# taz.de -- Nachtzugverbindungen in Europa: Im Schlaf ans Ziel
       
       > Mit dem Nachtzug kann man von Berlin neuerdings bis Stockholm reisen. Die
       > Stadt soll mal ein Drehkreuz werden – noch fahren Züge aber eher über
       > Prag.
       
 (IMG) Bild: Fährt bis September täglich: Der erste private Nachtzugs zwischen Berlin, Kopenhagen und Stockholm
       
       BERLIN taz | Mit dem Sommer und schwindenden Coronabeschränkungen wächst
       die Lust am Reisen. Im Sinne des Klimaschutzes wäre es da gut, auf die Bahn
       zu setzen. Je länger die Strecke, umso eher sind Nachtzüge vorteilhaft. So
       kann man die Distanz von Berlin zum Ziel schlafend zurücklegen. Doch schon
       vor der Pandemie war das [1][Angebot nicht üppig]. 2016 war die Deutsche
       Bahn komplett aus dem Nachtzuggeschäft ausgestiegen. Übrig blieben
       ausländische Anbieter. Und die Coronakrise hat weitere Lücken ins Netz
       gerissen. Doch nun tut sich was.
       
       Jüngstes Beispiel ist der Nachtzug Snälltåget nach Stockholm. Der Zug wird
       von der privaten Transdev-Gruppe betrieben. Von Berlin geht es über Hamburg
       und Kopenhagen nach Stockholm. Ende Juni gab es die Einweihungsfahrt. Start
       ist in Berlin nicht am Hauptbahnhof, sondern aus Kapazitätsgründen am
       Bahnhof Gesundbrunnen. Stockholm wird um 14.20 Uhr am Folgetag erreicht. In
       der Gegenrichtung geht es in Stockholm um 16.20 Uhr los, Berlin wird um
       8.52 Uhr am Folgetag erreicht. Der Zug fährt bis zum 5. September täglich,
       danach mittwochs und samstags. Tickets gibt es auf der [2][Webseite].
       Allerdings ist die Webseite bisher nur auf Schwedisch und Englisch
       zugänglich. Die Preise variieren je nach Reisezeitpunkt und Komfort. Los
       geht es bei etwa 50 Euro.
       
       Wer sich nicht allein auf fremdsprachige Webseiten und die mühselige Suche
       über die Deutsche Bahn verlassen will, kann sich beraten lassen. In Berlin
       ist die [3][Bahnagentur Schöneberg] in der Crellestraße auf internationale
       Verbindungen spezialisiert. Martin Kopetschke kritisiert, dass die
       Bahnunternehmen bisher zu sehr auf ihren jeweiligen Heimatmarkt orientiert
       sind. Dabei seien die meisten europäischen Länder allein einfach zu klein
       für ein Nachtzugangebot.
       
       ## Neue Verbindungen
       
       Weitere Verbesserungen deuten sich an. Ab 2022 soll eine neue
       Nachtzugverbindung Prag mit Dresden, Berlin, Amsterdam und Brüssel zunächst
       dreimal in der Woche verbinden. Das tschechische Verkehrsunternehmen
       Regiojet arbeitet dabei mit dem niederländischen Start-up European Sleeper
       zusammen. Die Züge sollen abends in Prag abfahren und am frühen Vormittag
       in der belgischen Hauptstadt eintreffen. In umgekehrter Richtung geht es am
       frühen Abend in Brüssel los. Für Nachtzugfahrten von Berlin aus dürfte der
       Zug also vor allem in Richtung Brüssel interessant sein.
       
       Die Hardware kommt von Regiojet. Vorgesehen seien Schlafwagenabteile für
       ein bis drei Personen, Liegewagen mit Abteilen für vier bis sechs Personen
       und Sitzwagen, sagte Geschäftsführer Elmer van Buuren der taz. Zudem ist
       kostenloses Internet vorgesehen. Tickets von Berlin nach Brüssel im Liege-
       oder Schlafwagen soll es ab 59 Euro geben. „Je mehr Komfort und
       Privatsphäre man wünscht, umso höher der Preis.“ Außerdem können die
       Ticketpreise je nach Nachfrage schwanken.
       
       Bei European Sleeper ist man optimistisch, dass die Verbindung im April
       2022 starten kann. Im Mai hat das Start-up nach eigenen Angaben 500.000
       Euro Startkapital von 350 Anteilseignern eingesammelt. Am Fahrplan werde
       derzeit noch gearbeitet, so van Buuren. Er gehe aber davon aus, dass man in
       Berlin gegen 23.30 Uhr in den Zug nach Brüssel steigen könne. In der
       Gegenrichtung sollen die Züge aus Brüssel Berlin gegen 6 Uhr erreichen.
       
       Mehr politischen Rückenwind für Nachtzüge wünscht sich Peter Cornelius. Der
       Vorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn Berlin-Brandenburg sieht gerade
       in Pandemiezeiten Nachtzüge als das beste Verkehrsmittel. „Man kann ein
       ganzes Abteil für sich und die Familie buchen.“ Verkehrssenatorin Regine
       Günther (Grüne) wünscht auch mehr Nachtzüge. Berlin solle Drehkreuz des
       europäischen Nachtzugverkehrs werden, hieß es im Frühjahr, als der Senat
       eine entsprechende Machbarkeitsuntersuchung in Auftrag gab. Im Laufe des
       Sommers soll es Ergebnisse geben.
       
       ## Sechs Verbindungen täglich nach Prag
       
       Einstweilen sieht es so aus, als ob Prag sich zu so einem Drehkreuz
       entwickelt. Glücklicherweise ist die tschechische Hauptstadt per Bahn von
       Berlin aus sechsmal täglich direkt erreichbar. Zum Beispiel betreibt
       Regiojet bereits Nachtzüge zwischen Prag und der ostslowakischen Stadt
       Košice. Wer also in Berlin in den Eurocity um 15.36 Uhr nach Prag steigt,
       kann dort abends bequem in den Nachtzug wechseln. Auf dem Weg nach Košice
       wird auch in der Hohen Tatra gehalten. Der Zug fährt täglich. Ein ähnliches
       Angebot gibt es von Prag auch von Leo Express, allerdings passt dafür der
       Anschluss aus Berlin am Nachmittag nicht so gut.
       
       Im Laufe des Jahres soll bei Regiojet eine Verbindung zwischen Prag und
       dem ukrainischen Lwiw hinzukommen. Die alte Hauptstadt Galiziens steht
       wegen ihres komplett erhaltenen historischen Stadtkerns auf der Liste des
       Unesco-Welterbes und eignet sich auch als Ausgangspunkt für eine Reise in
       den ukrainischen Teil der Karpaten. In die ukrainische Hauptstadt Kiew gibt
       es täglich mehrere Zugverbindungen. Nachtzüge sind in der Ukraine häufig
       und preisgünstig. Tickets können einfach über eine App auf Englisch gebucht
       und auch zurückgegeben werden.
       
       In die gleiche Richtung konnte man von Berlin auch die Züge der
       Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) nutzen. Die ÖBB-Nachtzüge aus Berlin
       Richtung Wien und Budapest führen nämlich nach Pandemiepause auch wieder
       Kurswagen nach Przemyśl mit. Die Stadt liegt im Südosten Polens kurz vor
       der Grenze zur Ukraine. Los geht es um 18.29 Uhr am Berliner Hauptbahnhof,
       in Przemyśl kommt der Zug um 8 Uhr morgens an. Allerdings fehlt derzeit
       noch der direkte Anschluss, den es im vergangenen Sommer noch gab. Mit der
       Aufhebung von Reisebeschränkungen dürfte das aber wieder ein Thema werden.
       
       Wen es Richtung Mittelmeer zieht, könnte ein weiteres Angebot von Regiojet
       interessant finden. Das tschechische Unternehmen bietet nach seiner
       Verbindung von Prag nach Rijeka nun auch einen umsteigefreien Nachtzug nach
       Split weiter südlich an der kroatischen Adriaküste an. Die Ticketpreise
       liegen derzeit bei etwa 68 Euro im Liegewagen. Gebucht werden kann
       [4][online]. Abfahrt in Prag täglich um 16.46 Uhr. Um 13.44 Uhr am nächsten
       Tag fährt der Zug in den Bahnhof von Split ein. Das Gleis endet dort direkt
       am Strand.
       
       13 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Mit-dem-Zug-nach-Osteuropa/!5689345
 (DIR) [2] https://www.snalltaget.se/
 (DIR) [3] https://bahnagentur-schoeneberg.de/
 (DIR) [4] https://www.regiojet.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Zschieck
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Verkehrswende
 (DIR) Mobilität
 (DIR) Nachtzüge
 (DIR) Nachtzüge
 (DIR) Österreich
 (DIR) Deutsche Bahn
 (DIR) Deutsche Bahn
 (DIR) Deutsche Bahn
 (DIR) Europa
 (DIR) Baltikum
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) taz-Serie Nachtzugkritik: Schlafen super, koten verboten
       
       Mit dem Nachtzug zwischen Paris und Nizza kommt man klimafreundlich an die
       Côte d’Azur. Aber die Toiletten sind unterirdisch.
       
 (DIR) Nachtzüge in Europa: Sie rollen wieder
       
       Eine verlorengegangene Form des Reisens wird wieder möglich: Fahrten im
       Schlafwagen. Das geht auch zwischen Wien und der französischen Hauptstadt.
       
 (DIR) Test des Zugfahrens in Europa: Bahn kann Billigflieger schlagen
       
       Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat grenzüberschreitende Zugreisen
       untersucht. Ergebnis: Tickets können erstaunlich günstig sein.
       
 (DIR) Milliardenverluste der Deutschen Bahn: Generalüberholung nötig
       
       Auf der Schiene ächzt und kracht es. Um das zu ändern, muss die Bahn
       grundsätzlich neu aufgestellt werden – auch ihr Management.
       
 (DIR) Deutsche Bahn in der Dauerkrise: Schuldenberg wird immer größer
       
       Im Fernverkehr fährt der Staatskonzern einen Verlust von mehr als 1
       Milliarde Euro ein. Das liegt nicht nur an Corona.
       
 (DIR) EU-Politikerin über Jahr der Schiene: „Infrastruktur unzureichend“
       
       Die Schiene muss besser werden, sagt die grüne EU-Abgeordnete Anna
       Deparnay-Grunenberg. Sie setzt sich für ein europäisches Eisenbahnnetz ein.
       
 (DIR) Nach Litauen per Bahn: Gegen die Flugscham
       
       Per Zug lässt es sich bequem ins Baltikum reisen. Am Komfort der Züge
       Litauens kann sich die Deutsche Bahn ein Vorbild nehmen.