# taz.de -- Paralympic-Sportler Rehm über Olympia: „Ich möchte Klarheit“
       
       > Der paralympische Weitspringer Markus Rehm erklärt, warum er seinem Traum
       > von einem Doppelstart bei Olympia und den Paralympics näher denn je ist.
       
 (IMG) Bild: Im Bereich der Olympianorm: Weitspringer Markus Rehm kann mit den olympischen Athleten mithalten
       
       taz: Herr Rehm, wie geht es Ihnen? Wann haben Sie zum letzten Mal einen
       Wettkampf absolviert? 
       
       Markus Rehm: Das war im September, einer von zweien im vergangenen Jahr.
       Das war krass wenig, fast schon ärgerlich wenig. Aber es geht mir gut, ich
       bin absolut zufrieden. Wir dürfen trainieren, ich bin gesund, das sind für
       mich die wichtigsten Faktoren im Moment. Als die Coronapandemie losging,
       waren wir eine Weile im harten Lockdown und konnten nur sehr eingeschränkt
       trainieren. Trotzdem haben wir es geschafft, bis zum Herbst noch mal eine
       wirklich gute Form hinzubekommen, da bin ich 8,35 Meter gesprungen. Genau
       so will ich die Vorbereitung in diesem Jahr noch mal schaffen.
       
       Noch sieht es so aus, dass die verschobenen Paralympischen Spiele im Sommer
       in Tokio stattfinden. Und kurz vorher die Olympischen Spiele. Welches Event
       ist Ihr Ziel? 
       
       Beide. Ich will in Tokio bei Olympia und bei den Paralympics dabei sein.
       Die Regeländerung ist da. Jetzt müsste mir der Weltverband nachweisen, dass
       ich einen Vorteil habe, wenn man mir einen Start verwehren will. Das ist
       für mich natürlich eine bessere Situation. So ist das Kräfteverhältnis auch
       fairer. Der Weltverband hat definitiv größere Ressourcen für eine
       Beweisführung als einzelne Athleten.
       
       Wie sieht das in der Praxis aus? Sie könnten an den Deutschen
       Meisterschaften der Nichtbehinderten teilnehmen, und wenn Sie die
       Olympianorm von 8,22 Meter springen und keine drei anderen deutschen
       Athleten besser sind als Sie, müssten Sie für die Spiele nominiert werden.
       Richtig? 
       
       So lege ich aktuell die Regel aus. Ich kann so lange in der olympischen
       Leichtathletik in der Wertung starten, bis mir nachgewiesen wird, dass ich
       einen Vorteil habe. [1][Das ist allerdings schwer, das hat die Studie, die
       schon gemacht wurde, ja gezeigt.] Ich könnte jetzt sagen: Ich springe die
       Norm und klage mich dann bis zu meinem Olympia-Startplatz durch. Aber so
       stur bin ich nicht. Ich sehe auch, dass es Bedarf zur Diskussion gibt, es
       gibt viele verschiedene Ansichten.
       
       Das heißt, Sie akzeptieren die Ansicht, Weitsprung mit und ohne
       Unterschenkelprothese sei nicht vergleichbar. 
       
       Jein. Man kann sich auf jeden Fall darüber unterhalten. Ich möchte
       niemandem etwas wegnehmen. Und Olympia ist für mich auch nicht größer als
       die Paralympics. Ich bin und bleibe paralympischer Athlet und werde
       versuchen, meine Medaille dort zu gewinnen. Aber Olympia ist natürlich eine
       ganz andere Plattform. Und da ich in der Lage bin, mit den olympischen
       Athleten mitzuhalten, möchte ich mich dort präsentieren. Das wäre für mich
       auch außerhalb der Wertung in Ordnung, also ohne die Möglichkeit, mich zu
       platzieren. Da geht es um Inklusion, um olympische Werte, um so viel. Ich
       hoffe sehr, dass wir an einen Tisch kommen und gemeinsame Lösungen finden.
       
       Wer ist jetzt Ihr nächster Ansprechpartner? 
       
       Letztlich ist der Ablauf ja so: Wenn ich die Norm springe, muss der
       nationale Verband mich für Olympia nominieren. Es müsste also erst mal
       klargestellt werden, ob der Deutsche Leichtathletik-Verband mich in dem
       Fall mitnehmen wollen würde. 8,22 Meter – da sehe ich hierzulande keine
       drei Athleten, die das in diesem Jahr schaffen. Mal abwarten, aber es
       stehen auf jeden Fall keine zehn Springer Schlange. Wenn ich mit meiner
       Weite zu den besten Springern gehöre, sollte ich eigentlich nominiert
       werden.
       
       Dann wäre der Weltverband die nächste Instanz. 
       
       Ja. Ich würde mir da eine klare Aussage wünschen. Etwa: Markus, wenn du die
       8,22 springst, darfst du außerhalb der Wertung als zusätzlicher Athlet
       teilnehmen. Und wenn du die Qualifikation überstehst, darfst du als
       zusätzlicher, also 13. Starter im Finale springen. Damit würde ich keinem
       olympischen Athleten etwas wegnehmen, könnte aber auf der großen Bühne ein
       Zeichen für den paralympischen Sport setzen. Ich könnte ein Athlet sein,
       der Werbung für die Paralympischen Spiele wenige Wochen später macht.
       
       Klingt so schön und einfach. 
       
       Ja. Ich verstehe nicht, was es dabei für die olympischen Verbände zu
       verlieren gäbe. Was kann man denn dagegen haben? Wenn ich die Norm springe,
       bin ich doch gut genug. Wir messen ja genauso, wir bekommen nicht einfach
       einen halben Meter draufgerechnet, nur weil wir die Beine ab haben. Aktuell
       wird das Problem immer aufgeschoben. Aber wir müssen es angehen. Es gibt
       nun mal einzelne Athleten aus dem Parasport, die im olympischen Bereich
       konkurrenzfähig sind.
       
       Viele sind es nicht. 
       
       Nein, eben. Es ist nicht die breite Masse und wird es auch nie sein.
       [2][Der südafrikanische Sprinter Oscar Pistorius hat den Anfang gemacht.]
       Aktuell kann außer mir vielleicht noch der amerikanische 400-Meter-Läufer
       Blake Leeper die Olympianorm knacken. Wie man mit uns umgeht, dafür gibt es
       bis jetzt aber keine klaren Regelungen. Das kann doch nicht sein. Die
       könnte man doch endlich mal gemeinsam ausarbeiten, ich bin da ja durchaus
       kompromissbereit und kann auch die andere Seite gut genug verstehen.
       Manchmal vielleicht sogar zu gut, wie mir schon gesagt wurde.
       
       Es heißt, Sie seien zu nett? 
       
       Ja, das höre ich öfter. Mir wird immer wieder geraten, doch einfach zu
       klagen. Aber ich verstehe, dass es Bedenken gibt und würde sie gern
       gemeinsam aus dem Weg räumen. Würde ich klagen, wären meine Auftritte auf
       der olympischen Bühne im Zweifel künftig immer negativ behaftet. Das will
       ich nicht. Ich will Inklusion, das ist das Gegenteil von Einklagen. Aber
       klar, wenn nichts passiert, muss ich mir die Option rechtlicher Schritte
       natürlich offen halten.
       
       17 Feb 2021
       
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