# taz.de -- Weltweite Verteilung von Impfstoff: Industriestaaten blockieren
       
       > Die Mehrheit der Menschen muss auf eine Impfung weiter warten. Eine
       > Initiative, die die Patentrechte aufheben wollte, ist am Donnerstag
       > gescheitert.
       
 (IMG) Bild: Bisher eine Ausnahme: Impfstofflieferung in abgelegene Regionen im Amazonasgebiet, Brasilien
       
       BERLIN taz | Für die große Mehrheit der Weltbevölkerung ist eine baldige
       Versorgung mit Impfstoffen und anderen medizinischen Gütern zur Bekämpfung
       der [1][Coronapandemie] weiterhin nicht in Sicht. Eine Aussetzung von
       Patentrechten der großen weltmarktbeherrschenden Pharmakonzerne scheiterte
       am Donnerstag auch in einer fünften Beratungsrunde der
       Welthandelsorganisation (WTO) in Genf seit Oktober 2020 erneut am
       Widerstand der USA, Deutschlands und anderer Industriestaaten, in denen
       diese Konzerne ihren Sitz haben.
       
       Bereits Anfang September vergangenen Jahres hatten Indien und Südafrika in
       der WTO beantragt, es allen Mitgliedstaaten freizustellen, für die Dauer
       der Pandemie geistige Eigentumsrechte auf medizinische Produkte
       auszusetzen, die im Kampf gegen die Pandemie gebraucht werden. Das würde
       eine weltweite Ausweitung der dringend benötigten Produktion von
       Impfstoffen, Tests, Medikamenten, Schutzmasken und Beatmungsgeräten
       ermöglichen und könnte so Millionen Menschen in den bislang unterversorgten
       Ländern des Südens Schutz bieten.
       
       Die Möglichkeit zur Aussetzung von Patentrechten im Fall eines
       Gesundheitsnotstands ist in dem 1994 zeitgleich mit der WTO-Gründung
       vereinbarten „Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen
       Eigentum“ (TRIPS) vorgesehen. Die Ratifizierung des TRIPS-Abkommen ist
       Vorbedingung für den Beitritt eines Landes zur WTO.
       
       Bis zum Mittwoch hatten über 100 der 164 WTO-Mitglieder ihre Unterstützung
       für den indisch-südafrikanischen Antrag erklärt. Doch für die Aussetzung
       des Patentschutzes ist nach den Verfahrensregeln der WTO ein
       Konsensbeschluss erforderlich. Dieser wurde am Donnerstag wie bei den
       vorherigen vier Beratungsrunden zwischen Oktober bis Dezember vergangenen
       Jahres in erster Linie von den Sitzstaaten der weltgrößten Pharmakonzerne
       USA, Japan, Schweiz, Großbritannien sowie den EU-Ländern Deutschland und
       Frankreich verhindert.
       
       Eine weitere Beratung des TRIPS-Rates der WTO ist für März vorgesehen.
       WTO-Diplomaten aus Ländern, die den Antrag unterstützen, äußerten gegenüber
       der taz die Sorge, die Verhandlungen könnten sich bis Ende des Jahres
       hinziehen. Es werde bereits erwogen, notfalls einen Mehrheitsbeschluss zu
       fassen.
       
       ## NGOs kritisieren „Blockadehaltung“
       
       Ärzte ohne Grenzen, Oxfam und andere Nichtregierungsorganisationen
       kritisierten die „fortgesetzte Blockadehaltung“ der Industriestaaten.
       „Kanzlerin Merkel hat vor knapp einem Jahr gesagt, dass ein
       Covid-19-Impfstoff ein globales öffentliches Gut sein wird und man an
       möglichst vielen Stellen auf der Welt Produktionskapazitäten für einen
       Impfstoff schaffen muss. Davon ist jetzt nichts mehr zu sehen“, erklärte
       Marco Alves von der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen. Es sei
       „ein Skandal, dass von dem Bekenntnis zu globaler Weitsicht nur noch
       nationale Kurzsicht übriggeblieben ist“.
       
       Die auch beim jüngsten [2][Impfgipfel in Berlin] von den Pharmaunternehmen
       vorgebrachte Erklärung, eine signifikante Ausweitung der Produktion von
       Corona-Impfstoffen sei wegen technischer Schwierigkeiten oder des Mangels
       an Grundstoffen nicht möglich, wies Alves mit Verweis auf die bereits seit
       Januar 2020 praktizierte und sehr erfolgreiche [3][Kooperation zwischen dem
       britischen Hersteller AstraZeneca und dem Serum Institute of India] zurück.
       
       Die Covax-Initiative der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur gerechteren
       globalen Verteilung von Impfstoffen, deren Unterstützung durch Deutschland
       die Bundesregierung betont, sei „keine Lösung des Problems“. Denn auch
       Covax könne „nur die Impfstoffe verteilen, die zuvor auch produziert
       werden“.
       
       4 Feb 2021
       
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 (DIR) Andreas Zumach
       
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