# taz.de -- Asylrecht in Großbritannien: System der zwei Klassen
       
       > Großbritannien will mit einem neuen Gesetz sein Asylverfahren
       > verschärfen. Wer illegal einreist, soll weniger Rechte erhalten.
       
 (IMG) Bild: Menschen aus Syrien, die den Ärmelkanal mit dem Boot überquert haben, im Hafen von Dover
       
       LONDON taz | Die [1][bereits im März angekündigte Absicht der britischen
       Regierung], ihr Asylsystem zu verschärfen, ist am Dienstag durch einen
       Gesetzesentwurf der [2][Innenministerin Priti Patel] konkreter geworden.
       Demnach würde es erstmals unterschiedliche Asylverfahren geben – je nachdem
       ob die Antragsteller*innen nach britischem Recht legal oder illegal
       in das Vereinigte Königreich eingereist sind. Wer illegal eingereist ist
       und Asylrecht erhält, wird weniger Rechte erhalten, als jene, die auf
       legalen Weg einreisten.
       
       In den ersten sechs Monaten des Jahres legten in England über 6.000
       Bootsflüchtlinge an. Es wird damit gerechnet, dass bis zum Ende des Jahres
       die Zahl der Menschen, die [3][den Ärmelkanal überqueren], die Gesamtzahl
       des letzten Jahres übertreffen wird, [4][als an die 8.400 Menschen den
       Kanal überquerten].
       
       Der Gesetzesentwurf sieht etwa für Schleuseraktivitäten eine Haftstrafe bis
       zu „lebenslänglich“ vor. In Zukunft soll es zudem erlaubt sein,
       Asylbewerber*innen anstatt in Wohnungen, in speziellen Zentren
       unterzubringen. Bisher war das die Ausnahme, etwa als im vergangenen Jahr
       Menschen in ehemaligen Militärbaracken hausen mussten. Aufgrund der
       mangelhaften Hygiene während der grassierenden Covid-19-Pandemie, legten
       Bewohner*innen aus Protest und Verzweiflung in Teilen der Baracken
       Feuer.
       
       Auch das Asylverfahren soll effizienter geführt werden. Sämtliche Anträge
       sollen in Zukunft bei einer einzigen Stelle gestellt werden. Sollte es nach
       Entscheidungen zu Berufungen kommen, sollen verspätete Anträge Konsequenzen
       nach sich tragen. Sollten Berufungen ohne guten Grund eingelegt werden, um
       so womöglich Zeit aufzuschieben, sollen Asylbewerber*innen sogar mit
       Bußstrafen zur Rechenschaft gezogen werden.
       
       ## Ziel: Möglichst schnelle Abschiebungen
       
       Durch Änderungen in der rechtlichen Auslegung, ab wann eine Person als
       legal eingereist gilt, soll es Menschen erschwert werden, überhaupt
       Asylanträge zu stellen. Dies betrifft direkt jene Menschen, die etwa auf
       Schlauchbooten versuchen einzureisen. Ihre Fälle sollen dann als „ungültig“
       gelten.
       
       In den Medien kursieren hierzu Annahmen, dass Großbritannien in Zukunft
       Boote noch auf offener See zurück nach Frankreich schicken könnte. Laut
       einer Sprecherin des Innenministeriums gebe es hierzu in der Tat Absichten,
       sie seien jedoch weder klar definiert noch konkreter Teil des
       Gesetzentwurfs. Aus dem Entwurf geht aber hervor, dass die [5][britische
       Regierung] an möglichst schnellen Abschiebungen arbeitet.
       
       Ebenfalls sei es derzeit unklar, ob es Unterbringungs- und
       Bearbeitungszentren für Asylbewerber*innen außerhalb des Vereinigten
       Königreichs geben wird. In den britischen Medien zirkulieren unbestätigte
       Annahmen von möglichen Zentren in Ruanda oder auf den Ascension Islands,
       einer 91 Quadratkilometer großen pazifischen Insel, die britisches
       Hoheitsgebiet ist. Das Innenministerium erklärte der taz, dass die
       Regierung Gespräche mit internationalen Partnern hierzu führe.
       
       Wer aus EU-Staaten und sicheren Drittstaaten einreise, um im Vereinigten
       Königreich Asyl zu beantragen, würde laut dem Entwurf automatisch abgelehnt
       werden. Ausnahmefälle werden jedoch anerkannt. Außerdem sollen
       Asylsuchende, die angeben, minderjährig zu sein, neuen Verfahren zur
       Altersbestimmung unterworfen werden.
       
       Die [6][Organisation Refugee Councils] erklärte, dass das neue Gesetz
       Menschen, die Schutz suchten, kriminalisiere und bestrafe und auch legale
       Einreisemöglichkeiten über Drittstaaten erschweren würde. Der Entwurf wird
       in den nächsten Monaten durch das britische Parlament gehen, wo es zu
       zahlreichen Abänderungen kommen kann.
       
       7 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [6] https://www.refugeecouncil.org.uk/
       
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