# taz.de -- Prozess gegen Kriegswaffensammler: „Ein Leben mit Gefahr“
       
       > Der 41-Jährige Angeklagte hatte so viele Waffen gehortet, dass er eine
       > paramilitärische Truppe hätte ausstatten können. Was hat ihn angetrieben?
       
 (IMG) Bild: TNT, Schwarzpulver, Munition, Panzerfäuste: Nur eine Auswahl der beim Angeklagten gefundenen Waffen
       
       FLENSBURG taz | Zehntausende Schuss Munition, Tausende Kilo Sprengstoff,
       stapelweise Pistolen, Gewehre, Panzerfäuste – in Flensburg steht seit
       Dienstag ein 41-Jähriger wegen Waffenbesitzes vor Gericht. Gleich zweimal
       räumten Polizei und Kampfmittelräumdienst seine Lager aus – der Verdacht
       stand im Raum, er könnte Kontakt zu Neonazis oder Reichsbürgern haben. Am
       ersten Verhandlungstag schildert der Mann mit ungebremster Begeisterung
       seine Leidenschaft für Geschosse und Geschütze.
       
       „Gewehrsprenggranaten, Panzergranaten, Handgranaten, Zünder,
       Eierhandgranaten, 300 Schuss Maschinenkaliber, 300 Geschosse
       Leuchtmunition“ – es ist eine ellenlange Liste, die die Staatsanwältin im
       Sitzungssaal des Flensburger Landgerichts verliest. Es geht um Waffen und
       Munition, die die Polizei 2015 sicherstellte.
       
       Der Angeklagte schaut währenddessen auf den Holztisch. Er trägt eine dunkle
       Jacke und schwarze Mund-Nasen-Maske, die schwarze Kappe muss er auf Wunsch
       der Richterin absetzen. Darunter hat er kurze, blonde Haare. „Korrodierte
       Munition, Panzerfäuste, TNT in einer Plastiktüte, TNT in einer
       Kunststofftonne“, liest die Staatsanwältin.
       
       Zwei Tage brauchte die Polizei im Sommer 2015, um das Grundstück des jetzt
       auf der Anklagebank sitzenden Mannes in Husum zu räumen. Damals war die
       Aufregung groß: Ist der Mann mit den vielen Waffen, der seit 2001 in
       Schleswig-Holstein lebt und in der Windkraftbranche tätig ist, ein
       Reichsbürger, ein Neonazi? Plante er einen Anschlag, wollte er eine Truppe
       ausrüsten?
       
       Die Ermittlungen ergaben dann keine Hinweise auf Kontakte zur Neonazi- oder
       Reichsbürgerszene. Die Staatsanwaltschaft stufte ihn als „harmlosen
       Sammler“ ein. „Waffennarr“ war in den Medien zu lesen. Dennoch: Was trieb
       den Mann, Schießeisen zu horten, von denen einige als Kriegswaffen
       eingestuft sind?
       
       Bei dem Verfahren geht es nicht nur um den Fund im Jahr 2015, sondern auch
       um ein neues Waffenlager in einem Schuppen im Dorf Winnert, in das der Mann
       inzwischen gezogen ist. Der Schuppen wurde im Februar 2020 geräumt. Ein
       „dummer Zufall, dass das auffiel“, meint der Angeklagte dazu.
       
       „Lauf einer Uzi, eine Winchester, aus mehreren Teilen zusammengebaute
       Waffen, teils funktionsfähig, Waffen aus den 1940er-Jahren mit
       Gebrauchsspuren, ein Revolver von 1860, eine Ceska 27“, liest die
       Staatsanwältin.
       
       „Mich interessiert alles“, sagt der Mann. „Ich wollte haben, haben, haben,
       denn wenn ich es nicht kaufe, kauft es ein anderer.“ Er sei wie „jemand,
       der Eisenbahnen sammelt und sogar die Kartons hortet“. Warum er dann nicht
       etwas Harmloses gesammelt habe, fragt die Richterin. Der Angeklagte zögert
       nur kurz: „Weil es verboten ist, weil man es hinter vorgehaltener Hand
       macht.“ Das Suchen nach seltenen Waffen, die Kontakte mit Gleichgesinnten,
       „das hat mein Leben ausgemacht“.
       
       „Explosivstoffe, Schwarzpulver, Sprengkörper ohne amtliche Zulassung, ein
       Sack Pyrotechnik mit Namen Viper, ein Sack Pyrotechnik mit Namen Skorpion“,
       liest die Staatsanwältin. „10.412 Schuss Munition, 1.360 Kilogramm
       Sprengstoff, teils in korrodierten Dosen, in Plastiktüten.“
       
       Zeitweise lebte der Angeklagte mit einer Partnerin und gemeinsamen Kindern
       in einem Haus. Vor denen versteckte er die Waffen, „das hat immer
       geklappt“, sagt er. „Man entwickelt einen Instinkt, wie man das Doppelleben
       versteckt.“ Es sei „ein Leben mit der Gefahr“ gewesen, das ihm
       „Nervenkitzel“ gebracht habe. Ob er sich keine Sorgen gemacht habe, dass
       seiner Familie oder den Nachbarn etwas passieren könne, fragte die
       Richterin. „Jaa“, sagt er langgezogen. „Das ist keine schöne Sache, aber
       wenn was passiert, sterbe ich als erstes.“
       
       Mehr als die Waffen hätten ihn die Sprengstoffe interessiert und das Bauen
       eigener Patronen, sagt er. Mit einem Freund, gegen den ebenfalls ein
       Prozess läuft, hatte er einen Deal: Er entleerte die Patronen, „mit dem
       Schraubzieher holt man das raus“, behielt das Pulver, der andere bekam die
       Hülsen zum Verkauf.
       
       Er verkaufte auch Waffen, behielt aber die meisten selbst. Rund 50.000 Euro
       war allein das wert, was 2015 sichergestellt wurde. Rund 10.000 Euro der
       zweite Fund im Februar 2020. Zwischen 2015 und 2017 habe er versucht, mit
       der Sammelei aufzuhören. „Hat nicht so geklappt“, meint er. Erst kaufte er
       Paintballwaffen und historische Vorderlader, dann wieder illegale Gewehre.
       
       Eine psychiatrische Gutachterin verfolgt den Prozess. Zwei weitere
       Verhandlungstage sind angesetzt, eine Entscheidung fällt vermutlich im
       Januar.
       
       2 Dec 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
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