# taz.de -- NS-Gedenkort Papestraße in Berlin: An den Schrecken erinnern
       
       > Auf einem ehemaligen Kasernengelände befand sich ein SA-Foltergefängnis.
       > Seit zehn Jahren gibt es dort eine Gedenkstätte.
       
 (IMG) Bild: Größtenteils im ursprünglichen Zustand erhalten: die Folterkeller in der Papestraße
       
       BERLIN taz | Am ehemaligen Kasernengelände am Werner-Voß-Damm in Tempelhof
       weist ein unauffälliges Schild auf eine Gedenkstätte im Keller des Hauses
       54a hin. Hier befand sich von März bis Dezember 1933 das SA-Gefängnis
       Papestraße.
       
       Der Weg hinein führt hinunter in einen Keller: „Acht Bunker liegen zu
       beiden Seiten des 60 Meter langen Kellergangs. (…) Acht Bunker, mit einigen
       Hundert Verhafteten“, beschrieb der Schriftsteller Jan Petersen später den
       Ort. Seitdem hat sich erstaunlich wenig verändert. „‚General Papestraße‘
       oder ‚Columbiahaus‘ wurden Begriffe, an die man im heutigen Groß-Berlin nur
       mit Schaudern denkt (…). Eine unbedachte Äußerung darüber ist (…)
       ausreichender Anlaß, um als neues Opfer in einer dieser berüchtigten
       Folterstätten zu landen“, warnte der Autor Roman Praschker bereits 1934 aus
       dem tschechischen Exil.
       
       „Das Gebäude ist heute der einzige historische Ort des frühen NS-Terrors in
       Berlin, in dem sich noch Spuren aus dem Jahr 1933 nachweisen lassen“, heißt
       es im Flyer der vor zehn Jahren eröffneten Gedenkstätte. „Die damals als
       Haftzellen genutzten Räume sind größtenteils in ihrem ursprünglichen
       Zustand erhalten. An den Wänden befinden sich Zeichnungen, Datumsangaben
       und einzelne Wörter aus jener Zeit.“
       
       Nach der Machtübernahme der Nazis wurde im Februar 1933 in Berlin die
       SA-Feldpolizei aus 180 SA-Männern rekrutiert. Hauptquartier wurde das
       Kasernengebäude in der Papestraße. Nach dem Reichstagsbrand Ende Februar
       1933 erließ die Regierungskoalition unter Hitler die
       Reichstagsbrandverordnung, die mit einem Schlag alle persönlichen
       Freiheiten außer Kraft setzte.
       
       ## Eine von 220 Folterstätten
       
       „Damit hat die Feldpolizei das Recht, Menschen ohne vorigen Haftbefehl,
       ohne formale Begründung von der Straße, von zu Hause, von der Arbeit weg zu
       verhaften und auf unbestimmte Zeit festzuhalten“, erklärt Philipp Holt. Er
       ist Ausstellungskurator und stellvertretender Museumsleiter. „Ziel der
       Maßnahme ist vor allem die Ausschaltung der politischen Opposition, also
       KPD, SPD, Gewerkschafter und Journalisten, aber auch viele Menschen
       jüdischer Herkunft.“ In allen Berliner Bezirken richteten die Nazis Folter-
       und Haftstätten ein, über 220 waren es insgesamt.
       
       Spätestens Mitte März 1933 wurde auch das Gebäude in der Papestraße zum
       Gefängnis. „Die Zustände waren katastrophal“, so Holt. „Es war ein
       improvisiertes Gefängnis, Ernährung und die hygienische Situation waren
       eine Katastrophe, aber es war auch ein Ort der gezielten Folter. So gut wie
       jeder Bericht von ehemaligen Häftlingen zeigt, dass hier mit äußerster
       Brutalität vorgegangen wurde.“
       
       Zu den Gefangenen gehörten Leo Krell, Hertha Block und Erich Simenauer. Leo
       Krell war Volontär bei einer kommunistischen Zeitung und wurde als einer
       der ersten Häftlinge am 17. März in die General-Pape-Straße gebracht. Dort
       wurde er von den SA-Männern so schwer gefoltert, dass er in das
       Staatskrankenhaus der Polizei gebracht wurde, wo er am 21. März starb.
       
       Die Bibliothekarin Hertha Block wurde mit zwei kommunistischen
       Schriftstellern am 28. Juni festgenommen. Sie musste eine Scheinhinrichtung
       eines ihrer Freunde mit ansehen. Jahre später wurde sie erneut verhaftet
       und verurteilt. Bis zum Ende der Nazizeit durfte sie nicht mehr im
       öffentlichen Dienst arbeiten.
       
       ## Mindestens 30 starben an der Folter
       
       Der jüdische Chirurg Prof. Dr. Erich Simenauer wurde am 1. April, dem Tag
       des Boykotts jüdischer Ärzte, Geschäfte und Rechtsanwälte, festgenommen und
       für vier Wochen in der Papestraße inhaftiert. Doch einer der SA-Männer war
       ein ehemaliger Patient Simenauers und veranlasste, diesen nicht zu foltern.
       „Rechts und links von mir wurden einige Leute mit Knüppeln so lange
       geschlagen, bis sie tot waren“, notierte Simenauer später.
       
       Mindestens 30 Menschen überlebten die Folter nicht. Die meisten der
       inhaftierten Männer und Frauen, von denen nur rund 500 namentlich bekannt
       sind, gaben danach ihre politische Tätigkeit auf oder flüchteten ins
       Ausland. Im Dezember 1933 zog das SA-Gefängnis in die Alexanderkaserne in
       Mitte um. Doch damit „endet die Geschichte nicht“, so Holt; „es war eher
       nur der Vorbote für das, was danach kommt“.
       
       Nach dem Krieg kamen die Täter fast alle straffrei davon, die Papestraße
       verschwand aus der Erinnerung. Erst ab Ende der 1970er Jahre begannen
       Initiativen, die Geschichte des SA-Gefängnisses zu recherchieren. „Niemand
       wusste so richtig, wo genau das war“, sagt Dr. Kurt Schilde, ein
       Mitbegründer der Geschichtswerkstatt Papestraße, die den Gedenkort erst
       möglich gemacht hat. „Der NS-Terror ist unbegreiflich – aber dies ist einer
       der authentischsten Orte, wo man noch sehen kann, wie es früher war.“
       
       7 Apr 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Darius Ossami
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Nationalsozialismus
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