden stellen
       > müssen, sagt der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich.
       
 (IMG) Bild: Stefan Liebich (Die Linke) sagt, die Bundesregierung hätte sich hinter Joe Biden stellen müssen
       
       taz: Herr Liebich, Angela Merkels Sprecher wollte die US-Wahl am
       Mittwochmittag nicht kommentieren. Man warte das Ergebnis ab. Ist das
       richtig? 
       
       Stefan Liebich: Ich finde richtig zu sagen: Man wartet ab, bis tatsächlich
       ein Wahlergebnis vorliegt, und bewertet es dann. Das hat in der EU nicht
       jeder gemacht. Der slowenische Ministerpräsident hat leider Donald Trump
       schon gratuliert, nachdem der sich selbst zum Sieger ausgerufen hat. Ich
       finde es sinnvoll, dass das die Bundesregierung nicht macht. Ich hätte mir
       allerdings gewünscht, dass sie im Vorfeld stärker Haltung zeigt. Das hat
       sie leider nicht.
       
       Warum wäre das gut gewesen? 
       
       Im Wahlkampf war klar, dass man es hier nicht einfach mit einem Wettstreit
       zwischen Demokraten und Republikanern zu tun hat, sondern dass es ein
       Wettstreit um die Demokratie ist. Das hat Trump jetzt leider noch mal
       bestätigt durch seine Ankündigung, eventuell Stimmauszählungen zu stoppen.
       Das kennen wir eigentlich aus ganz anderen Staaten. Ich hätte mir
       gewünscht, dass die Bundesregierung wie beim Wettstreit zwischen Macron und
       Le Pen in Frankreich sagt, auf welcher Seite sie steht. Haltung muss man
       eben auch zeigen, wenn es was kostet.
       
       Wir führen dieses Gespräch am Mittwoch um 15 Uhr. Aktuell ist [1][ein
       Wahlsieg Trumps immer noch möglich]. Was, wenn er gewinnt? 
       
       Erst mal müsste man das respektieren. Vieles, was wir uns gewünscht haben,
       ist eben so nicht eingetreten. Trump ist in den USA beliebter, als wir
       gehofft haben, und die Wahlen werden dort entschieden und nicht in Berlin.
       
       Was würde ein Trump-Sieg für die deutsch-amerikanischen Beziehungen
       bedeuten? 
       
       Trump ist ja in der letzten Zeit immer schlimmer geworden. Seine
       Grundlinie, den Multilateralismus infrage zu stellen und internationale
       Organisationen zu verlassen, verheißt nichts Gutes. Es würden noch mal
       deutlich schwierigere Zeiten anbrechen.
       
       Wie müsste die Bundesregierung reagieren? 
       
       Die Bundesregierung hat viel zu spät darauf gesetzt, die EU selbstbewusster
       und eigenständiger zu machen. Es war schon lange vor Trump absehbar, dass
       die USA nicht mehr so weitermachen werden wie bisher. Ich habe früher schon
       von US-Kolleginnen und -Kollegen in Gesprächen zum Beispiel gehört: „Warum
       sollen wir eine Armee bei euch finanzieren? Das ist doch eure Aufgabe!“ Das
       hätte man früher erkennen müssen.
       
       Also eine europäische Armee aufbauen? 
       
       Ich wünsche mir eine europäische Republik. Dafür haben wir bei uns in der
       Partei noch keine richtige Mehrheit, aber nahezu die Hälfte will das. Eine
       europäische Republik hätte eine eigene Regierung und ein eigenes Parlament
       und wahrscheinlich – solange alle anderen ihre Armeen noch nicht
       abgeschafft haben – auch eine eigene europäische Armee. Falsch fände ich
       es, zu den 27 Armeen, die wir jetzt haben, noch eine 28. dazuzulegen.
       
       Gilt all das auch, wenn doch Joe Biden gewinnt? 
       
       Einiges wäre mit Biden einfacher. Er hat gesagt, er würde in das Pariser
       Klimaabkommen zurückkommen. Vielleicht könnte man mit ihm den
       Iran-Nukleardeal noch mal anders besprechen als mit Trump. Andere Probleme
       werden bleiben. Die vermeintlich gute alte Zeit, der einige westdeutsche
       Kolleginnen und Kollegen hinterhertrauern, kommt nicht mehr zurück. Aber
       mit Biden ist eines anders: Wir haben dann nicht mehr einen Rassisten im
       Weißen Haus, der sich zudem rüpelhaft benimmt. Das ist schon eine ganze
       Menge wert.
       
       4 Nov 2020
       
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