# taz.de -- Festivalzensur in Belarus: Kultur unter Kontrolle
       
       > Film- und Theaterfestivals werden zerstört, absurde Festnahmen gehen in
       > Belarus weiter. Olga Deksnis erzählt vom Leben in Minsk in stürmischen
       > Zeiten. Folge 104.
       
 (IMG) Bild: Als kreativer Protest noch möglich war: Minsker*innen stricken im September 2020
       
       In Minsk wurde ohne Angabe von Gründen das Zentrum „Art Corporation“
       geschlossen, das die Festivals „TEATR“ und „Listopad“ (November)
       veranstaltet sowie Theateraufführungen und Filme produziert hat. Das
       Zentrum organisierte Ausstellungen und beschäftigte sich mit dem Vertrieb
       von Film- und Theatershows aus aller Welt.
       
       Mit den Jahren sind diese Festivals zu einem kulturellen Markenzeichen von
       Belarus geworden. Auch nach der Schließung setzt das Zentrum seine Arbeit
       fort, nun allerdings unter Kontrolle und Zensur. Die Staatsmacht wird
       darüber entscheiden, welche Filme und Aufführungen wir künftig sehen und ob
       das nicht vielleicht doch der Ideologie widerspricht.
       
       Das Filmfestival „Listopad“ findet seit 1994 statt. Es ist eine Plattform
       für moderne Filmemacher*innen und professionellen Erfahrungsaustausch.
       Der Wettbewerb ebnet jungen Filmemacher*innen aus über 50 Ländern den
       Weg.
       
       „Was soll ich sagen, die 1990er waren uns nie so nah wie 2021“, sagt der
       Journalist und Filmkritiker Taras Tarnalitzki. „Es ist schlimm, aber wir
       müssen zusehen, wie unsere lokale Kultur zerstört wird, in der Hoffnung,
       dass sie irgendwann einmal wiederbelebt wird.“
       
       [1][„Alles, was jetzt stattfindet, ist eine Säuberung, die totale
       Zerstörung alles Lebendigen“], kommentiert die russische Theaterkritikerin
       Alla Schenderowa die Situation gegenüber der Zeitschrift TEATR.
       „Diejenigen, die das tun, fügen ihrem Land und den Menschen, die dort
       leben, einen irreparablen Schaden zu. „Es tut mir unfassbar weh – für sie
       und für uns. Denn es ist doch absolut klar, dass wir (Russland) uns mit
       Siebenmeilenstiefeln in die gleiche Richtung bewegen. ‚TEATR‘ ist das
       einzige Festival, das Produktionen weltberühmter Regisseur*innen
       gezeigt hat, wirklich aktuelle Aufführungen, die jedes Mal sowohl für die
       Zuschauer*innen, als auch für die Fachwelt zu einen Ereignis geworden
       sind.“
       
       „In seinen zehn Spielzeiten hat ‚TEATR‘ mehr für die Entwicklung des
       belarussischen Nationaltheaters getan als alle inländischen Abteilungen und
       Regierungsauszeichnungen“, fasst die Journalistin Anastasia Pankratowa
       zusammen. „Die Schließung des Zentrums ist ein Rückschlag für die gesamte
       belarussische Kultur. So schließt sich das Fenster zu den weltweiten
       kulturellen Errungenschaften. Damit geht den professionellen
       Kulturschaffenden ein Fixpunkt verloren.“
       
       Die Behörden versuchen weiter alle Bereiche unter Kontrolle zu bekommen, wo
       noch freie Meinungsäußerung möglich sein könnte: [2][gesellschaftliche
       Organisationen, Filmfestivals, Umweltschutzzentren und anderes].
       
       Zudem gehen im Land die absurden Festnahmen und die Verhängung von Strafen
       weiter. Unlängst wandte sich eine Belarussin mit der Bitte um Hilfe an die
       Polizei, da sie eine Erklärung wegen eines Konfliktes in der Familie
       schriftlich abgeben wollte. Gegen sie wurde eine Strafe von ungerechnet 800
       Euro verhängt – wegen ihrer Frisur. [3][Sie hatte weiße und rote Zöpfe in
       ihre Haare geflochten] (weiß und rot sind die Farben der belarussischen
       Opposition, Anm. d. Red.). Sie wurde vorübergehend in einen Käfig gesperrt
       und ihre Frisur zerstört. Am gleichen Abend wurde die junge Mutter per
       Skype wegen einer Ein-Personen-Demonstration verurteilt. Sie ist derzeit in
       Elternzeit, die Strafe kann sie nur in Raten abbezahlen.
       
       Die Repressionen in dem Land gehen weiter.
       
       Aus dem Russischen [4][von Barbara Oertel]
       
       6 Oct 2021
       
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