# taz.de -- Kamala Harris und Migration: Diversity allein reicht nicht
       
       > Alle feiern den Diversity Day. Aber das Beispiel Kamala Harris zeigt: Es
       > bringt nichts, Viefalt zu bejubeln, wenn damit Unterdrückung kaschiert
       > wird.
       
 (IMG) Bild: Steht sie wirklich für die Vielfalt, die auf sie projiziert wird? US-Vizepräsidentin Kamala Harris
       
       Manchmal fühle ich mich wie Oscar aus der Sesamstraße. Oscar wohnt in einer
       Mülltonne, ich in Deutschland. Oscar hat einen markanten durchgehenden
       Augenbrauen-Strich und ich… naja… selbst auf dem pixeligen Bild von mir
       neben dieser Kolumne können Sie sich von unserer family resemblance
       überzeugen. Aber was Oscar und mich am meisten verbindet, sind die grumpy,
       schlecht gelaunten Kommentare, wenn alle einfach ein bisschen happy sein
       wollen.
       
       Neulich war „Diversity-Day“. Die UNESCO feiert jährlich am 21. Mai die
       Vielfalt der Welt und mittlerweile feiern alle mit. So wurde auch ich
       dieses Jahr mehrfach gefragt, doch bitte einen
       Friede-Freude-Eierkuchen-Kommentar abzugeben. Ist es nicht nice, wenn in
       Politik, in Medien, in Hochschulen, Wirtschaft oder der Kultur endlich mehr
       Diversität herrscht?
       
       Alle so: Regenbogen!!! Einhörner!!! Liebe!!! Ich so: Nein.
       
       Ein gutes Beispiel, warum es beim Thema Vielfalt angemessen ist, grumpy zu
       sein, liefert ausgerechnet [1][die erste Schwarze Vizepräsidentin der USA].
       Sie wurde weltweit als Hoffnungsfigur gefeiert, und natürlich ist es ein
       inspirierendes Symbol, wenn in einer Gesellschaft, die Schwarze Menschen
       versklavt hat und bis heute unterdrückt und von der Polizei töten lässt,
       endlich eine Schwarze Frau mitentscheiden kann.
       
       ## Klare Ansage an Geflüchtete
       
       Es kommt aber darauf an, [2][was mit dieser neuen Macht angestellt wird].
       Harris ist zur Zeit auf diplomatischer Reise in Mittelamerika. Auf einer
       Pressekonferenz mit dem guatemaltekischen Präsidenten Alejandro Giammattei
       richtete sie eine klare Ansage an Geflüchtete aus dem Süden des Kontinents:
       „Kommt nicht!“ Das war die Botschaft einer der wohl mächtigsten Frauen der
       Welt an eine der verletzbarsten Gruppen Amerikas.
       
       Drogenkriege, Kartelle, korrupte Regierungen und direkte US-Interventionen
       haben für so viele Menschen eine Bedrohungslage kreiert, dass sie keinen
       anderen Ausweg [3][als die gefährliche Flucht durch Mexiko gen Norden
       sehen]. Harris könnte auch weise Worte finden, eine regionale Drogenpolitik
       gestalten, die keine Opfer mehr fordert, legale Fluchtwege öffnen,
       Geflüchteten mit Respekt und Menschlichkeit begegnen, einen echten
       Marshall-Plan für Zentralamerika schmieden… doch sie entschied sich für
       drei Wörter und ein Ausrufezeichen: Do not come!
       
       Eins ist klar: Homogen zusammengesetzte Entscheidungsräume treffen
       schlechte Entscheidungen, zumindest nicht solche, die allen Menschen
       zugutekommen. Deswegen ist Repräsentation wichtig. Aber was bringt es
       verletzbaren Gruppen, wenn eine Frau, ein Kind sogenannter
       Gastarbeiter*innen oder eine queere Person Entscheidungen trifft, die
       historisch gewachsene Strukturen der Ausbeutung und Diskriminierung
       verfestigen?
       
       Was bringt es, Vielfalt zu feiern, während die grundsätzlichen Systeme der
       Unterdrückung weiter bestehen und durch genau diese Vielfaltfassade
       kaschiert werden? Diversity alleine ist Müll, würde Oscar sagen.
       
       10 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mohamed Amjahid
       
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