# taz.de -- Corona und Schule: So retten wir die Schule
       
       > Nächste Woche öffnen bundesweit wieder Schulen. Viele Fragen sind offen.
       > Sechs Tipps, damit das zweite Halbjahr besser läuft als das erste.
       
 (IMG) Bild: Mit Maske und Winterjacke: viele Schulen öffnen noch im Februar
       
       Lange mussten Schüler:innen und Eltern auf diesen Moment warten.
       [1][Noch im Februar dürfen nun bundesweit wieder Schulen öffnen]. So haben
       es die Ministerpräsident:innen am Mittwoch gegen die Kanzlerin
       durchgeboxt, die erst im März zum Präsenzunterricht zurückkehren wollte.
       Seit Mitte Dezember lernen fast alle Jahrgänge zuhause, Ausnahmen gibt es
       für Abschlussklassen.
       
       In den nächsten Wochen kommen Schüler:innen also schrittweise in die
       Schule zurück. Zunächst in Sachsen, dort öffnen die Grundschulen am Montag.
       Die meisten anderen Länder beginnen eine Woche später damit, Sachsen-Anhalt
       und Hamburg im März.
       
       Relevanter für das restliche Schuljahr sind jedoch andere Fragen: Ab
       welcher 7-Tage-Inzidenz sollten Schulen geöffnet und notfalls wieder
       geschlossen werden? Haben Noten und Schulabschlüsse in diesem Jahr
       überhaupt noch Sinn? Wie schützt man Schüler:innen und Lehrer:innen
       am besten vor den Mutanten? Und wie kann man Lernrückstände aufholen? Sechs
       Forderungen, um das Schuljahr noch retten zu können:
       
       ## 1. Endlich verbindliche Kriterien
       
       Einer der größten Streitpunkte bei den Schulöffnungen ist, ob sie sich
       streng nach Inzidenzzahlen richten soll. Bisher haben die Länder die
       Entscheidung größtenteils den Lokalbehörden überlassen. Wie wenig das
       funktioniert, konnte man ihm Herbst beobachten. Viele Kreise sahen auch bei
       Inzidenzwerten über 200 keinen Grund für Schulschließungen, ja nicht mal
       für Teilung der Klassen.
       
       Über Wochen weigerten sich die Kultusministerien, dazu klare Vorgaben zu
       machen – und das tun sie zum Teil noch immer. Die Folgen: Schulen dürften
       wie vor dem Lockdown im permanenten Wartemodus verharren, bis es neue
       Vorgaben gibt. Die Schulen brauchen in der Frage aber Orientierung und
       Sicherheit, forderte kürzlich der renommierte Bildungsforscher Kai Maaz.
       
       Heißt: Jetzt müssen verbindliche und transparente Kriterien dafür her, wann
       und wie Schulen öffnen dürfen und wann sie wieder schließen müssen. Die
       Entscheidung sollte sich übrigens nicht allein an den Inzidenzwerten
       orientieren, sondern auch Impfquoten, Krankenhausbelastung und Verbreitung
       der Virusmutanten berücksichtigen. Ein paar Länder haben solche Stufenpläne
       erarbeitet – unter anderen Schleswig-Holstein. Es wird Zeit, dass die
       anderen nachziehen.
       
       ## 2. Ohne Schnelltest kein Unterricht
       
       Wie aufschlussreich breit angelegte Tests an Schulen sind, hat sich nach
       den Weihnachtsferien in Bremen gezeigt. Dort wurden die Schulen geöffnet.
       Die Eltern konnten allerdings selbst entscheiden, ob ihre Kinder in die
       Schule gehen. Das Ergebnis: An den Schulen (inklusive Kitas) gab es zu dem
       Zeitpunkt eine Inzidenz von 313 – weit über den diskutierten Richtwerten.
       Die Zahl verdeutlicht ein Problem, auf das Virolog:innen schon länger
       hinweisen: Weil Kinder und Jugendliche seltener Symptome entwickeln, werden
       sie seltener getestet. Mehrere Studien weisen mittlerweile eine hohe
       Dunkelziffer an Schulen nach.
       
       Um zu verhindern, dass Infektionsketten unbemerkt bleiben, müssen neben
       (medizinischen) Masken unbedingt auch regelmäßige Schnelltests zur
       Verfügung stehen. Bislang haben mehrere Länder zwei Tests pro Woche
       versprochen – allerdings nur für Lehrkräfte. Die kostenlosen Schnelltests
       sollten jedoch auch für Schüler:innen bereit stehen, wie es Thüringen
       schon für die Abschlussklassen anbietet. Und sie sollten verpflichtend
       sein.
       
       Regelmäßige Schnelltests sind wohl die einzige Chance, die Mutanten in den
       Griff zu kriegen. Neueste Daten aus Israel sollten eine Warnung sein. Wie
       das britische Medizinjournal The BMJ diese Woche meldete, wurden dort wegen
       der britischen Mutante B1.1.7 im Januar so viele Kinder und Jugendliche
       positiv auf Corona getestet wie in keinem Monat zuvor: Jede vierte
       Neuansteckung betraf ein Kind unter zehn Jahren. Bislang hatte diese
       Altersstufe als weitgehend ungefährdet gegolten.
       
       ## 3. Bitte sehr, sehr vorsichtig
       
       Die Kultusminister:innen müssen dringend ihren Umgang mit unliebsamen
       Studien überdenken. Nur ein Beispiel: Am Donnerstag rechtfertigte die
       baden-württembergische [2][Kultusministerin Susanne Eisenmann] (CDU) die
       Öffnungspläne erneut damit, dass Kinder bis zu zwölf Jahren weniger
       ansteckend sein sollen als ältere Kinder oder Erwachsene.
       
       Die Begründung ist problematisch, weil sie unter Wissenschaftler:innen
       umstritten ist. Dasselbe gilt für die monatelange Behauptung der Politik,
       die Schulen spielten für die Verbreitung des Virus keine Rolle. In beiden
       Fällen widerspricht übrigens auch der Virologe Christian Drosten von der
       Berliner Charité. Das sollte nachdenklich stimmen.
       
       Dass sich Politiker:innen aber auf eine These versteifen, die nicht
       zweifelsfrei belegt ist, ist unseriös und weckt falsche Hoffnungen. Und
       selbst wenn Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die eine Million
       Lehrer:innen und Erzieher:innen bei den Impfungen vorzieht und das
       zügig passiert, sind die Schulen damit längst nicht vor Ausbrüchen
       geschützt. Dass Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz präventiv die
       Schulöffnungen verschoben haben, ist das richtige Signal. Im Zweifel für
       den Gesundheitsschutz.
       
       ## 4. Keine Fixierung auf Zensuren
       
       Mit ihrem Mantra, dass Abschlussprüfungen wie jedes Jahr stattfinden,
       setzen die Kultusminister:innen Schüler:innen, Lehrer:innen und
       Eltern stärker unter Druck. Aber: Auf Distanz können die Lehrer:innen
       nun mal nicht die Stoffmenge vermitteln und prüfen, die laut Lehrplan
       eigentlich vorgesehen ist. Ergo zählt plötzlich jede Note doppelt. Das
       führt zu absurden Situationen: Schüler:innen, die nach Wochen endlich mal
       wieder in der Schule zusammenkommen, besprechen nicht neuen Stoff, sondern
       schreiben eine Klassenarbeit.
       
       Eine Gruppe von Bildungsfor-scher:innen und Praktiker:innen, die im
       Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung Empfehlungen für das Schuljahr 2020/21
       erarbeitete, bezweifelt, dass solche klassischen Testformate in einer
       Situation, in der alle unter höchst unterschiedlichen Bedingungen lernen,
       noch taugen. Sie schlagen vor, Schüler:innen lieber häufiger Feedback zu
       geben und über andere Formen der Leistungsbewertung nachzudenken.
       
       Also: Die Zensurvergabe soll für das restliche Schuljahr ausgesetzt werden,
       stattdessen führt jede Schüler:in mit jeder Lehrer:in ein persönliches
       Gespräch und bekommt eine schriftliche Beurteilung. Sitzenbleiben entfällt.
       
       ## 5. Lernrückstände abbauen
       
       Was Schüler:innen [3][in diesem Jahr wirklich versäumt haben], weiß
       niemand. Einige Länder wie Brandenburg haben nach dem ersten Lockdown
       erhoben, wo Lücken sind. Doch bundesweite Erhebungen fehlen. In den
       Niederlanden wurden nach einem achtwöchigen Lockdown im Frühjahr
       Schüler:innen in Mathe, Rechtschreiben und Lesen getestet. Bei Kindern
       aus sozial benachteiligten Elternhäusern waren die Lernverluste um bis zu
       55 Prozent höher als bei den restlichen Schüler:innen. Alarmierende
       Indizien.
       
       Solche Tests braucht es auch in Deutschland. Und vor allem Unterstützung
       für jene, denen das Lernen zuvor schon nicht leichtfiel. Eine nationale
       Kraftanstrengung. Bund und Länder führen gerade Gespräche über ein groß
       angelegtes Nachhilfeprogramm mit Sommerschulen und Kulturangeboten. Das
       geht in die richtige Richtung.
       
       ## 6. Tablets für alle
       
       Eine halbe Milliarde Euro hat der Bund im vergangenen Jahr lockergemacht,
       damit die Schulen Tablets für Schüler:innen anschaffen können, die zu
       Hause lernen. Also derzeit für fast alle. Das Geld haben die Länder auch
       schon fast ausgegeben, doch noch längst nicht jede Schüler:in hat nun
       wirklich ihr eigenes Endgerät. Vom Smartphone mal abgesehen, aber zur
       Bearbeitung von PDFs taugen die nur bedingt. In Baden-Württemberg etwa hat
       jede fünfte Schüler:in ein Leihgerät von der Schule bekommen, in Berlin
       jede sechste, in anderen Bundesländern sieht es ähnlich aus.
       
       Aber Tablets gehören mittlerweile zum Unterricht so wie früher Federhalter,
       Lineal und Schulbücher. Niemand ist bislang davon ausgegangen, dass
       Schüler:innen auch ohne Schulbücher genauso gut mithalten könnten wie
       Klassenkamerad:innen, die solche besitzen. Also gleiche Chancen für alle,
       das heißt ein Tablet für jede Schüler:in.
       
       12 Feb 2021
       
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