# taz.de -- Berlins Kopftuchverbot an Schulen: Gesetzentwurf soll kommen
       
       > Berlin will das Neutralitätsgesetz überarbeiten und Lehrern religiöse
       > Kleidung und Symbole an Schulen erlauben, so Justizsenator Behrendt
       > (Grüne).
       
 (IMG) Bild: Seit Jahren wird vor Gerichten über das Kopftuchverbot in Berlin gestritten
       
       BERLIN taz | Der Senat will noch vor der Abgeordnetenhauswahl im Herbst
       eine überarbeitete Fassung des Neutralitätsgesetzes ins Parlament
       einbringen. Das hat Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) gegenüber der
       Nachrichtenagentur epd angekündigt. Die Überarbeitung soll es ermöglichen,
       religiöse Symbole und Kleidung auch in Schulen zu tragen und ist eine
       Reaktion auf ein entsprechendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Bislang
       gab es im Senat dazu gegensätzlich Positionen.
       
       Eine Neufassung war mehr denn je in der Diskussion, nachdem Ende August
       eine Bewerberin für die Lehramtslaufbahn vor dem Gericht erfolgreich
       geklagt hatte: Ihr war eine Stelle als Quereinsteigerin verwehrt worden –
       die nach eigener Aussage gläubige Muslima hatte erklärt, ihr Kopftuch auch
       im Unterricht nicht ablegen zu wollen. Das Bundesgericht [1][verurteilte
       das Land dabei auf Schadensersatz]. Begründung: Das Berliner
       Neutralitätsgesetz, das religiöse Symbole im öffentlichen Dienst weitgehend
       verbietet, verstoße gegen die im Grundgesetz verankerte Glaubensfreiheit.
       
       Zwar liegt auch nach mehr als vier Monaten die schriftliche
       Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts nicht vor. Trotzdem hat
       Justizsenator Behrendt – ein erklärter Gegner der aktuellen Regelung – die
       Gesetzesänderung am Wochenende angekündigt. Sobald die Urteilsbegründung da
       sei, werde die rot-rot-grüne Koalition diese „gemeinsam bewerten und die
       nötigen Schlussfolgerungen ziehen“, sagte Behrendt der Nachrichtenagentur
       epd. Das Tragen religiöser Kleidung an Schulen solle dann auch in Berlin
       erlaubt sein.
       
       Der Justizsenator geht davon aus, dass es keine großen inhaltlichen
       Differenzen geben wird. „Ich gehe davon aus, dass wir innerhalb der
       Koalition rasch zu einer Einigung kommen“, sagte sein Sprecher am Sonntag
       auf taz-Nachfrage. Wann mit der schriftliche Begründung des Gerichts zu
       rechnen ist, blieb am Wochenende offen. Justizexperten schätzen die bereits
       verstrichene Zeit jedoch als eher lang ein.
       
       ## Die Bildungssenatorin war stets für das Neutralitätsgesetz
       
       Innerhalb der Koalition haben sich bislang vor allem Teile der SPD gegen
       die Aufgabe des Neutralitätsgebots ausgesprochen, allen voran
       Schulsenatorin Sandra Scheeres, deren Bereich von einer Neuregelung wohl am
       meisten betroffen wäre. „Das Gericht hat keineswegs festgestellt, dass das
       Neutralitätsgesetz an sich verfassungswidrig ist“, hatte Scheeres nach dem
       Urteil Ende August erklärt. „Gleichwohl hätten wir uns eine andere
       Entscheidung gewünscht.“
       
       Rückmeldungen von Schulleitungen machten deutlich, dass es in einer auch
       religiös so vielfältigen Metropole wie Berlin wichtig sei, dass die
       Lehrkräfte neutral auftreten, damit keine Konflikte in die Schulen
       hineingetragen werden, so die Schulsenatorin damals weiter. Sie hatte zudem
       angekündigt, eine Verfassungsbeschwerde zu prüfen – allerdings sei auch
       dafür die schriftliche Urteilsbegründung nötig. Wesentliche Teile der neuen
       Berliner SPD-Parteiführung halten aber eine Neuregelung für sinnvoll.
       
       „Wir werden in der multireligiösen Gesellschaft hinzunehmen haben, dass
       Menschen eben religiös sind und auch religiöse Symbole tragen, wenn sie
       sich in ihrem beruflichen Umfeld bewegen“, argumentiert hingegen
       Justizsenator Behrendt laut epd. Und weiter: „Es kommt entscheidend darauf
       an, was die Menschen im Kopf haben und nicht so sehr darauf an, was die
       Menschen auf dem Kopf haben.“
       
       Ob bei der Überarbeitung des Neutralitätsgesetzes neben den Schulen auch
       noch andere Bereiche wie die Polizei oder die Justiz in Blick genommen
       werden, „wird sich zeigen“, so Behrendt. Diese Bereiche stünden aktuell
       nicht im Fokus der Debatte.
       
       Allerdings dürfen Juristen in Ausbildung bei Berliner Gerichten und bei der
       Staatsanwaltschaft inzwischen religiöse Symbole wie Kopftuch, Kreuz oder
       Kippa tragen. Dazu muss allerdings der jeweilige Ausbilder mit im
       Gerichtssaal sitzen. Das hatten die Leitungen des Gemeinsamen Juristischen
       Prüfungsamts von Berlin und Brandenburg sowie des Kammergerichts Anfang
       September entschieden. Begründung: Für Menschen in Ausbildung lasse das
       Neutralitätsgesetz Ausnahmen zu. Der Vorstoß hatte für harsche Kritik aus
       den Reihen von CDU und FDP, wie auch von Teilen der SPD gesorgt.
       
       Doch selbst wenn sich der Senat rasch auf einen Gesetzentwurf einigt, heißt
       das nicht, dass dieser auch noch vor der Wahl vom Parlament verabschiedet
       wird: Der Zeitplan ist äußerst knapp. Ende Septemer sollen sowohl Bundestag
       wie auch Abgeordnetenhaus gewählt werden.
       
       3 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
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