# taz.de -- Bremer Symposium zum Film: Die verrückte Kunstform
       
       > Das Bremer Symposium zum Film findet ab dem 5. Mai online statt. Vorträge
       > und Streamings widmen sich dem Thema „Psychische Erkrankung und Film“.
       
 (IMG) Bild: Eine Familie in einer Krise: Mit „Tarnation“ bearbeitet Jonathan Caouette Traumata seiner Kindheit
       
       BREMEN taz | Der Leiter einer psychiatrischen Anstalt ist selbst ein
       mordender Psychotiker. Ein Autist ist vernünftiger als sein auf die
       Karriere fixierter Bruder. Ein Mann hat sein Gedächtnis verloren und macht
       ständig Polaroid-Fotos, die ihm als Erinnerungsstützen dienen sollen. „Das
       Cabinet des Dr. Caligari“ (1920), „Rainman“ (1988) und „Memento“ (2000):
       drei Beispiele dafür, wie Filmemacher*innen von psychischen
       Erkrankungen erzählen – und wie gern sie das immer wieder tun.
       
       Der Paarung „Psychische Erkrankung und Film“ haben nicht ohne Grund auch
       die Organisator*innen des „Internationalen Bremer Symposiums zum
       Film“ dessen anstehende 25. Ausgabe gewidmet: Die seelische Erkrankung sei
       eine „Gefährtin des Kinos“, teilen sie mit; sie habe „das Kino seit dessen
       Entstehung begleitet, mit Themen bespielt, es geprägt und zur
       Weiterentwicklung von Ausdrucksmöglichkeiten und Theorien beigetragen“.
       
       So versteht es der Film, aus der Perspektive Erkrankter zu erzählen, ihre
       Phantasmagorien auf die Leinwand zu bringen. Er kann sich auch mit
       dokumentarischen Mitteln den als so andersartig empfundenen Innenwelten
       nähern.
       
       Mit welchen Mitteln Filmemacher*innen dies gelingt und wie die Bilder,
       die sie gestalten, die Vorstellungen von psychischen Krankheiten verändert
       haben: Das ist in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem wichtigen
       Forschungsfeld der Filmwissenschaften geworden, und so wurden diese Fragen
       zum Thema des 25. Symposiums, das [1][die dortige Universität] und das
       [2][Kommunalkino City 46] zusammen ausrichten.
       
       Eigentlich hätte das Symposium im Mai 2020 stattfinden sollen, musste wegen
       der Coronakrise aber ausfallen. In der Zwischenzeit hat sich inhaltlich
       kaum etwas verändert. Nur ein Film, der vor einem Jahr noch nicht fertig
       war, ist dazugekommen: In „Psychosis in Stockholm“ erzählt die Regisseurin
       Maria Bäck aus ihrer eigenen Jugend, die geprägt war von den bipolaren
       Phasen ihrer Mutter. Ein Spielfilm also wie maßgeschneidert für das
       Symposium – und so feiert er dort jetzt online seine Deutschlandpremiere.
       
       Das Bremer Symposium gibt es seit 1995, gegründet damals zum 100.
       Geburtstag des Kinos. Besonders ist daran immer gewesen, dass es in einem
       Kino stattfand und auch interessierte Nichtakademiker*innen die Vorträge,
       Diskussionen und Vorführungen besuchen konnten – so war es nie nur eine
       filmwissenschaftliche Veranstaltung.
       
       Ob sich kulturell interessierte „Laufkundschaft“ auch bei dieser
       Online-Ausgabe einfinden wird? Organisator Tobias Dietrich spricht zwar von
       der größeren Reichweite eines digitalen Symposiums, das nicht an einen
       realen Ort gebunden ist, aber er weiß auch, dass vieles, was immer als
       essenziell galt, wegfallen wird. So etwa die informellen Gespräche der
       Teilnehmer*innen zwischen den Programmpunkten, gemeinsames Essen und
       Trinken.
       
       An den vier Tagen des Symposiums können nun alle, die eine digitale
       Einzelkarte für je 6 Euro erwerben oder eine Dauerkarte für 15, 25 oder 35
       Euro – jede*r soll zahlen, was er*sie kann oder will – die Filme online
       ansehen. Die vorproduzierten Vorträge sind kostenlos zu sehen, für die
       Zoom-Foren an den Vormittagen ist eine – ebenfalls kostenlose – Anmeldung
       nötig.
       
       Der Star unter den Referent*innen ist eindeutig W. J. T. Mitchell, der
       an der Universität Chicago über Kunst, Literatur und Film lehrt und zum
       Thema „Cinemania: Madness and the Moving Image“ sprechen wird. Es geht ihm
       darin um die Möglichkeit des Kinos, von psychischer Erkrankung aus
       verschiedenen Blickwinkeln zu erzählen. Mitchell selbst hat einen
       biografischen Zugang zum Thema: Sein Sohn Gabriel ist Filmemacher und
       selbst psychisch krank; mit seinen Filmen versucht er „Schizophrenie von
       einer Behinderung in eine kritische Perspektive zu verwandeln“.
       
       Michele Aaron, Dozent im englischen Warwick, untersucht in seinem Vortrag
       „Warts and All: Film, Ethics und Human Frailty“, wie vor allem in Hollywood
       eine eigene Grammatik entwickelt wurde, um im Kino von der Gebrechlichkeit
       und dem Sterben zu erzählen. Auf dem Programm stehen ferner drei Vorträge
       Richard Wardens aus Glasgow, der seit fast zehn Jahren Filmprogramme zu
       „Mental Health“ kuratiert. In drei Foren werden schließlich aktuelle
       wissenschaftliche Entwicklungen diskutiert; bei Themen wie „Syndrome & ein
       Jahrhundert. Pathogenealogien des Kinos“ oder „Salutogenese durch Film“
       sind die Wissenschaftler*innen dort wohl ganz unter sich.
       
       3 May 2021
       
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