# taz.de -- Bundesweite Corona-Notbremse: Eher Tempomat als Bremse
       
       > Die bundesweit geplanten neuen Corona-Regeln bedeuten nur für einige
       > Bundesländer eine Verschärfung. Die Zahl der Intensivpatient*innen
       > wächst.
       
 (IMG) Bild: Das waren noch Zeiten: Die Öffnung der Kneipen ist aktuell überhaupt kein Thema
       
       Gut drei Wochen ist es her, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Anne
       Will verkündet hat, sie werde sich die steigenden Zahlen nicht noch zwei
       weitere Wochen tatenlos ansehen. Tatenlos ist Merkel zwar nicht geblieben,
       sondern sie hat die Änderung des Infektionsschutzgesetzes auf den Weg
       gebracht, [1][die für bundesweit einheitliche Mindestregelungen] oberhalb
       bestimmter Inzidenzwerte sorgen soll.
       
       Gleichzeitig steht aber bereits fest: Seit Merkels Ankündigung sind die
       Coronazahlen in Deutschland deutlich gestiegen. Die gemeldeten
       Neuinfektionen liegen im 7-Tage-Mittel mit 20.312 Fällen pro Tag aktuell 26
       Prozent höher als beim Interview der Kanzlerin, der 7-Tage-Mittelwert der
       Coronatoten ist um 30 Prozent auf 223 Tote pro Tag gestiegen. Und die Zahl
       der Coronapatient*innen auf Intensivstationen – die besonders
       zuverlässig ist, weil es dort kaum feiertagsbedingte Meldeverzögerungen
       gibt – ist seit Merkels Ankündigung vor gut drei Wochen sogar um 43 Prozent
       gestiegen.
       
       Der [2][Anstieg bei Neuinfektionen] und Intensivpatient*innen hat
       sich damit im Vergleich zur Zeit vor den Osterferien zwar deutlich
       verlangsamt, doch die Zahlen steigen auf hohem Niveau weiter an. Und ob
       sich das ändert, wenn die neue Bundes-Notbremse in der nächsten Woche in
       Kraft treten sollte, ist offen.
       
       Denn auf dem Papier gehen die bundesweiten Vorgaben nur an einigen Stellen
       über das hinaus, was eigentlich auch bisher schon gelten sollte. Neu ist
       vor allem die verbindliche Ausgangssperre, die jetzt wohl zwischen 22 und 5
       Uhr und mit mehr Ausnahmen als zunächst geplant kommen soll. Vorgesehen ist
       sie in allen Gebieten mit einer Inzidenz von über 100 Neuinfektionen pro
       100.000 Einwohner*innen innerhalb einer Woche. Das betrifft derzeit 361
       der 412 Landkreise und kreisfreien Städte.
       
       ## Keine Notbremse, sondern ein Tempomat
       
       Auch beim Einzelhandel mit Ausnahme von Lebensmittelgeschäften und
       Drogerien hatten Bund und Länder eigentlich längst vereinbart, dass dieser
       bei einer Inzidenz von mehr als 100 schließen soll. Viele Bundesländer
       hatten aber erlaubt, dass Geschäfte weiterhin Kund*innen bedienen dürfen,
       die eine Termin ausmachen und einen tagesaktuellen negativen
       Corona-Schnelltest vorlegen. Das soll nach den Plänen von Union und SPD
       auch weiterhin möglich sein, aber maximal bis zu einer Inzidenz von 150.
       
       Auch in den Schulen hängt es stark vom Bundesland ab, ob die bundesweiten
       Vorgaben eine Verschärfung bedeuten oder nicht. Länder wie Niedersachsen
       und Bayern setzen schon jetzt in der Regel auf Distanzunterricht, sobald
       die Inzidenz die Marke von 100 überschreitet. Mecklenburg-Vorpommern
       kündigte am Montag bei einer Inzidenz von 150 eine weitgehende Schließung
       der Schulen an. In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg findet bis zu
       einer Inzidenz von 200 dagegen Wechselunterricht statt, in Sachsen und
       Thüringen gibt es auch bei Inzidenzen von weit über 200 noch
       Präsenzunterricht.
       
       Das wäre in Zukunft nicht mehr möglich, wenn hier die Obergrenze von 165
       kommt, die derzeit im Raum steht. Allerdings ist auch dieser Wert nach
       Ansicht des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach noch viel zu hoch.
       Zudem sei die Gesamtinzidenz in der Bevölkerung für die Schulen der falsche
       Maßstab. „Wenn mehr Ältere geimpft sind, steigt die Inzidenz bei Eltern und
       Kindern stetig an“, warnte er. „Sie tragen das höchste Risiko.“
       
       Ein großes Problem dürfte zudem sein, dass die vorgeschriebenen
       Schließungen sofort zurückgenommen werden dürfen, sofern die Inzidenz für
       fünf Tage unter den jeweiligen Grenzwert sinkt – was einen schnellen
       Wiederanstieg der Infektionszahl zur Folge haben dürfte. Denn eine solche
       Regelung, die unterhalb einer bestimmten Geschwindigkeit wieder
       beschleunigt, nennt man zumindest im Verkehr nicht Notbremse, sondern
       Tempomat.
       
       19 Apr 2021
       
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