# taz.de -- Österreichs Hygienekonzept: Ich halte die Luft an
       
       > In Österreich kehrt das alte Leben zurück. Während viele ihren Sekt im
       > Café genießen, kann ich erst entspannen, wenn alle, die wollen, geimpft
       > sind.
       
 (IMG) Bild: Auf einen Verlängerten: Gäste sitzen im wiedereröffneten Kaffeehaus „Cafe Sperl“ in Wien
       
       Während sich bei Ihnen (oder sind wir nach fast zwei Jahren schon per Du?)
       [1][in Deutschland die Öffnungsschritte nach Bundesland unterscheiden], hat
       hier bei uns in Österreich alles – außer den Universitäten – wieder offen:
       Schulen, Gastronomie, Kulturveranstaltungen – das Land atmet unter
       Hygienekonzept wieder auf, nur ich halte die Luft an (in der Hoffnung, die
       Viren der Frau im Café neben mir nicht einzuatmen).
       
       Als ich mir am Mittwoch, dem großen Öffnungstag, einen Coffee-to-go holte,
       spielte es um 12 Uhr mittags Partymusik, jeder bekam ein Glas Sekt
       serviert, das Senior*innen lachend zu ihrem Kuchen genossen.
       
       Mein ungeimpftes Ich dagegen wollte nur noch heim. Aber auch von mir
       erwarten jetzt alle wieder was. Lesungen und Podiumsdiskussionen finden
       nicht mehr online, sondern wieder vor Publikum statt. Dafür müsste ich
       eigentlich dankbar sein, aber nach mehreren Stunden im vollen Zug zum
       Veranstaltungsort hin- und zurück fahren und bis zu 100 Menschen
       gegenübersitzen, von denen nicht alle die Maske über die Nase ziehen, bin
       ich eher erschöpft.
       
       Ich bin eigentlich ziemlich robust, aber ich bin nach dieser ersten
       Öffnungswoche zwei Tage völlig kaputt im Bett gelegen. Ich habe mehrere
       Coronatests gemacht, weil ich dachte, ich wäre krank, aber es war wohl
       wirklich nur die mentale Erschöpfung, wenn das Leben von 0 auf 100
       aufdreht. Ich hätte ein soft-opening in mein Leben von 2019 gebraucht,
       einen sanften Übergang. Nicht gleich von Lockdown 5 zur alten Normalität.
       
       ## Wochen bis wir immunisiert sind
       
       Während österreichische Epidemiologen und Simulationsforscher sagen, dass
       es keinen weiteren Lockdown mehr in Österreich brauchen werde und von einer
       Aufhebung der Maskenpflicht sprechen, hat sich in meiner Welt ja nichts
       geändert (außerdem kriegt mein abgergläubisches Ich immer Schnappatmung,
       wenn jemand so etwas prophezeit, ohne dreimal auf Holz zu klopfen). Ich bin
       noch nicht immunisiert, Personen aus meinem nächsten Umfeld sind nicht
       geimpft und selbst wenn im Sommer dann voraussichtlich alle, die wollen
       einen Impftermin bekommen, müssen Wochen vergehen, bis wir immunisiert
       sind.
       
       [2][Kinder und Jugendlichen unter 16] kommen überhaupt erst frühestens im
       Herbst dran. Eine Schülerin hat mir erzählt, sie würde sich mehr
       Solidarität von den Älteren und schon Geimpften wünschen. Obwohl der
       Präsenszunterricht für alle aufgenommen wurde, wollen sich einige ihre
       Lehrerinnen nicht impfen lassen. Andere glauben, weil sie ihre erste
       Teilimpfung haben, keine Maske mehr tragen oder Abstand halten zu müssen –
       dabei sind ihnen die Schüler:innen schutzlos ausgeliefert. In Österreich
       sind mittlerweile viele der Neuinfizierten unter 18 Jahre alt und Berichte
       über Long Covid bei jungen Menschen häufen sich. Die Maßnahmenlockerungen
       werden auf dem Rücken der Jungen ausgetragen.
       
       Auch wenn ich selber bald meinen Impftermin habe – in Wien sind
       Journalist:innen mit viel Menschenkontakt dran – werde ich erst zu
       meinem „alten“ Leben zurückkehren, wenn alle, die wollen, geimpft werden.
       Die Jungen haben ihr gewohntes Leben 1,5 Jahre aufgegeben, vor allem um die
       jetzt Geimpften zu schützen – also lasst eure verdammten Masken an.
       
       24 May 2021
       
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