# taz.de -- Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien: Wieder lebenslänglich
       
       > Das UN-Kriegsverbrechertribunal bestätigt das erstinstanzliche Urteil
       > gegen den früheren bosnisch-serbischen Armeechef Ratko Mladić.
       
 (IMG) Bild: Das UN-Tribunal in Den Haag bestätigt die Verurteilung von Mladić
       
       SPLIT taz | „Kriv je – Schuldig ist er!“ stand auf einem Plakat, das am
       Dienstag während der Urteilsverkündung vor dem Gebäude des ehemaligen
       UN-Tribunals in Den Haag von Überlebenden der Massaker hochgehalten wurde.
       Das Nachfolgegericht des Internationalen Strafgerichtshofs für
       Ex-Jugoslawien in Den Haag hat [1][den früheren bosnisch-serbischen
       Armeechef Ratko Mladić] erneut zu lebenslanger Haft wegen Völkermords,
       Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.
       
       Damit wurde das Urteil der 1. Instanz – allen Befürchtungen von
       Opferverbänden zum Trotz – voll und ganz bestätigt. Mladić war im November
       2017 wegen seiner Verantwortung für [2][den Genozid in Srebrenica im Juli
       1995] mit über 8.000 Getöteten sowie weiterer Kriegsverbrechen zu
       lebenslanger Haft verurteilt worden. Gegen das Urteil hatte er Berufung
       eingelegt.
       
       Allerdings stufte das Gericht nicht wie von der Anklage erhofft die
       Massaker und die Verfolgung von sechs besonders durch den Terror
       betroffenen Gemeinden als Völkermord wie in Srebrenica ein. Vor allem 1992
       waren in Foča, Vlasenica, Ključ, Sanski Most, Kotor Varoš und Prijedor
       grausame Verbrechen verübt worden, die serbische „Krisenstäbe“ gegen die
       nichtserbische Bevölkerung organisiert hatten.
       
       Die Verbrechen in den Konzentrationslagern von Prijedor, wo im Sommer 1992
       allein über 3.500 Menschen, Bosniaken und Kroaten, ermordet worden waren,
       sowie den Lagern und Vergewaltigungslagern in den anderen genannten Orten
       wurden vom Gericht zwar als systematische Verfolgung bewertet, nicht jedoch
       als Genozid.
       
       ## Jahrelange Enttäuschung
       
       Seit Jahren sind viele Überlebende aus den betroffenen Gemeinden sehr
       enttäuscht, dass Den Haag die systematische Kampagne der ethnischen
       Säuberungen 1992, der Zehntausende Zivilisten zum Opfer gefallen sind,
       nicht als Genozid eingestuft hat. Dennoch wurde das Urteil von Seiten der
       Opferverbände und der nichtnationalistischen Zivilgesellschaft mit
       Erleichterung aufgenommen, weil damit Gerüchte, Mladić könnte
       freigesprochen werden, ohne Zweifel widerlegt wurden. Jetzt ist erst einmal
       ein Schlussstrich unter das Kapitel Mladić und das UN-Tribunal in Den Haag
       gezogen.
       
       Das Urteil sei eine laute Mahnung gegen Hass, Nationalismus und Leugnung.
       „Bis heute gehören die Kriegsziele von damals nicht der Vergangenheit an.
       Bis heute werden ethnische Grenzziehungen für die Region diskutiert. Diese
       völkische Idee verhöhnt alle Kriegsopfer und ist brandgefährlich für den
       Frieden in Europa“, heißt es in einer Presseerklärung von Manuel Sarazzin,
       dem osteuropapolitischen Sprecher von Bündnis90/die Grünen.
       
       Er spricht sich strikt gegen alle Versuche aus, die Grenzen auf dem Balkan
       nach den Wünschen der Ethnonationalisten neu zu ziehen. Aussöhnungsprozesse
       vor Ort müssten seitens der EU intensiver unterstützt und in den
       EU-Beitrittsprozess einbezogen werden. „Die anstehende Reform der
       bosnischen Verfassung und des Wahlgesetzes muss dazu beitragen, dass die
       ethnische Spaltung in Bosnien und Herzegowina überwunden werden kann“,
       heißt es in der Stellungnahme.
       
       8 Jun 2021
       
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