# taz.de -- Union und SPD finden Kompromiss: Einigung bei Bundespolizeigesetz
       
       > Die Große Koalition will der Bundespolizei mehr Befugnisse geben.
       > Onlinedurchsuchungen und Gesichtserkennung sind aber nicht vorgesehen.
       
 (IMG) Bild: Kontrolle im Bahnverkehr – automatisierte Gesichtserkennung auf Bahnhöfen ist nicht vorgesehen
       
       BERLIN afp | Die Große Koalition hat sich nach langem Streit auf die
       Grundzüge eines neuen Gesetzes verständigt, das der Bundespolizei mehr
       Befugnisse einräumen soll. Dazu soll auch [1][die umstrittene
       Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ)] zählen, also das
       Mitlesen von Nachrichten in verschlüsselten Chatdiensten. Dies geht aus
       einem Eckpunktepapier hervor, das der Nachrichtenagentur AFP am Montag in
       Berlin vorlag. Weiterhin nicht erlaubt sein wird der Bundespolizei die
       Onlinedurchsuchung. Auch die elektronische Gesichtserkennung ist in den
       Eckpunkten nicht vorgesehen.
       
       Mit dem neuen Gesetz will die Koalition der Bundespolizei ermöglichen, mit
       modernen technischen Fahndungsmethoden auf neue Gefahren reagieren zu
       können. Ursprünglich hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bereits
       im Frühjahr eine Novelle des Bundespolizeigesetzes ins Kabinett bringen
       wollen – allerdings stieß sein Entwurf auf Widerstand beim
       Koalitionspartner SPD.
       
       Im ersten Entwurf war auch eine [2][großflächige, automatisierte
       Gesichtserkennung auf Flughäfen und Bahnhöfen vorgesehen], die allerdings
       [3][vom SPD-geführten Justizministerium abgelehnt wurde]. Später gab es
       Berichten zufolge auch um die Quellen-TKÜ Streit. Der Kompromissentwurf der
       Koalition sieht nun vor, die Befugnisse zur Quellen-TKÜ auf die Bekämpfung
       von Menschenhandel und Schleuserkriminalität zu begrenzen. Über den
       Kompromiss hatte zunächst die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet.
       
       Dem Koalitionspapier zufolge soll die Bundespolizei künftig die
       Strafverfolgung bei „unerlaubtem Aufenthalt“ in Deutschland auch selbst
       übernehmen können. Damit solle die Konsequenz aus Versäumnissen im Fall des
       Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri gezogen werden, heißt es in
       dem Papier.
       
       ## FDP: „Schritt in Richtung Überwachungsstaat“
       
       In die gleiche Richtung zielen auch einige andere Erweiterungen. Die
       Bundespolizei soll etwa selbst Platzverweise erteilen oder Blutproben
       entnehmen lassen können. Bisher mussten dazu immer die Landespolizeien
       herangezogen werden. Neu ist zudem die Zuständigkeit bei Delikten mit
       Drohnen oder Laserpointern. Zudem soll es der Bundespolizei erlaubt werden,
       Handys und Mobilfunkkarten zu lokalisieren.
       
       Ausgehandelt wurde der Kompromiss von den Fraktionsvizes Dirk Wiese (SPD)
       und Thorsten Frei (CDU). Wiese zeigte sich zufrieden mit dem „sehr
       gelungenen Kompromiss“, der die „tägliche Arbeit unserer Polizistinnen und
       Polizisten konkret verbessert“. Die „Hartnäckigkeit der SPD“ in den
       Verhandlungen über das neue Gesetz habe sich ausgezahlt, sagte Wiese der
       AFP.
       
       Auch die Unionsseite zeigte sich zufrieden. Die Koalition habe gezeigt,
       dass sie imstande sei, „auch noch am Ende der Legislaturperiode schwierige
       Gesetzgebungsvorhaben voranzubringen“, sagte Frei der AFP. Das Gesetz wäre
       „ein Stück Wertschätzung der Arbeit der Bundespolizei“, sagte er. „Wir
       wollen die Bundespolizei auch ein Stück weit aufwerten: Sie soll neue
       Aufgaben und Verwendungen – unter Wahrung des sonderpolizeilichen
       Charakters – und ein verbessertes Befugnisinstrumentarium erhalten.“
       
       Scharfe Kritik an dem Vorhaben kam von der FDP. Das neue Gesetz wäre „der
       nächste Schritt in Richtung Überwachungsstaat und gläserner Bürger“, warnte
       FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae. „Dass die Große Koalition die
       Bundespolizei mit so weitreichenden Befugnissen wie der Quellen-TKÜ
       ausstatten will, ist nicht nachvollziehbar.“ Die Koalition verfahre „frei
       nach dem Motto ‚Alle sollen alles dürfen‘, ohne Rücksicht auf die
       Bürgerrechte zu nehmen“.
       
       Die Polizei ist im deutschen Föderalismus in der Regel Ländersache – eine
       Ausnahme ist die Bundespolizei. Zu den wichtigsten Aufgaben der rund 51.300
       Beschäftigten zählen der Grenzschutz und die Sicherung des Bahn- sowie des
       Flugverkehrs. Im Rahmen dieser Schwerpunktaufgaben ist die Bundespolizei
       auch in der Kriminalitätsbekämpfung tätig. Ihre Befugnisse sind in einem
       eigenen Gesetz, dem Bundespolizei-Gesetz, geregelt. Sie untersteht dem
       Bundesinnenministerium.
       
       In Erscheinung treten Bundespolizist:innen im Alltag etwa bei Kontrollen
       von Passagie:innen an Flughäfen, bei der Überprüfung von Papieren beim
       Grenzübertritt und bei Patrouillen an Bahnhöfen. Vertreten ist sie an mehr
       als hundert Standorten in Deutschland – und darüber hinaus auch an vielen
       Einsatzorten im Ausland: Mehr als 2.200 ihrer Beam:innen sind in Osteuropa,
       dem Nahen Osten, in Afrika und in weltweiten Krisengebieten als
       Berater:innen und Expert:innen im Einsatz, zum Teil im Auftrag der
       Vereinten Nationen.
       
       30 Nov 2020
       
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