# taz.de -- Mehr als nur die Büchse vom Bökelberg: Fußball in Dosen
       
       > Die Dose und der Fußball schreiben zusammen Kulturgeschichte. Historische
       > Highlights sind mittlerweile etliche zusammengekommen.
       
 (IMG) Bild: Büchse vom Bökelberg: Mazzola gibt dem Schiedsrichter die historisch gewordene Dose
       
       Das mit der Dose habe ich schon oft gehört. Ein Wahnsinn sei das gewesen,
       heißt es meistens, wenn es um das 7:1 von Borussia Mönchengladbach gegen
       Inter Mailand geht. Manch einer schwärmt von den Toren, die Günter Netzer
       in dem Spiel am 20. Oktober 1971 geschossen hat, obwohl er da noch lange
       nicht geboren war. Andere finden die zwei Treffer von Jupp Heynckes besser,
       und wahre Connaisseure schwärmen von den Treffern des Dänen Ulrik le Fevre.
       Viele können gar die Flugbahn jener Getränkedose beschreiben, die den
       Inter-Spieler Roberto Boninsegna traf, bevor er zu Boden sank.
       
       Obwohl es nicht viele Bewegtbilder von diesem Spiel gibt, ist diese Szene,
       die dazu führte, dass das Spiel nicht gewertet wurde, ins kollektive
       Fußballgedächtnis der Deutschen eingegangen. Die Hauptrolle dabei spielte
       eine Getränkedose des Limogiganten Coca-Cola, die im Klubmuseum der
       Gladbacher ausgestellt ist. Wenn dereinst die Kulturgeschichte der Dose im
       Fußball geschrieben wird, jener Abend in Mönchengladbach wird gewiss ein
       dickes Kapitel füllen.
       
       Dass mit Marco Rose ein Trainer, der im dem Dosenimperium des
       österreichischen Getränkeherstellers Red Bull geformt wurde, an der Linie
       stand, als knappe 50 Jahre später Gladbach und Inter Mailand wieder
       aufeinandertrafen, auch das könnte Erwähnung finden in einem solchen Werk.
       Natürlich wird der Dosenklub mit dem drolligen Namen Rasenballsport Leipzig
       zu würdigen sein.
       
       Vom Bedeutungswandel des Begriffs „Dosenfußball“ wird ebenfalls zu reden
       sein. Vor Einführung des Dosenpfands in Deutschland hatte das Wort einen
       anderen Klang als heute. Der Straßenfußball in Deutschland wurde bis zur
       Erhebung des Einwegpfands im Jahre 2003 zu einem Großteil mit
       zusammengedrückten Getränkedosen ausgeübt. Ob der Niedergang der
       Spielkultur in den deutschen Auswahlmannschaften zu jener Zeit mit der
       Einführung des Pfands zu begründen ist, auch das wäre eine Untersuchung
       wert. Ich jedenfalls kann mich an viele hart umkämpfte Duelle erinnern, die
       ich auf den Straßen meiner Kindheit mit der Dose am Fuß ausgetragen habe.
       
       Fußball und Dosenbier 
       
       An die Schimpftiraden der Anwohnerinnen, die uns wegen des Lärms am
       liebsten die Hintern versohlt hätten, denke ich dabei ebenso wie an die
       Büchsen, aus denen wir beim gemeinsamen Fußballschauen tranken, als wir uns
       endlich alt genug dafür fühlten.
       
       Wie sehr Fußball und die Bierbüchse zusammengehören und wie wichtig das für
       Männer eines gewissen Schlags sein kann, hat der [1][Scheinmusiker Lotto
       King Karl], der bis 2019 als HSV-Maskottchen gearbeitet hat, in einem
       seiner unsäglichen Songs so geschildert: „Denn es kann immer schlimmer
       werden, und das eine sach ich dir / Es wär alles noch viel schlimmer ohne
       Fußball und Dosenbier.“ Auch daran kommt man in einer Kulturgeschichte der
       Dose im deutschen Fußball nicht vorbei.
       
       Ebenso wenig wie an der Dose, an der Jürgen Klinsmann seinen Unmut ausließ,
       als er 1997 von dem damaligen Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni
       ausgewechselt wurde. Der Dosentritt vom Olympiastadion ging wie der
       Dosenwurf vom Bökelberg in die Fußballgeschichte ein, obwohl es streng
       genommen ein Batterietritt war.
       
       Der Werbeaufsteller, den Klinsmann traktierte, stellte nämlich eine
       überdimensionale Batterie dar. Für Klinsmann eingewechselt wurde ein
       gewisser Carsten Lakies. Es waren die einzigen zehn Minuten, die er je für
       den FC Bayern auf dem Platz war und derentwegen er sich Deutscher Meister
       nennen darf. Ohne Klinsmanns Dosentritt wüsste das wohl kaum noch jemand.
       Er war ein historisches Ereignis.
       
       2 Dec 2020
       
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