# taz.de -- Verhüllungsverbot in der Schweiz: Front gegen 30 Frauen
       
       > Rassismus und Islamophobie ziehen in der Schweiz noch immer. Immerhin:
       > Die Abstimmung ist deutlich knapper ausgefallen als bei der
       > Minarettinitiative.
       
 (IMG) Bild: Mit Dämonisierungen arbeitete die Schweizer Initiative zum Verhüllungsverbot
       
       Es blieb bis zum Ende knapp, doch [1][jetzt steht das Ergebnis der
       Abstimmung in der Schweiz fest]: Die Volksinitiative „Ja zum
       Verhüllungsverbot“ wurde von der Stimmbevölkerung angenommen. Das Verbot
       der Gesichtsverhüllung kommt somit in die Verfassung. Das Resultat ist nach
       einigen Jahren der Misserfolge ein Sieg für die rechtspopulistische
       Schweizerische Volkspartei SVP.
       
       Die Vorlage betrifft einerseits „vermummte Chaoten“, wie das
       Initiativkomitee auf seiner Webseite schreibt und andererseits Niqab- und
       Burkaträgerinnen. Um letztere drehte sich die Debatte vor der Abstimmung
       hauptsächlich. Auch das Resultat ist in erster Linie als Zeichen an
       Muslim:innen zu verstehen.
       
       Das Verbot der Gesichtsverhüllung reiht sich ein in zahlreiche thematisch
       und rhetorisch ähnliche Initiativen der SVP und des ihr nahestehenden
       Vereins „Egerkinger Komitee“: Von der „Minarettinitiative“ 2007 über
       [2][die „Ausschaffungsinitiative“] 2008 bis zur
       „Masseneinwanderungsinitiative“ 2014. Sie alle schufen ein
       Bedrohungsszenario rund um Menschen ohne Schweizer Pass und um
       Muslim:innen.
       
       Das parteipolitische Kalkül hinter den Initiativen war immer klar: Die SVP
       profilierte sich in den vergangenen dreißig Jahren als „Partei des
       Schweizer Volks“, das dieses vor „Überfremdung“ bewahre. Das Thema
       Migration verhalf der SVP bereits in den 90er Jahren zum Aufstieg zur
       meistgewählten Partei der Schweiz. Die aggressiven Kampagnen befeuern seit
       Jahren rassistische und islamophobe Ressentiments.
       
       ## Rückkehr zu altbewährten Mitteln
       
       Obwohl sie weiterhin die meistgewählte Partei blieb, konnte die SVP seit
       2014 mit ihren Initiativen keine größeren Erfolge mehr erzielen. Das Thema
       Migration schien abgenutzt und die SVP vermochte es nicht, neue Themen zu
       setzen. So wurde etwa die sogenannte „Selbstbestimmungsinitiative“ 2018
       klar abgelehnt. Sie forderte, dass die schweizer Bundesverfassung über dem
       internationalen Völkerrecht stehe. Auch Initiativen zur Familienpolitik und
       die Forderung nach einer direkten Wahl der Regierung wurden klar abgelehnt.
       
       Die Initiative zum Verhüllungsverbot ist eine Rückkehr zu altbewährten
       Mitteln. Das heutige Abstimmungsresultat zeigt: Rassismus und Islamophobie
       ziehen bei der schweizerischen Stimmbevölkerung noch immer. Immerhin: Die
       Abstimmung ist mit rund 52 Prozent Ja-Stimmen deutlich knapper ausgefallen
       als bei der Minarettinitiative. Diese wurde 2007 mit rund 57 Prozent
       Stimmenanteil angenommen.
       
       Die Initiative zum Verhüllungsverbot legte nicht nur erneut die
       rechtspopulistische Strategie der SVP, sondern auch die Schwächen der
       schweizerischen direkten Demokratie offen. Ein hochkomplexes Thema voller
       Widersprüche wurde auf ein simples „Ja oder Nein“ reduziert. Ist der Niqab
       gut oder schlecht? Ist Ganzkörperverschleierung Teil einer aufgeklärten
       Gesellschaft oder nicht? Ein Zeichen der Unterdrückung oder der
       Emanzipation?
       
       ## Ein Verbot hilft niemandem
       
       Es sind Fragen, die nicht mit einem einfachen Ja oder Nein zu beantworten
       sind. Nicht wenige Stimmberechtigte dürften beim Setzen des Kreuzchens in
       jedem Fall Bauchschmerzen gehabt haben.
       
       Trotzdem waren sich politisch linke und feministische Gruppierungen und
       Parteien einig: Ein Verbot hilft niemandem. Stattdessen schadet es den
       wenigen ohnehin schon marginalisierten Frauen, die in der Schweiz Niqab
       tragen und die sich jetzt plötzlich strafbar machen. Es gibt von ihnen im
       ganzen Land nur etwa 30. Burkaträgerinnen gibt es laut Studien überhaupt
       keine.
       
       Wie man es dreht und wendet: Diese Abstimmung ist ein Sieg für die
       diskriminierende politische Strategie der SVP und ein Verlust für die
       offene und solidarische Gesellschaft in der Schweiz.
       
       7 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
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