# taz.de -- Von der Leyen in der Türkei: Die EU kapituliert vor Erdoğan
       
       > Die EU-Kommissionspräsidentin hat mit ihrem Besuch in der Türkei ein
       > Signal gesetzt: Die EU interessiert sich für Macht, nicht für
       > Menschenrechte.
       
 (IMG) Bild: Ursula von der Leyen und Charles Michel waren am Dienstag zu Besuch bei Erdoğan
       
       Die EU interessiert sich nicht mehr für Menschenrechte, Demokratie und
       Rechtsstaat in der Türkei. Anders ist es nicht zu erklären, dass [1][Ursula
       von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel] am Dienstag
       höchstpersönlich den türkischen Autokraten Erdoğan mit einem Besuch in
       Ankara adelten.
       
       Denn es ist eine Sache, den Kontakt zur Türkei auf den normalen
       diplomatischen Kanälen offen zu halten, aber eine ganz andere, einen
       EU-Türkei-Gipfel in Ankara zu veranstalten. Dabei gibt es bislang nichts,
       was auf höchster Ebene besiegelt werden könnte. Erdoğan hat keine andere
       Vorleistung erbracht, als Gespräche mit Griechenland über die Gasvorkommen
       im östlichen Mittelmeer auf untergeordneter Ebene wieder aufnehmen zu
       lassen. Ob etwas dabei herauskommt, ist völlig offen.
       
       Während US-Präsident Joe Biden sich seit seiner Amtseinführung im Januar
       standhaft weigert, wegen der schlechten Lage in der Türkei mit Recep Tayyip
       Erdoğan auch nur zu telefonieren, reisen von der Leyen und Michel nach
       Ankara, als ob es etwas zu feiern gäbe. Dabei ist die Situation in der
       Türkei so schlecht wie lange nicht.
       
       Erdoğan kündigt von einen Tag auf den anderen [2][die völkerrechtlich
       verbindliche Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen], obgleich täglich
       Frauen überall im Land ermordet werden. Er will die [3][kurdisch-linke
       Oppositionspartei HDP verbieten lassen] und hat gerade eine neue Kampagne
       gegen die größte Oppositionspartei, die CHP, eingeleitet, der er einfach
       vorwirft, einen neuen Putsch vorzubereiten.
       
       In einer solchen Situation Erdoğan mal eben in Ankara zu besuchen, ist mehr
       als instinktlos. Menschenrechtsaktivisten und oppositionelle Politiker
       sitzen seit Jahren im Gefängnis – obwohl der Europäische Gerichtshof für
       Menschenrechte ihre Freilassung gefordert hat.
       
       Für die EU ist das offenbar kein Problem. Solange Erdoğan kein EU-Mitglied
       militärisch angreift und die syrischen Flüchtlinge davon abhält, in die EU
       weiterzureisen, ist die EU bereit, über alles andere hinwegzusehen. Das ist
       nichts anderes als eine Kapitulation vor einem Autokraten.
       
       6 Apr 2021
       
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