# taz.de -- China spendiert Olympioniken Impfstoff: Großes Gefühlsfest
       
       > IOC-Chef Thomas Bach freut sich über Chinas Angebot, alle olympischen
       > Sportler zu impfen. Auch er ist an einer Imagesteigerung Chinas
       > interessiert.
       
 (IMG) Bild: Öffnet Chinas Angebot die Arme: IOC-Chef Thomas Bach glaubt an die einigende Kraft des Sports
       
       Olympische Geschichten sind wie massentaugliche Liebesromane. Ohne Kitsch
       funktionieren sie nicht. Probleme sind dazu da, um das abzusehende Glück
       emotional noch aufwühlender in Szene setzen zu können. Sie sind für das
       große Gefühlsfest am Ende unentbehrlich.
       
       Wer wüsste das schon besser als der olympische Drehbuchautor Thomas Bach,
       der diese Woche auch wegen seiner famosen Geschichten, die er zu erzählen
       weiß, wiedergewählt wurde. So bestätigt ließ er sich auch nicht lange um
       eine weitere Erzählung bitten. Trotz der Pandemie, hob er nun vor seinen
       getreuen IOC-Mitgliedern an den Bildschirmen an, [1][werden die Olympischen
       Spiele in Tokio am 23. Juli eröffnet werden]. Und er prophezeite: „Das wird
       ein herzbrechender Moment für Japan und die ganze Welt werden.“
       
       Ein solider Einstieg. Nach acht Jahren Amtszeit sicherlich auch eingeübtes
       Handwerk, aber es wird noch viel besser. Bach erzählte von einem
       „freundlichen Angebot“ aus China. Das Land werde Impfstoffdosen gegen
       Corona für alle Teilnehmer der Olympischen und Paralympischen Spiele in
       Tokio und 2022 in Peking bereitstellen. Was für ein irrer Plot! Alte Feinde
       tun sich zusammen. Herzergreifender kann man das Märchen von der
       olympischen Völkerverbindung kaum auf die Bühne bringen: Japanische
       Sportler mit chinesischem Impfstoff. Eine ganz neue Art der
       Blutsbrüderschaft. Müssen die Werbekampagnen nun mit einem Zusatz versehen
       werden? Olympische Spiele in Japan ermöglicht durch China.
       
       Aber die Geschichte ist noch größer. Mit Chinas Hilfe kann der IOC alle
       Mitglieder der olympischen Familie, ob arm oder reich, zu gleichen
       Bedingungen zu seinem Sportfest zusammenbringen. Das IOC erklärte diese
       Woche, „mit voller Kraft“ daran zu arbeiten, die Spiele von Tokio zu einem
       „Manifest der Sicherheit für Frieden, Solidarität und Widerstand im Kampf
       gegen die Pandemie“ zu machen.
       
       ## Strategeische Impfdiplomatie
       
       So viel vorerst zur olympischen Erzählkunst. Chinesische Impfstoffangebote
       gibt es seit geraumer Zeit bereits jenseits der olympischen Sportfamilie.
       Afrikanische Länder werden etwa aus China großzügig beliefert.
       Impfdiplomatie nennen das die eher zur Nüchternheit neigenden
       Politikanalysten. Die Exporte sind ein politisches Instrument, um das Image
       und den Einfluss Chinas zu stärken.
       
       Das IOC lässt sich nicht einmal instrumentalisieren, es übernimmt eine
       aktive Rolle. Denn die aufkommenden Diskussionen, ob man die Winterspiele
       in Peking 2022 wegen der sich massiv verschlechternden Menschenrechtslage
       in Hongkong und der Verbrechen gegen die Uiguren boykottieren sollte,
       überschatten auch wieder einmal die eigenen schönen olympischen Geschichten
       von universell gelebten Werten. Dagegen versucht man nun möglichst arglos
       die Erzählung von der durch China begünstigten Auferstehung des olympischen
       Geistes in schwieriger Lage zu etablieren.
       
       Für den Milliardenkonzern IOC steht viel Geld auf dem Spiel.
       
       Die olympischen Geschichten, die immer davon handeln, wie
       unterschiedlichste Kräfte zum Wohl aller Menschen zusammengeführt werden,
       waren stets sehr einkömmlich. Besonders angetan war Thomas Bach vor zwei
       Jahren, [2][als er mit einem amerikanischen Limonadenhersteller und einem
       chinesischen Milchproduzenten einen 2,6 Milliarden Euro-Deal abgeschlossen
       hatte.] Er schwärmte von der einigenden Kraft des Sports und sagte: „Diese
       beiden Unternehmen zusammenzubringen, zeigt den olympischen Geist.“ Die
       Vereinigung von Milch und Cola, der USA und China – auch das ist wirklich
       eine tolle Geschichte. Es bleibt eine schwierige Entscheidung, ob das IOC
       eher den Friedens- oder den Literaturnobelpreis verdient hat.
       
       12 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Olympische-Spiele-2021-in-Tokio/!5742038
 (DIR) [2] https://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/ioc-mit-lukrativem-sponsorendeal-mit-coca-cola-und-mengniu-16251930.html
       
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 (DIR) Johannes Kopp
       
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