# taz.de -- Diskriminierung an Berliner Schulen: Schule mit Rassismus
       
       > Wenn an Schulen diskriminiert wird, sind die TäterInnen oft Lehrkräfte,
       > zeigt ein Monitoring der Beratungsstelle Adas. Rassismus spielt eine
       > große Rolle.
       
 (IMG) Bild: Erfahren auch in der Schule Diskriminierung: Schülerinnen mit Kopftuch
       
       BERLIN taz | Beim Diskriminierungsschutz an Berliner Schulen ist noch viel
       Luft nach oben. Das legt ein Monitoringbericht der Neuköllner
       Beratungsstelle Adas für Diskriminierungsschutz an Schulen nahe, der am
       Mittwoch vorgestellt wurde. Insbesondere [1][rassistische
       Diskriminierungserfahrungen] spielen demnach eine Rolle: 95,5 Prozent der
       Menschen, die sich an Adas wandten, berichteten von Diskriminierung auf
       Grund ihrer ethnischen oder kulturell-religiösen Herkunft. Eine geringere
       Rolle in den Beratungen spielten außerdem Diskriminierung aufgrund von
       Behinderung, sozialem Status oder Geschlecht.
       
       Insgesamt zählte die unabhängige Anlaufstelle, die seit diesem Jahr auch
       mit Landesmitteln gefördert wird, 289 Hilfegesuche zwischen 2018 und 2020.
       Dabei stieg insbesondere der Bedarf an Beratung und Begleitung an, wenn
       Fälle gemeldet wurden, nämlich von 44 auf 84 Beratungen in 2020. Ein
       Großteil der Meldungen wird zudem von SchülerInnen gemacht (269). Die
       TäterInnen sind wiederum oft das schulische Personal (68,7 Prozent). Nur in
       knapp 25 Prozent der Fälle meldeten Kinder, dass sie durch MitschülerInnen
       drangsaliert würden. „Ein qualitativer Unterschied“, betont Sabine Gauch
       vom Trägerverein Life e. V..
       
       Eine repräsentative Diskriminierungsstatistik sei das Monitoring allerdings
       nicht, betont Adas-Projektleiterin Aliyeh Yegane. Die Dunkelziffer derer,
       die gar nicht in die Beratung kämen, sei vermutlich hoch. „Insbesondere
       Kinder mit einem Fluchthintergrund erreichen wir oft nicht gut, weil uns
       die Kapazitäten fehlen, um zum Beispiel proaktiv in die Unterkünfte zu
       gehen“, sagt Yegane.
       
       Insgesamt „drei zentrale Befunde“, habe man aus der Beratungsstatistik
       herausgearbeitet, sagt Gauch. Zum einen verletzten die Schulen „in
       relevanter Zahl“ ihre Pflicht, insbesondere SchülerInnen vor
       Diskriminierungserfahrung zu schützen. Zum anderen ließen sich
       „strukturelle Muster“ von Diskriminierung erkennen – die wiederum
       „besonders vulnerable Gruppen“ sichtbar machen würden, wie Gauch sagt.
       
       ## „Problemfall“ muslimischer Junge
       
       Ein klassisches Beispiel dafür sei etwa der als muslimisch gelesene Junge,
       der von Lehrkräften gerne als „problematischer Fall“ abgestempelt werde,
       wenn das Kind im Unterricht durch störendes Verhalten auffalle. „Da findet
       schnell eine Stereotypisierung statt, die sich bereits in der Grundschule
       verfestigt“, sagt Gauch. Oft werde seitens der PädagogInnen dann mit
       „harten Sanktionen reagiert“ oder der Schüler gleich ganz „aufgegeben“.
       
       Ein anderes typisches Beispiel seien Mädchen, die im Unterricht
       [2][Kopftuch tragen wollen], sagt Adas-Beraterin Sandra Abed. Sie erzählt
       von einer Drittklässlerin, der die Lehrkraft gedroht habe, sie im
       Unterricht nicht mehr aufzurufen und das Mädchen an einen Einzeltisch
       gesetzt habe, als sie das Kopftuch nicht abnahm. „Da haben sich dann auch
       Kinder in der Klasse ermutigt gefühlt, das Mädchen zu ärgern und ihr das
       Kopftuch herunterzureißen.“
       
       Schule, sagt ihre Kollegin Gauch, werde in solchen Fällen „als Ort erlebt,
       an dem Ungleichbehandlung legitimiert wird und an dem Verletzungen
       stattfinden.“ Auffällig sei zudem, dass die Kinder und Jugendlichen sich
       oft erst nach einer gewissen Leidenszeit an die externe Beratungsstelle
       wandten. Demnach hätten rund 53 Prozent der Hilfesuchenden angegeben,
       bereits seit einem oder mehr Monaten regelmäßig diskriminiert zu werden.
       Lediglich in 35 Prozent der Fälle sei die Diskriminierung einmalig
       vorgekommen.
       
       „Das ist für uns ein Hinweis darauf, dass die Beratungs- und
       Hilfestrukturen in der Schule nicht funktionieren“, sagt Gauch. „Offenbar
       sind die Betroffenen meist nicht in der Lage, ihre Situation selbständig zu
       lösen.“
       
       Es brauche daher zum einen eine Verbesserung der Hilfsangebote in den
       Schulen selbst wie auch eine gesicherte Existenz von externen
       Anlaufstellen, betont Adas-Projektleiterin Yegane. Tatsächlich ist etwa die
       Stelle einer/s [3][Anti-Diskriminierungsbeauftragten] für die Schulen in
       der Bildungsverwaltung seit Monaten unbesetzt. Zwar sei man da auf gutem
       Wege, wie es jüngst [4][auf taz-Anfrage] aus informierten Kreisen hieß.
       Allerdings erneuerten Initiativen wie der Migrationsrat erst kürzlich ihre
       Kritik daran, dass die Stelle mit wenig Handlungsspielraum und
       „Durchgriffsrechten“ ausgestattet – sprich: schlicht nicht unabhängig –
       sei, weil in der Verwaltung selbst angesiedelt.
       
       Yegane betonte auch, dass es seit der Verabschiedung des
       [5][Landesantidiskriminierungsgesetzes] vor einem Jahr zwar gesetzlich
       deutlich mehr Rechte gebe, die sich SchülerInnen wie Lehrkräfte einfordern
       könnten. Allerdings müssten die im Zweifel auch vor Gericht erstritten
       werden. „Wir können da als unabhängige Anlaufstelle in Zukunft aber nur
       jurisitisch unterstützen, wenn wir auch regelhaft finanziert werden“,
       betont Yegane. Der nächste Doppelhaushalt wird erst nach den
       Abgeordnetenhauswahlen im Herbst von einer künftigen Regierungskoalition
       verabschiedet.
       
       9 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Diskriminierung-an-Berliner-Schulen/!5715065
 (DIR) [2] /Berlins-Kopftuchverbot-an-Schulen/!5741140
 (DIR) [3] /Antidiskriminierungsbeauftragter-geht/!5708061
 (DIR) [4] /Kampagne-fuer-besseres-Schulsystem/!5775344
 (DIR) [5] /Berliner-Antidiskriminierungsgesetz/!5773242
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Klöpper
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Landesantidiskriminierungsgesetz
 (DIR) antimuslimischer Rassismus
 (DIR) Schwarz-rote Koalition in Berlin
 (DIR) Brüste
 (DIR) Kopftuch
 (DIR) LADG
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Diskriminierung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Koalitionsvertrag von CDU-SPD in Berlin: Backlash bei der Vielfalt
       
       CDU und SPD verschlechtern das Leben für Migrant*innen, Geflüchtete und
       Minderheiten, sagen die Linke Elif Eralp und der Migrationsrat.
       
 (DIR) Kampf für Gleichberechtigung: Brust raus!
       
       Gabrielle Lebreton ist wegen ihres freien Oberkörpers einer Grünanlage
       verwiesen worden. Nun verklagt sie den Berliner Bezirk wegen
       Diskriminierung.
       
 (DIR) Kopftuchverbot am Arbeitsplatz: Freiheit ist anders
       
       Anstatt darüber zu streiten, wer was wo tragen darf, sollten wir uns vor
       allem auf Chancengleichheit konzentrieren.
       
 (DIR) Ein Jahr LADG Berlin: Der Tiger braucht noch Zähne
       
       Vor einem Jahr hat sich Berlin ein Gesetz gegen Diskriminierung durch
       Behörden gegeben. Die Bilanz zeigt: Es gibt noch viel zu tun.
       
 (DIR) Berliner Antidiskriminierungsgesetz: Das rassistische Muster
       
       Bilanz nach einem Jahr Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG): Viele
       Beschwerden betreffen die Polizei – doch die sieht oft kein Problem.
       
 (DIR) Diskriminierung an Schulen: „Lehrkräfte müssen reflektieren“
       
       Der zurückgetretene Antidiskriminierungsbeauftragte, Derviş Hızarcı, zieht
       eine ernüchternde Bilanz: An de Strukturen habe er wenig ändern können.