# taz.de -- Demo gegen Arbeitsunrecht bei Starbucks: Der letzte Latte
       
       > An jedem Freitag, den 13., gehen Arbeitnehmer:innen für ihre Rechte auf
       > die Straße. Auch Michael Gläser, Ex-Betriebsrat bei der Coffeeshop-Kette.
       
 (IMG) Bild: London, Berlin, oder hier Rio de Janeiro: Starbucks ist überall – die Mitarbeiter:innen auch
       
       BERLIN taz | Michael Gläsers Kampf scheint aussichtslos. Wie der Kampf
       gegen einen Riesen, David gegen Goliath. Der Ex-Betriebsrat gegen den
       großen Konzern. Neun Jahre lang hat Michael Gläser in einer Berliner
       Filiale der Coffeeshop-Kette Starbucks gearbeitet. Zwei davon war er
       Betriebsrat. Dann wurde ihm gekündigt. Wegen seines Engagements im
       Betriebsrat. Jetzt kämpft er für seine Arbeitsrechte. Zusammen mit anderen
       geht er auf die Straße, um gegen Union Busting zu demonstrieren.
       
       Union Busting ist die Zerschlagung von Gewerkschaften. Dabei versuchen
       Unternehmen, das Engagement von Menschen, die sich etwa in Gewerkschaften
       organisieren, zu unterbinden. „Union Busting umfasst eine Reihe kruder
       Maßnahmen, die dazu führen sollen, dass Betriebsräte aufhören, sich für
       ihre Arbeitsrechte einzusetzen“, erklärt Jessica Reisner vom [1][Verein
       Arbeitsunrecht in Deutschland]. Der Verein hat 450 Mitglieder und hilft
       Menschen, sich gegen große Unternehmen zu organisieren.
       
       Während Gläser erzählt, was er als Betriebsrat bei Starbucks erlebt hat,
       nimmt er immer wieder seine Brille ab und putzt sie. Seine Stimme klingt
       ruhig. Zwölf Kündigungen hat er inzwischen bekommen, außerdem hat er
       Hausverbot bei Starbucks. „Mir wurde unter anderem das Siezen meiner
       Vorgesetzten vorgeworfen. Aber Menschen, die ich nicht mag, duze ich
       nicht“, erzählt er.
       
       Starbucks hat die Filialen der Stadt in vier Distrikte eingeteilt. Jeder
       Distrikt davon hat einen eigenen Betriebsrat. Gläser hat die
       Mitarbeiter:innen im Distrikt 2 vertreten. Eingesetzt hat er sich unter
       anderem für bezahltes Probearbeiten oder die Entlohnung von Überstunden.
       2011, als er angefangen hat, bei Starbucks zu arbeiten, war es genau das
       für ihn: ein Job. Doch irgendwann hat sich das verändert. Je mehr er sich
       als Betriebsrat dafür eingesetzt hat, die Arbeitsbedingungen zu verbessern,
       desto mehr wurde aus der Lohnarbeit: ein politischer Kampf.
       
       ## An jedem Freitag, den 13.
       
       Mit seinen Erfahrungen ist Gläser nicht allein, weiß Reisner. „Union
       Busting ist eine gängige Praxis, die seit einigen Jahren verstärkt in
       Deutschland zu beobachten ist“, erzählt sie. Viele Menschen würden von
       ihren Arbeitgeber:innen am Arbeitsplatz schikaniert, sagt sie. Die Gründe
       seien meist die Organisierung in Gewerkschaften oder im Betriebsrat. Dabei
       werde von den Arbeitgeber:innen gezielt versucht, den Kampf für die
       Arbeitsrechte zu unterbinden. „Es ist wichtig, sich dagegen zur Wehr zu
       setzen“, sagt sie. Deshalb hat der Verein Aktionstage am Freitag, den 13.,
       ins Leben gerufen.
       
       An jedem Freitag, den 13., – traditionell als Unglückstag gelabelt –
       mobilisiert der Verein in verschiedenen Städten Menschen, um gegen die
       Schikane am Arbeitsplatz vorzugehen. Jedes Mal vor den Aktionstagen wird
       auf der Website abgestimmt, gegen welches Unternehmen sich die Aktionen
       richten. „Eigentlich wollten wir schon beim letzten Freitag, den 13., gegen
       Starbucks auf die Straße gehen“, erzählt Reisner. Aber die erste
       Coronawelle habe diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung gemacht.
       
       An diesem Freitag, den 13. November, haben sich nur wenige Menschen am
       Berliner Washingtonplatz eingefunden, um gegen Union Busting zu
       protestieren. Michael Gläser steht mit einigen anderen Mitstreiter:innen um
       ein selbstgemaltes Transparent herum. Darauf liegen Flyer, Becher mit dem
       Starbuckslogo und der aufgedruckten Botschaft „Union Busting stinks“,
       Sticker und Postkarten.
       
       Coronakonform soll der Protest als Rallye durch die Stadt stattfinden. „Wir
       laufen in Kleingruppen durch die Stadt zu verschiedenen Starbucksfilialen,
       verteilen dort die Becher an Kund:innen und malen Botschaften vor die
       Filiale auf die Straße“, sagt Gläser. Dabei sollen besonders die
       Konsument:innen auf die Arbeitsbedingungen aufmerksam gemacht werden und
       wissen, mit welchen Mitteln Starbucks versucht, die Angestellten von einem
       Zusammenschluss abzuhalten und vom Einsatz für ihre Rechte.
       
       Immage-Korrektur nennt Reisner die Aktionen. Sie ist davon überzeugt, dass
       der Einsatz langfristig etwas bringt. „Wir wollen auch aufklären. Es ist
       wichtig, dass Menschen verstehen, wofür sie ihre Arbeitskraft hergeben.“
       Außerdem weist sie darauf hin, wie wichtig der Einsatz von Betriebsräten
       ist. „Es ist notwendig, sich für Arbeitsrechte einzusetzen. Man darf als
       Angestellte:r nicht alles mit sich machen lassen, sondern muss aufmüpfig
       sein, wenn es Schieflagen gibt. Das ist Arbeitsrecht!“
       
       Auch für Gläser ist sein Einsatz wichtig, obwohl er nicht mehr bei
       Starbucks beschäftigt ist. „Jetzt mache ich das für meine früheren
       Kolleg:innen“, erzählt er. Ob er mit seinen Mitstreiter:innen Großes
       erreichen kann, wisse er nicht. Dennoch sei er überzeugt, dass es zumindest
       wichtig ist, seine Kämpfe öffentlich zu machen und so zu erreichen, dass
       die Betriebsräte bestehen bleiben und nicht zerschlagen werden.
       
       Auf die Frage, ob Gläser seinen Job als Barista in der Starbucksfiliale
       vermisst, antwortet er nicht gleich. Er dreht Flyer in seiner Hand herum,
       die abendliche Novemberluft ist kalt. Man kann seinen Atem sehen. Die
       Arbeit an sich nicht, sagt er dann. „Aber ich vermisse das Team, die gute
       Stimmung unter den Kolleg:innen. Und die Arbeit als Betriebsrat.“
       
       14 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://arbeitsunrecht.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christina Gutsmiedl
       
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