# taz.de -- Corona-Lage in anderen Metropolen (VI): Selbst Autofahrer tragen Maske
       
       > Die japanische Hauptstadt Tokio setzt bei der Abwehr des Coronavirus auf
       > die unermüdliche Mitwirkung ihrer Einwohner. Die tragen alles geduldig
       > mit.
       
 (IMG) Bild: Auch Mickey würde Maske tragen: verkleideter Passant in Shibuya, Tokio
       
       Weltweit kämpfen Metropolen gegen das Virus. Manchmal ist der Umgang mit
       der Pandemie erstaunlich ähnlich wie hier, oft gibt es überraschende
       Unterschiede. Die taz.berlin wirft einen Blick über den heimischen Lockdown
       hinaus nach anderswo. 
       
       TOKIO taz | Im Tokioer Stadtviertel Shibuya ist auf den ersten Blick nichts
       von der Pandemie zu merken: Wenn alle drei, vier Minuten Hunderte Menschen
       gemeinsam die berühmte Straßenkreuzung vor dem Bahnhof überqueren,
       herrschen das gleiche chaotische Gewusel und dichte Gedränge wie vor der
       Coronazeit. Erst beim genauen Hinsehen fällt auf, dass jeder Passant eine
       Maske trägt. Das gilt überall in Tokio – in Büros, Fabriken, Schulen,
       Geschäften, Bussen und Bahnen, aber auch für Fußgänger, Radfahrer und sogar
       viele Autofahrer. Nur beim Friseur und zum Essen nehmen die Bürger ihre
       Maske ab.
       
       Einer Tragepflicht bedarf es dafür nicht, es gibt keine Kontrollen und
       keine Strafen. Die Japaner lernen schon als Kinder die wichtigste Funktion
       einer Maske verstehen: Sie soll nicht ihren Träger, sondern die Mitmenschen
       vor Viren schützen. Ihre konsequente Verwendung sehen Experten als
       Hauptgrund für die erfolgreiche Eindämmung der Seuche: Mit 120.000
       Infizierten und 1.900 Toten leidet Japan – bezogen auf die Bevölkerungszahl
       – rund zehnmal schwächer unter Covid-19 als Deutschland.
       
       ## Tokio besonders betroffen
       
       Jedoch ist das dicht besiedelte Tokio überproportional betroffen, sodass
       man sich dort an vielen Fronten gegen die Seuche wehrt. Der Einreisestopp
       für ausländische Touristen seit dem Frühjahr verhindert die Einschleppung
       von außen und entlastet die U- und S-Bahnen. Zugleich sind im Nahverkehr
       weniger Pendler unterwegs – Umfragen zufolge arbeitet jeder siebte
       Erwerbstätige derzeit zu Hause. In Arztpraxen, Banken, Behörden und Cafés
       bleibt jeder zweite Sitzplatz gesperrt. Plexiglasscheiben und
       Plastikvorhänge sorgen überall für Abstand zwischen den Menschen. An den
       Eingängen vieler Büros und Hotels wird die Körpertemperatur erfasst –
       automatisch mit einer Infrarotkamera, oder eine Wache richtet den
       Laserstrahl eines Fieberthermometers auf den Puls des Besuchers.
       
       Seit Kurzem rollt die dritte Infektionswelle, aber anders als im Frühjahr
       bleiben Kneipen, Fitnessclubs, Museen, Restaurants und auch die „Soapland“
       genannten Bordelle bislang offen. Die Stadtverteilung setzt darauf, dass
       die Japaner freiwillig mehr Zeit allein oder mit der Familie zu Hause
       verbringen. Über die öffentlichen Lautsprecheranlagen in Parks und
       Wohnvierteln erinnert die Stadtverwaltung mit Durchsagen an die drei
       Anti-Corona-Gebote: „Meiden Sie enge Räume mit schlechter Lüftung,
       überfüllte Orte und Situationen mit engem Kontakt zu anderen.“ Manche
       Städter ziehen daher aufs Land: Seit vier Monaten geht die Zahl der
       Einwohner von Tokio erstmals seit vielen Jahren zurück.
       
       Über eine Schattenseite des Virusregimes spricht man jedoch nur hinter
       vorgehaltener Hand: Die Zahl der Selbstmorde stieg zwischen Juli und
       Oktober auf den höheren Stand von vor fünf Jahren, und mit 40 Prozent
       erreichte der Frauenanteil einen traurigen Rekordwert. Den Grund sehen
       Experten darin, dass die coronabedingte Rezession vor allem Zeitarbeiter
       und Teilzeitjobber trifft, unter denen die Frauenquote besonders hoch ist.
       
       25 Nov 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Fritz
       
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