# taz.de -- Nach Einigung zum EU-Finanzpaket: Geld fließt, Streit bleibt
       
       > Polen und Ungarn ziehen ihr Veto gegen das Finanzpaket zwar zurück. Doch
       > Details rund um den damit verbunden Rechtsstaatsmechanismus bleiben
       > unklar.
       
 (IMG) Bild: Machen den Weg frei: Viktor Orban und Mateusz Morawiecki
       
       BRÜSSEL taz | Die Europäische Union hat den Weg für das nächste
       Siebenjahresbudget und den Corona-Aufbaufonds freigemacht. Beim letzten
       EU-Gipfel des Jahres [1][zogen Ungarn und Polen ihr Veto] gegen das 1,8
       Billionen Euro schwere Finanzpaket zurück. Die Gelder können damit wie
       geplant ab Januar fließen. Doch der Streit über den mit dem Deal
       verbundenen Rechtsstaatsmechanismus geht weiter.
       
       Polen kündigte an, den Mechanismus, der die Kürzung von EU-Finanzhilfen
       ermöglicht, vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg prüfen zu
       lassen. Die Staats- und Regierungschefs wollen diese Prüfung, die Monate
       oder gar Jahre dauern kann, abwarten.
       
       Zudem soll die EU-Kommission zunächst Leitlinien für die Anwendung des
       neuen Instruments ausarbeiten – auch das kann dauern. In Brüssel rechnet
       man damit, dass der Mechanismus nicht vor 2022 wirksam wird – womöglich
       erst nach der ungarischen Parlamentswahl. Kritiker sehen darin ein
       Zugeständnis an den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán, der seit
       Jahren versucht, EU-Sanktionen gegen seine rechtsnationale Regierung zu
       verhindern [2][oder auf die lange Bank zu schieben].
       
       Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versicherte jedoch, dass die
       Rechtsstaatsklausel wie geplant am 1. Januar 2021 in Kraft treten werde.
       „Es geht kein einziger Fall verloren“, betonte sie nach dem EU-Gipfel.
       „Wenn ein Bruch der Rechtsstaatlichkeit vorliegt, dann wird dieser Fall
       aufgenommen.“ Sobald der EuGH geurteilt habe, würden diese Fälle
       abgearbeitet.
       
       ## Parlament will Druck machen
       
       Diese Zusage reicht aus Sicht des Europaparlaments nicht aus. „Die
       Kommission darf sich von den Mitgliedstaaten nicht zur Untätigkeit
       verdonnern lassen, wenn in Polen die Unabhängigkeit der Justiz abgeschafft
       oder Milliarden von EU-Geldern bei Familie und Freunden von Orbán landen“,
       sagte der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund. Das Parlament werde Druck
       machen.
       
       In der kommenden Woche wollen die Abgeordneten zudem eine eigene Erklärung
       zu dem Mechanismus abgeben. Damit stellen sie die Erklärung des EU-Gipfels
       infrage, die nach [3][Gesprächen von Kanzlerin Angela Merkel mit Orbán]
       zustande gekommen war. Im Kern geht es um die Frage, ob der politische
       Gipfelbeschluss oder der Rechtsakt, der dem neuen Mechanismus zugrunde
       liegt, gilt. Selbst Juristen sind sich nicht einig.
       
       Auch in Polen sorgt der Deal für Unruhe. „Leider kommt nun der Mechanismus,
       der die Nutzung der Polen zustehenden EU-Haushaltsmittel von der
       willkürlichen und ideologischen Bewertung der Kommission abhängig macht“,
       schrieb Polens Justizminister Zbigniew Ziobro. Dagegen sprach Premier
       Mateusz Morawiecki von einem „doppelten Sieg“. Man habe den Mechanismus
       gestoppt und sich mehr Geld aus dem neuen Finanzpaket gesichert.
       
       Polen und Ungarn gehören zu den [4][größten Empfängern von Geldern aus dem
       EU-Budget] und dem Coronafonds. Die EU-Kommission hatte mit Kürzungen
       gedroht, falls es nicht zu einer Einigung kommen sollte. Ein Nothaushalt
       lag bereits in der Schublade. Doch nun kommt das reguläre Budget, das auch
       die schärferen Klimaziele finanzieren soll.
       
       ## Maßnahmen gegen Russland und Türkei
       
       Der Gipfel beschloss, die Treibhausgase bis 2030 netto um mindestens 55
       Prozent zu senken – und nicht um 40 Prozent wie bisher. Außerdem sollen die
       [5][Wirtschaftssanktionen gegen Russland] verlängert und bereits bestehende
       Strafmaßnahmen gegen die Türkei ausgeweitet werden. Der Außenbeauftragte
       Josep Borrell erhielt zudem den Auftrag, bis März einen Bericht und
       Handlungsoptionen vorzulegen.
       
       Griechenland und Zypern hatten härtere Strafen gefordert, um auf die
       türkischen Gasbohrungen und die Provokationen in Nordzypern zu reagieren.
       Vor allem Merkel stand auf der Bremse: Sie wünsche sich eine „positive
       Agenda“, um den 2016 mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan geschlossenen
       [6][Flüchtlingsdeal] fortzusetzen und den Handel auszuweiten.
       
       11 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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