# taz.de -- Vorzeitige Impfung von Olympioniken: Prinzip Hoffnung
       
       > Sollen deutsche Sportler:innen vor Olympia geimpft werden? Die Zeit
       > drängt, aber die Verantwortungsträger drücken sich lieber vor
       > Entscheidungen.
       
 (IMG) Bild: Stellen die fünf Erdteile dar: Die Olmpischen Ringe in Tokio 2021
       
       Das Dilemma ist offenkundig: Einerseits ist es verantwortungslos, deutsche
       Sportler:innen ohne Impfangebot zu den olympischen Spielen nach Japan zu
       schicken, die zu einem Superspreader-Event werden könnten. Auf dem Trip
       nach Tokio schleppen die Olympioniken zudem neben persönlichen Zielen und
       Selbstverwirklichungswünschen auch gesellschaftlichen Erwartungsdruck mit.
       Sie wollen beweisen, dass das Fördergeld, das die Gesellschaft zur
       Vermehrung des nationalen Ruhms in ihren sportlichen Werdegang investiert
       hat, gut angelegt war.
       
       Andererseits ist es schwer nachvollziehbar, warum man angesichts einer
       Pandemie mit tödlichen Folgen diejenigen priorisieren sollte, die aufgrund
       ihrer ausgezeichneten Konstitution zu den am wenig gefährdetsten Gruppen
       dieser Gesellschaft gehören.
       
       Zu Beginn des Jahres konnte man noch hoffen, dass dieses Dilemma aufgrund
       der Impferfolge ein rein theoretisches Gedankenspiel ist. Doch die Zeit
       wird knapp. Um die Vorbereitung der Spiele nicht ungünstig zu
       beeinträchtigen, sollten die Impfwilligen im deutschen Team bis spätestens
       Mitte Juni die Injektionen erhalten haben.
       
       Die Debatte wird zunehmend ungemütlicher. Um klare Bekenntnisse drücken
       sich die Verantwortungsträger:innen. Dagmar Freitag, die sportpolitische
       Sprecherin der SPD-Bundestagfraktion, [1][hat das diese Woche sehr
       anschaulich demonstriert.] Sie haderte noch mit der Entscheidung, dass die
       Olympischen Spiele überhaupt stattfinden. Und sie ist kurioserweise für
       beides: Für eine Impfung der Sportler:innen vor den Olympischen Spielen
       und für eine Beibehaltung der Impfreihenfolge, nach der die
       Sportler:innen momentan nicht gesichert von einer Impfung vor ihrer
       Reise nach Tokio ausgehen können. Zumindest erklärte Freitag, sie werde
       nicht für eine Aufhebung der bestehenden Priorisierung zugunsten der
       Olympioniken plädieren.
       
       ## Wachsende Unruhe
       
       Überhaupt könne eine solche Aufhebung nicht der Sportausschuss im Bundestag
       entscheiden, das müsse die ständige Impfkommission tun. Letztlich ist aber
       auch diese nur ein beratendes Organ der Bundesregierung, deren Empfehlungen
       man zu 99 Prozent folge, wie Gesundheitsminister Jens Spahn einmal sagte.
       Für eine gesonderte Entscheidung zur Impfung von Olympioniken kann sich die
       Politik jedoch nicht aus der Verantwortung stehlen.
       
       Im organisierten deutschen Sport wächst derweil die Unruhe. Neben
       autoritären Staaten haben etwa auch Dänemark und Neuseeland ihren
       Athlet:innen Vorrang eingeräumt. In etlichen Ländern ist man mit dem
       Impfen weiter vorangeschritten. Das Bekenntnis, sich nicht vordrängeln zu
       wollen, dient [2][wie einst bei FC Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge] immer
       mehr dem Versuch, sich mit dem Nachsatz eine bessere Position zu erkämpfen.
       
       DOSB-Präsident Alfons Hörmann erklärte diese Woche, nicht drängeln zu
       wollen und „herzlich gern“ das zweite Quartal abwarten zu wollen, aber es
       müsse eine Option geschaffen werden. Der Marathonläufer Arne Gabius
       argumentierte dieser Tage mit der geringen Zahl der benötigten Impfdosen.
       Eine geringfügige Bevorzugung kann aber im Zweifelsfall auch Leben kosten.
       Ein Grund, weshalb der Ethikrat sich bislang gegen eine Priorisierung von
       Olympioniken ausgesprochen hat.
       
       Wenn man allerdings von der Gefahr eines Superspreader-Events in Tokio
       ausgeht, ist neben der Verantwortung für die Sportler:innen auch die für
       die globale Pandemieentwicklung in Betracht zu ziehen. Die Angelegenheit
       ist komplex. Sie sollte nicht allein der ständigen Impfkommission
       überlassen werden. Es braucht eine offene Debatte. Aber noch wird auf Zeit
       gespielt. Die Impfquoten dieser Woche brachten neue Rekorde hervor. Es
       regiert die Hoffnung, dass das Problem sich von selbst löst.
       
       16 Apr 2021
       
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