# taz.de -- Freies Radio in Flensburg bedroht: Freiheit in den Grenzen der FDP
       
       > Die Flensburger FDP will dem freien Radiosender „Fratz“ Gelder streichen,
       > weil ihr die Berichte über die Besetzung des Bahnhofswaldes nicht
       > passten.
       
 (IMG) Bild: Der kritische Blick auf die Polizei bei der Räumung des Flensburger Waldes gefällt nicht allen
       
       HAMBURG taz | Unkommerziell und pleite, unbequem, kindisch und ernst,
       Do-it-Yourself und Punk – so beschreibt sich der freie Radiosender „Fratz“
       aus Flensburg. Der junge Sender ist erst seit Dezember 2019 auf einer
       UKW-Frequenz zu hören. Er ist eines von zwei freien Radios in
       Schleswig-Holstein. Aber die Existenz des Senders ist schon bedroht: Die
       FDP-Ratsfraktion hat beantragt, ihm die Finanzierung zu entziehen. Der
       Grund: Ihr gefällt die Berichterstattung über den kürzlich besetzten
       Flensburger Bahnhofswald nicht.
       
       Die ehrenamtliche Redaktion sei über diese Argumentation „entsetzt und
       enttäuscht“, sagt Fratz-Vereinsvorsitzende Marie Nassauer. Dem
       nichtkommerziellen Sender, dem Werbeeinnahmen verboten sind, werde damit
       unverblümt das Einstellen des Sendebetriebs nahegelegt. In Neumünster, wo
       der zweite freie Radiosender Schleswig-Holsteins sitzt, seien solche
       Forderungen bislang nur von der NPD gekommen.
       
       Klimaaktivist*innen hatten im Oktober [1][Baumhäuser in einem an den
       Flensburger Bahnhof angrenzenden Wäldchen errichtet], um dessen Abholzung
       zugunsten eines Parkhauses und eines Hotels zu verhindern. Die FDP-Fraktion
       hatte die SPD-Bürgermeisterin Simone Lange aufgefordert, die sofortige
       Räumung zu veranlassen – was die Stadt auch tat, allerdings [2][nachdem sie
       zunächst mitgeteilt hatte, sie werde von einer Räumung absehen]. Der
       Radiosender begleitete die Geschehnisse kritisch und ließ auch die
       Bürgerinitiative zum Schutz des Waldes sowie die Besetzer*innen zu
       Wort kommen.
       
       „Im Rahmen der Geschehnisse um den,Bahnhofswald' zeigte das Radio Fratz
       eine nur einseitige Berichterstattung“, kritisiert die FDP in ihrem Antrag,
       den sie im Mai dem Kulturausschuss und anschließend dem Finanzausschuss
       vorlegen will. Die Art der Berichterstattung passe nicht zu einer Förderung
       aus öffentlicher Hand.
       
       ## Ein anarchistischer Instagrampost
       
       Konkret geht es um 22.000 Euro Kulturförderung pro Jahr, die der Sender für
       Miete, Versicherung und Bürokosten ausgibt. Die FDP fordert, das Geld auf
       andere kulturelle Einrichtungen zu verteilen. „Wir haben einfach
       Bauchschmerzen mit gewissen Programmpunkten“, erklärt der
       Fraktionsvorsitzende Christoph Anastasiadis auf taz-Nachfrage.
       
       Auch in den Statuten sowie auf den Social-Media-Kanälen des Senders zeige
       sich ein mangelhaftes Demokratieverständnis. Als Beispiele nennt der
       Fraktionsvorsitzende etwa einen Instagram-Post, der eine Lesung aus dem
       anarchistischen Buch „From democracy to freedom – der Unterschied zwischen
       Regierung und Selbstbestimmung“ bewirbt. „Uns fehlt das Bekenntnis zu
       demokratischen Grundwerten“, sagt Anastasiadis. Das aber sei die
       Voraussetzung für eine Kulturförderung.
       
       Die Argumentation „Inhalt doof, deshalb keine Förderung“ findet selbst die
       örtliche CDU problematisch. Sie will dem FDP-Antrag aber trotzdem
       zustimmen. Allerdings schiebt sie einen eigenen Ergänzungsantrag mit
       eigener Begründung nach. „Berichterstattung, auch wenn sie politisch
       eingefärbt ist, darf aber nicht je nach Gefallen finanziert werden“, stellt
       sie darin klar. „Die Demokratie lebt davon, dass Meinungen – auch
       unliebsame – ausgesprochen und transportiert werden.“
       
       Dafür wärmt sie einen anderen Kritikpunkt wieder auf, den sie schon vor
       zwei Jahren angebracht hatte, als es erstmals um die Bewilligung der
       Kulturförderung für den Radiosender ging. In dessen Statuten steht nämlich,
       dass, wie beim freien Radio üblich, jede*r mitmachen kann, auch ohne
       journalistische Kenntnisse – allerdings schließt Radio Fratz
       Mitarbeiter*innen von Sicherheitsbehörden aus. Die CDU wittert darin
       Diskriminierung.
       
       ## „Sie wollen uns mundtot machen“
       
       „Wer Angst davor hat, dass auch Polizistinnen und Polizisten,
       Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zolls, der Staatsanwaltschaften oder
       anderer staatlicher Rechtspflegeorgane lokales Radio mitgestalten, dient
       ganz sicher nicht allen Einwohnerinnen und Einwohnern unserer Stadt“, sagt
       der Fraktionsvorsitzende Arne Rüstemeier. Es sei ein bedenkliches Signal,
       wenn die Kommunalpolitik auch finanziell anerkenne, dass
       Mitarbeiter*innen der Rechtspflegeberufe bei dem Radiosender
       unerwünscht sind.
       
       Ganz so weit entfernt, wie sie sich von dem FDP-Antrag geben will, ist die
       CDU dann aber doch nicht, wie an anderer Stelle deutlich wird: Dass
       Akteur*innen wie dem [3][in Flensburg ansässigen linken
       Mailversand-Kollektiv „Black Mosquito“], die dem „verfassungskritischen
       linksextremen Spektrum“ zuzuordnen seien, regelmäßige Sendeplätze
       eingeräumt werden, bereite den Mitgliedern der Fraktion ebenfalls Sorge,
       schreibt die CDU in einer Mitteilung. Offenbar spielt die Auswahl der
       Sendungen und Gesprächspartner*innen also doch eine Rolle für die
       Konservativen.
       
       „Sie wollen uns mundtot machen“, vermutet die Fratz-Redaktion. Die Anträge
       seien ein Angriff auf kritische Berichterstattung, von der es in Flensburg
       ohnehin nicht viel gebe, sagt Marie Nassauer. Auch die Berichterstattung
       zur Besetzung des Bahnhofswaldes im Flensburger Tageblatt, der größten
       Lokalzeitung, sei sehr einseitig – pro Räumung – gewesen. Die Beiträge von
       Fratz seien für den pluralen Diskurs sehr wichtig gewesen.
       
       Wie der Rat abstimmen wird, wird sich erst nach den Diskussionen in den
       Ausschüssen zeigen, also im Spätsommer oder Herbst. CDU, SPD, Grüne und SSW
       haben je acht Sitze, FDP, WIF und Linke drei, Flensburg Wählen zwei. Sollte
       die Mehrheit den Anträgen zustimmen, würde das für den Sender bedeuten,
       dass er seine Räumlichkeiten verlöre. „Wahrscheinlich könnten wir unter
       erschwerten Bedingungen irgendwo weitermachen“, sagt Nassauer.
       
       Aber die Idee des freien Radios sei gerade, dass die Zugangshürden niedrig
       und die Räume offen und einladend seien. Die bisherige Innenstadtlage sei
       schon besser als irgendein Hinterhof. Des Weiteren sei die Redaktion aus
       komplett ehrenamtlich arbeitenden Journalist*innen ohnehin immer am
       Rande der Überlastung und brauche eher mehr und flexibel einsetzbares Geld
       anstelle solcher Drohungen.
       
       Entmutigen lässt sich die Redaktion aber nicht. „Für uns ist das eine
       Bestätigung, dass wir unbequeme Berichterstattung gemacht haben. Es
       ermutigt uns weiterzumachen.“
       
       9 Mar 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schipkowski
       
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