# taz.de -- Neues Klimaschutzgesetz im Kabinett: Groko plant für die Zwanziger
       
       > Das neue Klimaschutzgesetz will mehr und schneller CO2 reduzieren.
       > Experten warnen: Das reicht nicht für das 1,5-Grad-Ziel.
       
 (IMG) Bild: Für Experten kommt der Kohleausstieg 2038 zu spät – hier das Kraftwerk Boxberg in der Lausitz
       
       BERLIN taz | Die Bundesregierung bringt mit einem runderneuerten
       Klimaschutzgesetz Deutschland auf einen Weg zu ernsthaftem Klimaschutz. Im
       Gesetz, das am Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen werden soll und
       [1][am Dienstag im Entwurf veröffentlicht wurde], werden die bisher
       geltenden Ziele deutlich verschärft: Klimaneutral soll das Land nun schon
       bis 2045 sein statt wie bisher bis 2050. Gegenüber 1990 sollen die
       Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent sinken, nicht nur um 55
       Prozent wie bislang geplant, neu ist ein Zwischenziel von minus 88 Prozent
       für das Jahr 2040. Und erstmals gibt es nun auch jährliche CO2-Obergrenzen
       für die Jahre von 2031 bis 2045.
       
       [2][Das neue Gesetz soll die Forderungen des Bundesverfassungsgerichts
       umsetzen], das Ende April das Klimaschutzgesetz in Teilen für
       verfassungswidrig erklärt hatte. Das Gericht hatte vor allem moniert, dass
       ein Reduktionspfad nach 2030 fehle und daher die kommenden Generationen zu
       sehr belastet würden. Diesen Pfad liefert das neue Gesetz nun: Es listet
       für jedes Jahr von 2031 bis 2045 eine Emissions-Obergrenze auf.
       
       Die bisher schon gültigen „Sektorenziele“ bis 2030 etwa für Verkehr,
       Industrie und Energiewirtschaft werden nun gegenüber dem alten Gesetz
       deutlich verschärft, vor allem für den Energie- und Industriebereich. Ein
       bisschen mehr Luft als noch im ersten Entwurf des neuen Klimaschutzgesetzes
       bekommen nun der Verkehr und die Landwirtschaft. Wichtig auch: Die
       CO2-Speicherfähigkeit von Wald und Boden soll stark ausgebaut werden, aber
       nicht zu den jährlichen Minderungszielen hinzugerechnet werden, um
       Tricksereien zu verhindern.
       
       ## Noch keine Einigung über konkrete Maßnahmen
       
       Ein „faires Angebot an künftige Generationen“ nannte SPD-Umweltministerin
       Svenja Schulze ihr nachgebessertes Gesetz. Beim Klimaschutz müsse man in
       den nächsten 25 Jahren das Tempo verdoppeln. „Den größten Fortschritt
       planen wir für die 20er Jahre, sodass die junge Generation in den 30er und
       40er Jahren nicht überfordert wird.“ Über die Maßnahmen, die zu den
       drastischen Reduktionen führen sollen, gibt es in der Regierung noch keine
       Einigung – auch nicht darüber, ob man diese noch vor der Bundestagswahl
       beschließen sollte.
       
       Dieses Fehlen konkreter Maßnahmen stieß bei Grünen, Linken und
       Umweltverbänden auf Kritik. „Nur dadurch, dass man die Ziele verbessert,
       ist noch kein Gramm CO2 eingespart“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton
       Hofreiter auf RTL. Der klimapolitische Sprecher der Linksfraktion, Lorenz
       Gösta Beutin, bezeichnete das Gesetz als „wahlkampfgetriebenes Stückwerk“.
       
       Die Klimabewegung Fridays for Future hatte die geplante Klimaneutralität im
       Jahr 2045 als „zu spät“ bezeichet und Nullemissionen schon 2035 gefordert.
       In der [3][Studie, auf die sich diese Forderung stützt,] geht es allerdings
       nur um CO2, während die Regierung sämtliche Klimagase einschließt.
       
       ## Der Kohleausstieg bis 2038 komme zu spät
       
       Auch von Verbänden kam Kritik. Christoph Bautz vom Netzwerk Campact, das am
       Dienstag mit anderen Organisationen eine neue Klimakampagne vorstellte,
       sagte, es fehlten „konkrete Maßnahmen wie ein höherer CO2-Preis und ein
       schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien“. Viviane Raddatz vom WWF
       erklärte, das 65-Prozent-Ziel für 2030 sei nicht ausreichend; nötig seien
       70 Prozent.
       
       Das sehen Klimaexperten ähnlich: So ehrgeizig die neuen Ziele der
       Bundesregierung auch sind – sie reichen nicht aus, um Deutschland auf einen
       Pfad zu bringen, der den Klimawandel auf 1,5 Grad bis 2100 begrenzt, sagt
       Niklas Höhne vom NewClimate-Institute – und folgert daraus: „Deutschlands
       vorgeschlagenes Ziel für 2030 ist nicht mit dem Pariser Klimaschutzabkommen
       kompatibel.“
       
       Höhne betreut mit seinem Institut und dem Thinktank Carbon Analytics den
       [4][„Climate Action Tracker“], ein Analysewerkzeug für die Auswirkungen von
       Klimaschutzmaßnahmen. Nötig sei der Modellierung zufolge, dass Deutschland
       den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 69 Prozent reduzieren müsse, um
       die Anforderungen des Pariser Abkommens zu erfüllen. Dafür müssten viele
       Maßnahmen vorgezogen werden. [5][Der Kohleausstieg bis 2038 komme zu spät,
       das Datum müsse bei 2030 liegen].
       
       Davon geht auch Rainer Baake aus, ehemaliger Staatssekretär im Umwelt- und
       Wirtschaftsministerium und jetzt Leiter der Stiftung Klimaneutralität. „Die
       neuen Klimaziele zu erreichen wird nicht gelingen, ohne die
       Kohleverstromung bis 2030 zu beenden“, sagte er am Dienstag. Dazu müsse
       aber nicht das Kohleausstiegsgesetz geändert werden, was neue
       Entschädigungszahlungen zur Folge hätte, so Baake.
       
       Stattdessen solle der Ausstieg durch den europäischen CO2-Zertifikatehandel
       erreicht werden. Dieser solle auf nationaler Ebene durch einen Mindestpreis
       für CO2-Zertifikate im Stromsektor abgesichert werden, der bis 2030 auf 65
       Euro je Tonne steigen müsse, fordert die Stiftung Klimaneutralität in einer
       neuen Studie. Dann werde Kohle automatisch aus dem Markt gedrängt.
       
       11 May 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Glaeserne_Gesetze/19._Lp/ksg_aendg_refe/Entwurf/ksg_aendg_refe_bf.pdf
 (DIR) [2] /Nach-Karlsruher-Urteil-zum-Klimaschutzgesetz/!5765774
 (DIR) [3] https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/5169
 (DIR) [4] https://climateactiontracker.org/
 (DIR) [5] /Deutsche-Klimapolitik/!5765694
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Pariser Abkommen
 (DIR) Schwerpunkt Fridays For Future
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Bundesverfassungsgericht
 (DIR) Svenja Schulze
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) EU-Recht
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Fußball-Bundesliga
 (DIR) Heizkosten
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Fridays For Future
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Umweltministerin auf Abschiedstour: Die Macht der Machtlosen
       
       Svenja Schulze ist als Umweltministerin enorm erfolgreich gewesen. Doch die
       Hochwasserkatastrophe zeigt, wie wenig ihr Amt ausrichten kann.
       
 (DIR) Union und SPD im Bundestag: Neue Pläne für Klima und Energie
       
       Mehr Tempo bei der Energiewende, um die neuen Klimaziele auch zu erreichen?
       Darauf konnten sich die Regierungsfraktionen nicht wirklich einigen.
       
 (DIR) EU-Verfahren gegen Deutschland: Rote Karte für Rote Roben
       
       Die EU-Kommission ist mit einem früheren Urteil der Karlsruher Richter
       unzufrieden. Doch es ist unklar, wie das überhaupt geändert werden soll.
       
 (DIR) Urteil gegen Shell: Ein bahnbrechendes Urteil
       
       Ein niederländisches Gericht hat den Ölkonzern Shell zu mehr Klimaschutz
       verpflichtet. Die Botschaft: Fossile Investments lohnen sich nicht mehr.
       
 (DIR) Fast-Absteiger Hertha BSC: Große Klappe, nüscht dahinter
       
       Wir sind so verdammt bescheiden. Wir freuen uns, wenn Hertha BSC nicht
       absteigt. Und wenn wir den Klimaschutz planen, der seit 1995 versprochen
       wird.
       
 (DIR) Kabinett beschließt Klimaschutzgesetz: CO2-Abgabe nicht nur für Mieter
       
       Die Bundesregierung plant, dass Mieter- und Vermieter:innen sich die
       Kosten für die CO2-Abgabe teilen sollen.
       
 (DIR) Nach Karlsruher Urteil zum Klimaschutzgesetz: Union legt Umwelt-Turbo ein
       
       Innerhalb einer Woche vollzieht die CDU/CSU eine Kehrtwende in Sachen
       Klimapolitik. Die Konservativen stehen unter Druck.
       
 (DIR) Deutsche Klimapolitik: Zu Hause klotzen, weltweit kleckern
       
       Das neue Klimagesetz bringt praktisch den Kohleausstieg bis 2030. Aber mehr
       Geld für arme Länder verspricht Kanzlerin Merkel nicht.
       
 (DIR) FFF, Verdi und Bündnis Unteilbar: Für sozialen Klimaschutz
       
       Klimaaktivist:innen und Gewerkschafter:innen planen vor der
       Bundestagswahl gemeinsame Aktionen. Dabei sind sie sich nicht überall
       einig.