# taz.de -- München hat auch noch andere Clubs: Roter Tempel der Geschmacklosigkeit
       
       > Der FC Bayern ist zum quasioffiziellen Fußballgesicht der
       > Landeshauptstadt geworden. Auf dem Schulhof gab es einst eine Alternative
       > zu den Roten.
       
 (IMG) Bild: Direkt neben dem Marienplatz: Kitsch von abrundtiefer Hässlichkeit
       
       „Rot oder blau?“ Das war die Frage meiner Jugend. FC Bayern oder 1860
       München? Wie ich zum Blauen geworden bin, weiß ich nicht mehr genau. Es ist
       schon zu Grundschulzeiten passiert. Mit einer Sabine zusammen, die es nicht
       leicht hatte, weil sie dicker war, als es ihren brutalen Mitschulkindern
       recht war, [1][sind wir allein gewesen mit unserer blauen Identität.] Wegen
       der bin ich ein paar Mal vermöbelt worden auf dem Heimweg von der Schule.
       Das schicke Schwabing war auch nicht immer das, was es heute ist.
       
       Zu meiner Schulzeit gab es das Gerücht, wonach es in München ebenso viele
       Löwenfans gibt wie Anhänger des FC Bayern. Überprüfen konnte das niemand so
       recht. Der Fußball hat seinerzeit die Menschen in ihrem Alltag noch nicht
       so sehr belästigt, wie er es heute tut. Ultras gab es noch nicht, sodass
       Laternenmasten noch unbehelligt von Fanaufklebern an der Straße stehen
       konnten. Niemand hatte einen FC-Bayern-Rucksack auf oder ging mit einem
       Basecap mit Bayern-Logo durch die Stadt. Ein 60er Federmapperl hatten weder
       Sabine noch ich. Fußball war Nebensache, auch wenn man dafür vermöbelt
       worden ist.
       
       Heute präsentiert sich die EM-Stadt München als Fußballmetropole. Dabei
       gibt es nur noch einen Verein, den FC Bayern, dessen Schriftzug bei den
       Übertagungen der EM-Spiele omnipräsent ist. Während die 60er Fans mit
       Schleckis oder Sprühdosen zumindest den Versuch unternehmen, für Präsenz in
       der Stadt zu sorgen, ist der FC Bayern zum quasioffiziellen Fußballgesicht
       der Landeshauptstadt und damit ganz Bayerns geworden. Kaum einer hat sich
       gewundert, als Ministerpräsident Markus Söder vor dem ersten Gruppenspiel
       der Deutschen [2][auf Facebook ein Bild gepostet hat], das die acht
       Nationalspieler des FC Bayern neben dem Logo der CSU zeigt. „Auf geht’s
       Jungs“, hieß es dazu, ganz so, als würden die roten Acht für die bayerische
       Staatspartei kicken. So ist das eben. Der FC Bayern steht für Bayern, und
       der CSU gehört das Land.
       
       Da passt es doch ganz gut, dass der Klub mitten in der Stadt nun eine Art
       Disneyland betreibt. [3][Die FC-Bayern-World] direkt neben dem Marienplatz,
       die vor Kurzem eröffnet wurde, ist ein Kitschtempel von abgrundtiefer
       Hässlichkeit. Die historisierende Fassade sieht so aus, als habe sie ein
       betrunkener Walt-Disney-Zeichner für ein tränentriefendes
       Prinzessinenmärchen entworfen. Wenn Despoten sich heute neue Paläste
       entwerfen, dann ist es gut möglich, dass etwas herauskommt, was aussieht
       wie die World des FC Bayern. Was es da gibt: Restaurants, ein
       Boutique-Hotel, was auch immer das sein mag, und eine Erlebniswelt, die in
       Wahrheit nichts anderes ist als ein riesiger Fanshop.
       
       Nachts leuchten die Fenster knallrot in die Münchner Innenstadt hinein. Ein
       Bayern-Puff mitten im einst von der Spider Murphy Gang besungenen
       Sperrbezirk. München ist rot und alle sollen es sehen.
       
       Rot oder blau? Ob es die Schulhoffrage heute wohl noch gibt?
       
       20 Jun 2021
       
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