# taz.de -- Marathonläuferin über Olympia: „Die Straße ist attraktiv geworden“
       
       > Katharina Steinruck läuft so schnell wie nie. Ein Gespräch über die
       > Leistungsexplosion beim Marathon, ihren Olympiatraum – und einen
       > Wunderschuh.
       
 (IMG) Bild: Langer Lauf Richtung Tokio: Katharina Steinruck
       
       taz: Frau Steinruck: Mitten in der Pandemie haben Sie in Enschede Ihre
       persönliche Bestleistung auf eine 2:25:59 Stunden verbessert. Was haben Sie
       danach gedacht? 
       
       Katharina Steinruck: Ich hatte das erst gar nicht richtig realisieren
       können und mir deswegen den Lauf zwei Tage später noch einmal angeschaut:
       Ich musste schmunzeln, dass die Kommentatoren sich vor allem über meine
       Outfit unterhalten haben. Ich hatte [1][nach meinem Frankfurt-Marathon
       2019] schon gesagt, dass ich eine Zeit unter 2:27 Stunden hätte laufen
       können. Zuletzt habe ich auch in Richtung einer „kleinen“ 2:26er-Zeit
       trainiert, dass es dann noch besser lief, ist umso schöner. Ich glaube,
       dass ich noch schneller laufen kann, wenn ich hinten die Geschwindigkeit
       halte.
       
       Ihre Mutter und Trainerin Katrin Dörre-Heinig hat 1988 eine olympische
       Medaille gewonnen. Sie ist bis heute die einzige Deutsche, die im Marathon
       überhaupt eine Medaille gewann. Träumen Sie von einem solchen Erfolg?? 
       
       Diese Bronzemedaille hatte ich schon mehrfach in der Hand (lacht). Sie ist
       ja Dritte, Vierte und Fünfte bei Olympischen Spielen geworden – und als die
       DDR die Spiele 1984 boykottierte, war sie von der Zeit sogar die Zweitbeste
       der Welt. Aber natürlich ist das mit heute nicht vergleichbar. Die
       Konkurrenz mit den afrikanischen, japanischen und amerikanischen
       Läuferinnen ist heute zu groß, die laufen nun mal vorneweg. Da müsste ich
       fünf, sechs Minuten schneller laufen, das traue ich mir nicht zu.
       
       Mit welcher Zielsetzung reisen Sie zu den Olympischen Spielen? 
       
       Ich möchte einen ordentlichen Wettkampf hinlegen, ungefähr diese Zeit
       wiederholen und so weit wie möglich vorne landen. Bei einem
       Meisterschaftsrennen weiß man nie, was passiert, aber ich werde es
       definitiv genießen. Aber weil der Marathon nach Sapporo ausgelagert ist und
       wir nicht im olympischen Dorf sind, wird es sich eher wie ein großes
       internationales Rennen anfühlen. Auf jeden Fall werde ich stolz sein, das
       Nationaltrikot zu tragen.
       
       Es gibt ein Hauen und Stechen um die drei deutschen Marathon-Startplätze.
       Was passiert da gerade im deutschen [2][Marathonlauf]? 
       
       Musste man für 2016 in Rio de Janeiro mit einer Zeit unter 2:42 Stunden
       laufen, werden jetzt 2:29:30 vom Weltverband gefordert – und nun fährt man
       wohl nicht einmal mit einer 2:27 mit. Die Straße ist offenbar für viele
       Läufer*innen aus dem Leistungsbereich attraktiver geworden. Jetzt denken
       viele nicht erst mit Ende 20, Anfang 30 darüber nach, sich im Marathon zu
       versuchen, wenn man auf der Bahn nicht mehr vorwärtskommt. Das ist schon
       ein unheimliches Niveau, das wir in Deutschland haben. Und natürlich kommt
       das Schuhwerk hinzu: Vorher war vorwiegend den Nike-Läufern mit
       Weltrekordhalter [3][Eliud Kipchoge] vorbehalten, diesen Wunderschuh zu
       tragen, jetzt kann ihn fast jeder bekommen.
       
       Was machen diese Schuhe genau? 
       
       Ich trainiere seit Dezember vereinzelt damit. Der Unterschied ist einfach,
       dass der Schuh über die eingearbeitete Carbonplatte die Energie beim Laufen
       zurückgibt – man hat einen Pushback-Effekt. Man sagt, dass der Schuh von
       der Energie, die man eigentlich an den Boden abgibt, bis zu 70 Prozent
       zurückgibt. Damit kann man viel länger eine hohe Geschwindigkeit laufen,
       weil die Ermüdung rausgezögert wird. Dementsprechend ist man schneller.
       Aber durch die härtere Rückfederung reagiert auch die betroffene Muskulatur
       anders. Das muss man über einen längeren Zeitraum lernen. Wenn jemand zu
       einem Marathon das erste Mal diesen Schuh anzieht, kann dies zu Problemen
       führen.
       
       Was macht die Coronakrise mit der Leichtathletik? 
       
       Für mich persönlich? Ich bin ein Wettkampftyp, ich brauche diese
       Vergleiche, um vorwärtszukommen. Mir fehlt dieses Feeling, um eine
       Wettkampfroutine zu entwickeln. Natürlich war es uns im vergangenen Jahr
       wegen der fast komplett ausgefallenen Wettkämpfe möglich, eine besonders
       gute Grundlage zu legen, aber irgendwann will man sich natürlich wieder
       zeigen. Nur: Gerade in Deutschland werden Rennen, Veranstaltungen oder
       Meisterschaften rigoros gestrichen, teils auch sehr kurzfristig. Viele
       unterschätzen, was das mit einem Sportler macht, der sich monatelang auf
       einen Marathon vorbereitet. Das hat auch finanzielle Folgen: Fördergelder
       fallen weg, Start- und Preisgelder sowieso. Statt Einnahmen haben wir
       Ausgaben. Wir finanzieren fast alles selbst. Das können viele Athleten sich
       gar nicht leisten. Die Leichtathletikszene ist sehr verunsichert. Daher
       kann man nur den Hut ziehen, dass sich so viele Läufer*innen weltweit
       nicht unterkriegen lassen.
       
       Stichwort Impfen: Haben Sie schon die Spritze bekommen? 
       
       Nein, noch nicht. Ich hätte schon die Möglichkeit gehabt, aber habe das in
       der Marathon-Vorbereitung verschoben und gehe davon aus, dass ich im Mai
       meinen Termin wahrnehmen kann. Man muss davon ausgehen, dass es den einen
       oder anderen Athleten durch die Impfung bis zu zwei Wochen aushebeln kann.
       Deshalb ist es wichtig, dass man bei den Impfungen für die
       Olympia-Teilnehmer so früh wie möglich anfängt. Ich werde danach aber
       genauso vorsichtig wie jetzt sein und für mich persönlich alle
       Schutzmaßnahmen befolgen.
       
       29 Apr 2021
       
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