# taz.de -- UN-Hilfskoordinator über Idlib-Einsatz: „Wir hätten gern mehr Zugänge“
       
       > Die UN würden mit Syriens Machthaber Assad kooperieren, um Hilfe nach
       > Idlib zu bringen. Doch die Konfliktparteien müssten mitmachen, sagt
       > UN-Koordinator Mark Cutts.
       
 (IMG) Bild: Grenzübergang Bab al-Hawa zwischen der Türkei und Nordwestsyrien
       
       taz: Herr Cutts, wie wird den etwa 4 Millionen Menschen in Nordwestsyrien
       geholfen, sollte Bab al-Hawa geschlossen werden? 
       
       Mark Cutts: Zunächst hoffen wir, dass es nicht dazu kommt, denn das wäre
       eine Katastrophe. Viele Menschen wohnen in Lagern in der Nähe der
       türkischen Grenze. Bab al-Hawa ist der sicherste Weg, sie zu erreichen.
       [1][Wenn der Sicherheitsrat die Vereinten Nationen (UN) nicht autorisiert,
       diese Hilfsoperation fortzusetzen], werden die Menschen sterben. Wir haben
       zwar einige Vorräte, die reichen aber nur für zwei oder drei Monate. Einige
       Organisationen könnten auch ohne UN-Resolution weiterhin Hilfe aus der
       Türkei schicken, aber mehr als 70 Prozent der Lebensmittel, die nach
       Nordwestsyrien kommen, werden von den UN bereitgestellt.
       
       Wäre es eine Lösung, die Güter an lokale NGOs zu geben, die direkt mit den
       lokalen Behörden verhandeln? 
       
       Es gibt viele verschiedene humanitäre Akteure, neben UN-Organisationen auch
       türkische, syrische und internationale NGOs. Aber die UN koordinieren die
       Hilfslieferungen. Wir verfügen über einen sehr ausgeklügelten
       Überwachungsmechanismus, um sicherzustellen, dass die Hilfe nicht in die
       Hände bewaffneter Gruppen gelangt. Wir überwachen und inspizieren jeden
       einzelnen Lastwagen mit UN-Hilfe, der die Grenze nach Nordwestsyrien
       überquert. Viele der Geber geben den verschiedenen Organisationen nur Geld,
       weil sie wissen, dass die UN die Hilfsaktion gründlich überwacht. Wenn wir
       diese Aktivitäten einstellen, ist es wahrscheinlich, dass viele der Geber
       ihre Mittel reduzieren.
       
       Ist Hilfe über Damaskus und dann über die Frontlinie, sogenannte
       Cross-Line-Hilfe, eine Alternative? 
       
       Es geht nicht darum, entweder grenzüberschreitend oder cross-line zu
       helfen. Wir würden gerne mehr Zugänge sehen. Doch die Erfahrung in den
       letzten 10 Jahren zeigt, dass es in einem aktiven Kriegsgebiet sehr
       schwierig ist, cross-line zu arbeiten. Nordwestsyrien ist immer noch ein
       aktives Kriegsgebiet, mit Beschuss und Luftangriffen im letzten Jahr und
       einer Eskalation im letzten Monat. Trotz intensiver Verhandlungen in den
       letzten 18 Monaten ist es uns nicht gelungen, einen einzigen Lastwagen mit
       humanitärer Hilfe aus den von der Regierung kontrollierten Gebieten nach
       Nordwestsyrien zu bringen.
       
       Warum ist es ein Problem für die UN, mit Syriens Regime zusammenzuarbeiten,
       um Hilfe in andere Landesteile zu bringen? 
       
       Die UN haben kein Problem. Die UN sind bereit, Konvois von Regierungsseite
       nach Nordwestsyrien zu entsenden. Aber die Konvois können die Frontlinie
       nur passieren, wenn die Parteien, die das Territorium kontrollieren – die
       Regierung und eine Reihe bewaffneter Gruppen – zustimmen. Die
       Konfliktparteien konnten keine Einigung darüber erzielen, welche Routen zu
       benutzen sind, wer die Güter erhält oder wer sie verteilt und wie die
       Sicherheit der Lastwagen gewährleistet wird.
       
       Was sagen Sie zu der Ansicht des syrischen Außenministers, UN-Hilfe helfe
       Terrorgruppen? 
       
       Wir wissen, wohin die Hilfe fließt, weil wir einen sehr gründlichen
       Überwachungsprozess haben. Wenn sie nicht wollen, dass Hilfe umgeleitet
       wird, sollten sie den rechenschaftspflichtigen UN-Mechanismus nicht
       abbauen. Ein weiterer Punkt ist: Die syrische Regierung hat Zivilisten in
       diesem Gebiet oft als Terroristen bezeichnet. Tatsächlich sind mehr als 80
       Prozent der Zivilbevölkerung Frauen, Kinder und ältere Menschen. Auf jeden
       Kämpfer in der Gegend kommen wahrscheinlich 100 Zivilisten. Die UN sind da,
       um eine sehr gefährdete Bevölkerung zu unterstützen. Wir brauchen mehr
       Zugang, mehr Finanzmittel und mehr Wille, um Zivilisten zu schützen.
       
       8 Jul 2021
       
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