# taz.de -- Tödliche Messerattacke in Berlin: „Es gibt keine Genugtuung“
       
       > Im Prozess um den Tod des Jungen Momo fällt an diesem Donnerstag das
       > Urteil. Diana Henniges von Moabit hilft hat die Eltern begleitet.
       
 (IMG) Bild: Gedenken am Tatort, der Unterführung zwischen zwei Parks in Berlin, im November 2020
       
       taz: Frau Henniges, am Donnerstag fällt das Urteil gegen Gökhan Ü., der den
       [1][13-jährigen Mohammed getötet] hat. Sie sind der Familie während des
       Prozesses beigestanden. Wie war das für Sie? 
       
       Diana Henniges: Was ich als Vereinsvorstand von Moabit hilft fühle, ist
       erst einmal zweitrangig. Für die Eltern war der Prozess sehr schwer. Für
       sie ist klar, dass, egal wie streng das Urteil ausfällt, es keine
       Genugtuung für den Tod ihres Sohnes sein wird. Ihnen hat der Prozess
       gezeigt, wie hilflos sie sind.
       
       Inwiefern? 
       
       Es gab einige Kommunikationsschwierigkeiten, weil die Eltern nur arabisch
       sprechen und es für sie schwer nachzuvollziehen war, wie das deutsche
       Rechtssystem funktioniert.
       
       Dafür sollte es doch Übersetzer*innen geben. 
       
       Am Anfang der Verhandlungen war kein Übersetzer vorgesehen und auch nicht
       zugelassen, weshalb die Eltern den ersten Verhandlungstag praktisch
       komplett verpasst haben. Durch den Verein haben wir dafür gesorgt, dass
       Mutter und Vater jeweils ein Anwalt für die Nebenklage zur Seite steht.
       Erst als diese Anwälte auf einen Übersetzer bestanden haben, wurde einer
       genehmigt.
       
       Sie selbst waren bisher bei allen Verhandlungstagen dabei. Wie unterstützen
       Sie die Familie im Gericht? 
       
       Ich habe die Eltern aufgefangen, wenn sie zusammengebrochen sind oder
       Notizen gemacht, bis ein Übersetzer organisiert war. Außerdem haben wir vom
       Verein aus Mahnwachen organisiert und den Kontakt zu Zeugen aufrecht
       gehalten, damit sie sich mit den Eltern austauschen können.
       
       Kennen Sie die Familie schon lange? 
       
       Momo und seine Mutter sind 2013 aus Syrien nach Berlin geflohen. Wir von
       Moabit hilft haben die Familie bei dem Asylverfahren unterstützt, so wie
       wir alle geflüchteten Menschen, die zu uns kommen, alltagspraktisch
       begleiten. Deshalb unterstützen wir Momos Familie finanziell bei dem
       Prozess und der Bestattung. Ohne die Spendengelder, durch die wir uns
       finanzieren, hätte Momo nicht einmal eine angemessene Bestattung bekommen.
       Die Eltern haben selbst nur wenig Geld. Wenn der Täter verurteilt wird,
       muss er für die Kosten aufkommen.
       
       Wie haben Sie den Täter vor Gericht wahrgenommen? 
       
       Er hat keine Reue gezeigt und keine Tränen geweint. Wobei Tränen auch
       nichts an der Situation geändert hätten.
       
       Dennoch hat er sich gegenüber der Familie entschuldigt. 
       
       Am ersten Verhandlungstag hat er gesagt, dass er sich nicht entschuldigt,
       weil die Eltern das nicht annehmen würden. Im Laufe der Verhandlungen hat
       er sich dann doch entschuldigt und einen Brief vorgelesen.
       
       Wie haben die Eltern darauf reagiert? 
       
       Auf mich haben seine Worte nicht authentisch gewirkt, weil er sie abgelesen
       hat und sie nicht zu seiner eigentlichen Ausdrucksweise gepasst haben. Auch
       die Eltern haben kein Verständnis für die Tat. Sie sehen in dem Täter
       jemanden, der sich gegenüber einem Kind nicht unter Kontrolle hat.
       
       Es stand auch ein rassistisches Motiv im Raum. Wie hat sich das während der
       Verhandlungen entwickelt? 
       
       Seine rassistischen Äußerungen, dass ‚der kleine arabische Hurensohn aus
       seinen Fehlern lernen solle‘, hat er laut der Zeugenaussage seiner
       Begleitung an jenem Abend, als er Momo getötet hat und dem Protokoll des
       Landeskriminalamtes mehrfach wiederholt.
       
       Wie belastet das Momos Eltern? 
       
       Für die Familie sind diese Worte ein Schlag ins Gesicht. Insbesondere durch
       den kulturellen Kontext. Sie sind entsetzt, dass jemand, der selbst
       türkischer Abstammung ist und Rassismus erfahren hat, sich so herablassend
       über ihr Kind äußert. Das rassistische Motiv wird vor Gericht aber
       vermutlich nicht durchgehen.
       
       Egal wie es ausgeht, der Schmerz der Eltern bleibt. 
       
       Momos Eltern haben in Deutschland Schutz gesucht, damit ihre Kinder in
       Sicherheit sind und nun ist Eines tot. Die Mutter hat mir gesagt, dass sie
       lieber wieder im Krieg wäre und ihr hungerndes Kind schreien hören würde,
       als es tot zu wissen.
       
       20 May 2021
       
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