# taz.de -- Was nach einem Festessen gut tut: Der allerletzte Gang
       
       > Sieben Ratschläge, wie man nach einem üppigen Mahl sein Völlegefühl los
       > wird. Kleiner Spoiler: Die Zigarette und der Espresso sind es nicht.
       
 (IMG) Bild: Wie könnte ein Essen schöner enden als im warmen Schein einer Mandarinenleuchte?
       
       ## Der Spaziergang
       
       „Nach dem Essen sollst du ruhen oder tausend Schritte tun.“ Bei manchen
       Sinnsprüchen vergisst man ja über die Jahre, wie nun eigentlich die
       richtige Reihenfolge ist. (Bier auf Wein? Was rätst du mir?) Aber in diesem
       Fall muss man einfach nur aussuchen. Die richtige Antwort lautet eindeutig:
       tausend Schritte tun.
       
       Vor allem, weil ruhen den reinsten Wahnsinn bedeuten würde. Zischender,
       heißer, gäriger Verdauungsbrei brandet gegen den fragilen Magenpförtner, im
       Bauchraum nichts als bedrängte, hilflose Eingeweide. Wer nun aber besagte
       Schritte tut, beschleunigt die sach- und ordnungsgemäße Verteilung besagten
       Breis in den bedrängten Organen.
       
       Und kann, das ist ein weiterer Vorteil, währenddessen auch noch andere
       Optionen in Anspruch nehmen. Zum Beispiel eine Zigarette an der frischen
       Luft rauchen. Oder einen Schluck Schnaps aus dem Flachmann nehmen / ein
       Liedchen singen / eine Runde Rhönrad fahren. Martin Reichert
       
       ## Die Mandarinenleuchte
       
       In Sachen sinnlicher Nachtischerfahrung ist die kleine Mandarine Expertin.
       Als legeres Häppchen lässt sie das Mahl fruchtig ausklingen und erleichtert
       zudem die Verdauung. Das gemeinsame Schälen und Teilen bereitet dabei nicht
       nur haptisches Vergnügen, es bringt auch friedensstiftende Kraft in
       allerlei Familiensituationen.
       
       Für ein Extraplus an Sinneserfahrung sei zusätzlich das Basteln einer
       Mandarinenleuchte angeraten. Dazu achte man beim Schälen darauf, die
       Mandarine an ihrem Äquator zu teilen und die Schale sauber in zwei
       Hemisphären zu trennen. Die zentrale Säule der Mandarine, dieser
       Mittelstrang, um den sich die Spalten gruppieren, sollte dabei – als Docht
       – an der unteren Hemisphäre befestigt bleiben. Diese befülle man mit etwas
       Öl, etwa Sonnenblumenöl. Aus der oberen Hälfte schneide man den Pol mit
       einem Durchmesser von etwa zwei Zentimeter heraus, nach Belieben auch
       kleine Muster hinein, und setze sie als Deckel auf die untere Hälfte.
       
       Jetzt nur noch alle Lichter aus, Flamme an den Docht gesetzt – voilà. Die
       Mandarinenöle sorgen für den olfaktorischen Genuss, das leise Brutzeln der
       Flamme regt zu Stille an. Clara von Hirschhausen
       
       ## Der Espresso
       
       Diesen einen Espresso, diesen Magenbitter der Möchtegern-Gourmets, möchte
       ich nicht missen. Und ja, in aller Ehrlichkeit, ich bin so eine falsche
       Feinschmeckerin, die vorgibt, sich auszukennen. Dabei habe ich noch nie
       Jakobsmuscheln gegessen, keinen Eselsmilchkäse oder weißen Kaviar. Auch
       habe ich noch nie in Froschschenkel gebissen und dazu „Clos de Midi“ oder
       „La grande ourse“ getrunken; (die beiden habe ich gerade mit „edle Weine“
       gegoogelt).
       
       Mein Feinschmeckermenü könnte stattdessen folgendes sein: Süßer
       Rote-Bete-Salat mit selbst gebackenem Brot und Falscher-Oliven-Paste
       (Vorspeise), Ochsenschwanzbrühe (Zwischengang), Bratkartoffeln mit
       angebratenem Löwenzahn in geschmolzenem Gorgonzola und Salat mit Senfsoße
       (Hauptgang), Milchreis mit Apfel-Zitronen-Ingwer-Kompott (Dessert).
       Hauptsache, die Bezeichnungen geben was her!
       
       Vor dem Dessert aber kommt, das habe ich mir abgeguckt, erst noch der
       Espresso. Leider streiken inzwischen – zumindest war das vor Corona so, wie
       es danach ist, werden wir sehen – viele der (gerade nicht) Eingeladenen.
       „Ja, Espresso, hätte ich gern, kann ich aber nicht schlafen danach“, sagen
       sie. Denen brühe ich griechischen Bergtee auf. Das geht auch. Waltraud
       Schwab
       
       ## Das Sofa
       
       Muss man schon das Essen im Sitzen einnehmen, gibt es keine katholischen
       Argumente dagegen, sich wenigstens danach eine Räkelposition zu gönnen. Am
       besten eignet sich dazu ein Sofa, in das der Hintern auf halbe Höhe
       reinkriechen kann und der Oberkörper selbst nichts zu seiner
       Aufrechthaltung beitragen muss. Sofern möglich, empfiehlt es sich, beide
       Arme seitlich auszustrecken. Nur so verhilft man dem Bauchbereich zu seinem
       Recht auf uneingeschränkten Freiraum. Nichts drückt und zwickt, alles
       fließt und wabert gemächlich vor sich hin.
       
       Wer Angst hat, die auf diese Weise verlangsamte Verdauung könnte zu Ansatz
       und Übersatz im Bauchbereich führen, der geht sein Leben sicher sowieso
       weniger im Liegen als im Gehen an. Der führt auch Kalorientagebuch und
       zeigt dem Bauchbereich seine Grenzen auf. Ein guter Freigeist und Genießer
       aber gönnt sich immer noch einen Klecks Sahne oben drauf: Ich esse, also
       liege ich. Doris Akrap
       
       ## Der gemeinsame Abwasch
       
       Den Tisch abräumen, Hände in heißem Schaumwasser, einer spült, andere
       trocknen ab. Gespräche, die am Tisch geführt wurden, vertiefen, gedankliche
       Hauptwege verlassen, auf Nebenwege geraten. Miteinander sein. Felix
       Zimmermann
       
       ## Die Zigarette
       
       „Rauchen kann tödlich sein“ steht in fetten, schwarzen Lettern auf der
       Tabakverpackung. Und das stimmt ja leider auch. Aber sollte man deshalb
       komplett darauf verzichten?
       
       Nein, auch beim Rauchen kommt es, wie bei so vielen Dingen im Leben, auf
       das richtige Maß und vor allem auf den richtigen Moment an. Zigaretten
       sollten daher nicht schachtelweise weggequalmt, sondern wie ein guter Wein
       zu besonderen Anlässen genossen werden. Zum Beispiel zum Jahreswechsel, den
       man ja bereits opulent mit Raclette oder Käsefondue zelebriert hat.
       Schließlich will man dem neuen Jahr nicht kleinlich begegnen – was wäre das
       auch für ein mieser, erster Eindruck?
       
       Deshalb ist es auch nur folgerichtig, dass man die Ausschweifung nach dem
       Essen noch ein wenig weitertreibt: mit Rauchen! Also dreht man sich am
       besten eine hübsche Zigarette und genießt sie Zug für Zug auf dem Balkon.
       Einfach herrlich, wie scharf und würzig sie schmeckt, und noch herrlicher,
       wie sich beim Ausatmen des Rauchs alles Schwere in Luft auflöst. 2021, du
       schöne Unbekannte, salut! Anna Fastabend
       
       ## Der Käse
       
       Es gibt die verbreitete Meinung, nach einem guten Essen bräuchte es eine
       Brücke zurück in die nüchterne Normalität: einen Espresso gegen die
       Schläfrigkeit, einen Schnaps oder einen Spaziergang gegen die Völle im
       Bauch. Und heißt es nicht, Käse schließt den Magen?
       
       Irrtum. Der Satz ist so richtig wie die Ansicht, Fleisch verschließe die
       Poren, wenn es scharf angebraten wird. Ein gutes Essen darf nicht enden, es
       beflügelt, es macht Appetit auf mehr – auf weiteres feines Gespräch, auf
       Lachen, mehr Wein, auf einen unterhaltsamen Streit. Käse, vor allem guter,
       eröffnet das alles. Ich stelle zum Ende eines Essens ein Brett damit auf
       den Tisch, lege Messer dazu und schneide Brot. Teller vergesse ich.
       
       Wenn etwas nicht so perfekt lief bisher, nun wird es bei
       Abendbrotatmosphäre ausgebügelt. Es wird unförmlicher, die Gesprächsthemen
       intimer, die Gäste entspannter, und der Abend immer länger. Jörn Kabisch
       
       1 Jan 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
 (DIR) Martin Reichert
 (DIR) Anna Fastabend
 (DIR) Waltraud Schwab
 (DIR) Jörn Kabisch
 (DIR) Clara von Hirschhausen
 (DIR) Felix Zimmermann
       
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