# taz.de -- Die Wahrheit: Weltfrieden endlich gesichert!
       
       > Ein neuer Plan an Ostern erleichtert Politik und Gesellschaft das
       > gegenseitige Verständnis für die eigene Unzulänglichkeit.
       
 (IMG) Bild: Sehnsüchtig formen Menschen das Peace-Zeichen
       
       „Manchmal braucht es nur einen Menschen, der in der Geschichte den großen
       Unterschied macht“, glaubt Manfred Wapplinger. Und ist auch gleich der
       Überzeugung, selbst dieser Mensch zu sein.
       
       „Mein Ziel ist der Weltfrieden!“, formuliert der gebürtige
       Niederösterreicher und BWL-Studienabbrecher bescheiden. Jetzt will er zu
       Ostern die Weltpolitik aufmischen. Und wie alle großen Ideen – so ist
       Wapplinger sich sicher – ist auch seine vor allem eines: so einfach, dass
       man sich fragt, warum noch keiner draufgekommen ist.
       
       „Die Idee kam mir vor dem Fernseher.“ Nach einem langen mühsamen Arbeitstag
       sitzt der gescheiterte Versicherungsagent in seiner Berliner Wohnung und
       denkt nach. „Ich hab gerade den ganzen Tag versucht, Versicherungen zu
       verkaufen. Gegen Steinschlag. In Niedersachsen und Brandenburg.“ Und
       während sich Wapplinger vom Arbeitsalltag erholt, blubbert der Fernseher
       vor sich hin. „Und da ist gerade die Türkei aus dem Istanbul-Vertrag
       ausgestiegen, und ich denk mir: Warum muss das so sein?“
       
       Und da ist sie dann plötzlich da, die Idee zum Weltfrieden: Die globale
       Verunsicherungspolice. „Schließlich sind Staatschefs auch nur Menschen!“,
       gibt sich der zweimal Geschiedene humanistisch. „Die haben auch mal einen
       miesen Tag. Schlecht geschlafen, viel Stress, unzufriedenes Militär, zu
       Hause Probleme, weil man wegen eines Waffendeals den Hochzeitstag vergessen
       hat – und dann hat auch noch die Börse schlechte Laune. Dass so ein
       Regierungschef oder eine Kanzlerin da auch mal die Nerven wegschmeißt, das
       kann man doch verstehen.“
       
       ## Abkommen aus dem Nichts gekündigt
       
       Und so werden Abkommen scheinbar aus dem Nichts heraus gekündigt. Laut
       Wapplinger soll Donald Trump den Atom-Deal mit dem Iran nach einer
       Prostata-Untersuchung gecancelt haben. Sicher ist, die Liste der nicht
       eingehaltenen Abkommen, der gebrochenen internationalen Verträge und der
       ignorierten Zusagen ist lang. Und sie wird täglich länger. Ob es jetzt um
       das Minsker Abkommen, den „Friedensprozess“ in Syrien, den Pariser
       Klimavertrag oder den Pakt über Rechtsstaatlichkeit in der EU geht – längst
       weiß niemand mehr, ob so ein Vertragswerk überhaupt noch das Papier wert
       ist, auf dem es geschrieben steht.
       
       Wapplinger, der heute noch drei Leasingverträge zurückzahlt für Autos, die
       er gar nicht mehr besitzt, sieht es erneut menschlich: „Das kennt man doch.
       Während eines lustigen Abend denkst du dir, das ist eine super Idee und
       unterschreibst was. Und nach ein paar Tagen kommst du drauf: So super war
       die gar nicht.“
       
       Doch wenn Staaten plötzlich ihre Zusagen zurückziehen, gibt es negative
       Schlagzeilen, Ärger mit den Nachbarn, angedrohte Sanktionen und langatmige
       Presseerklärungen. Wapplinger zufolge muss das nicht so sein.
       
       „Wir brauchen nur noch eine internationale Konferenz: Meine internationale
       Konferenz.“ Nach dem Vorbild der Münchner Sicherheitskonferenz will der
       Beinahebesitzer eines Dotcomunternehmens neu voranschreiten und die
       Internationale Konferenz zur gegenseitigen Nichteinhaltung und Missachtung
       von internationalen Abkommen (IKZGNUMVIA) einberufen.
       
       „Das wird sozusagen das Gegenstück zu München. Die internationale
       Unsicherheitskonferenz! Wer hier das Abschlussdokument unterschreibt, kann
       anschließend nach Herzenslust oder Berechnung oder PR-Strategie Zusagen
       machen, kann irgendwas den Kampf ansagen oder auch die Menschenrechte, die
       nationale Ehre oder den Schutz des Verbrennungsmotors hochhalten. Niemand
       wird es dem unterzeichnenden Staat oder gar seinem Chef übelnehmen, wenn er
       sich auch schon nach zwei Stunden nicht mehr daran erinnern kann.“ Denn die
       informierte Öffentlichkeit weiß: Der Staat hat an der IKZGNUMVIA
       teilgenommen und das Abschlussdokument verbindlich unterschrieben.
       
       Bei der Vorstellung gerät der Familienvater mit anhängiger Unterhaltsklage
       ins Schwärmen: „Das wird die neue Helsinki-Schlussakte! Das diplomatische
       Dokument für das 21. Jahrhundert!“ Laut Wapplinger könnte mit so einem
       Vertragswerk die Volksrepublik China Menschenrechtskonventionen beitreten,
       die USA wären in der Lage, sich zum kompletten Abzug sämtlicher
       Militärberater aus Nahost und Lateinamerika zu verpflichten, und Russland
       würde gleiche, freie und faire Wahlen garantieren. Und endlich könnten alle
       – wirklich alle – Staaten der Erde verbindliche und radikale Schritte zur
       Bekämpfung des Klimawandels garantieren. Alle wären glücklich.
       
       Nur leider würde rein gar nichts davon passieren.
       
       Doch dieses Argument lässt Wapplinger nicht gelten. „Na, und? Wo ist der
       Unterschied zu jetzt? Außer, dass die Stimmung besser ist. Schauen Sie, wir
       Österreicher wissen: Inhalt ist überbewertet, auf die gute Laune kommt es
       an!“
       
       Letztlich sei doch die Frage, wo man lieber leben würde: in einer zugrunde
       gehenden Welt, in der alle schlecht drauf sind, oder lieber in einer Welt,
       in der die Stimmung gut ist und die trotzdem zugrunde geht. „Lieber in
       letzterer, oder?“
       
       ## Konferenzort in strukturschwachem Gebiet
       
       Für den Ort der Konferenz, nach dem das Schlussdokument dann auch benannt
       werden soll, hat Wapplinger schon Zusagen eingeholt. „Viktor Orbán möchte
       das ganz groß aufziehen. Irgendwo, in einer malerischen Stadt an der
       Mittelmeerküste Ungarns.“ Ein schönes Beispiel dafür, dass die ungarische
       Regierung den Geist des zukünftigen Abkommens bereits atmet, findet
       Wapplinger. Doch schwebt ihm grundsätzlich etwas anderes vor. „Es muss auch
       optisch das Gegenstück zu München sein. Irgendein strukturschwaches Gebiet,
       das Hoffnung braucht. Vielleicht Winsen an der Luhe?“
       
       Aber selbst wenn das bis Ostern noch nichts werden sollte, lässt der
       tapfere Mann, der noch vier Kredite abzahlen muss, den Kopf nicht hängen.
       „Ich kann das selbstverständlich alles auch in kleinerem Rahmen anbieten.
       Wie wär’s mit einer Konferenz unter dem Titel ‚Offizielles Bekenntnis zum
       Ignorieren von Ehrenerklärungen‘? Da gibt es sicher den einen oder anderen
       CDU/CSU-Abgeordneten, der Interesse an so was hat.“
       
       Hier sieht man, dass der Ex-FPÖ-Gemeinderat weiß, wie Politik funktioniert.
       „Ich war ja selbst einmal wochenlang in der Lokalpolitik tätig. Da
       verspricht man dem einen die Schnellstraße, dem anderen die Erweiterung
       seines Baugrunds – und schon sausen die SUVs am Fenster vom Kinderzimmer
       vorbei … alles nur wegen dieser Versprechungen!“
       
       Das sei auf höheren politischen Ebenen nicht anders, nur größer. Ständig
       würden Erwartungen geschürt, die die Politik nur enttäuschen könne. „Aber
       man kann ja nur enttäuscht sein, wenn man vorher getäuscht wird“, gibt sich
       der Niederösterreicher sprachphilosophisch: „Wenn aber alle voneinander
       wissen, dass niemand etwas halten wird, dann gibt es keine Enttäuschung!“
       
       So betrachtet, wäre Manfred Wapplingers politische „Verunsicherungspolice“
       auch eine Maßnahme gegen die herrschende Politikverdrossenheit. Aber nur,
       wenn wir uns alle daran halten.
       
       31 Mar 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Severin Groebner
       
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