# taz.de -- Queere Familienkonflikte: Kein gleiches Recht für alle
       
       > Ein privater Samenspender fordert Umgangsrecht mit dem Kind eines
       > lesbischen Paares. Die möchten das nicht. Doch welcher Wunsch wiegt
       > schwerer?
       
 (IMG) Bild: Ein privater Samenspender ist für viele Paare, die Kinder haben wollen, eine Lösung
       
       Familien werden nie genau so, wie die Erwachsenen sich das ausgemalt haben.
       Und je mehr queere Familien es gibt, weil Barrieren allmählich abgebaut
       werden, desto mehr spezifisch queere Familienkonflikte entstehen. Einige
       landen vor Gericht. Manche davon wiederum werden – leider, für die
       Beteiligten – zu Grundsatzentscheidungen. Und somit relevant für die
       Zeitung.
       
       Der Bundesgerichtshof [1][hat diese Woche entschieden], dass private
       Samenspender*innen in queeren Familien denen in Heterofamilien
       gleichgestellt werden müssen – in dem Sinne, dass der oder die Spender*in
       ein Umgangsrecht mit dem Kind hat. Auch dann, wenn die Eltern qua Adoption
       andere sind. Konkret ging es um das siebenjährige Kind zweier Mütter, für
       das der private Samenspender einen zweiwöchentlichen Umgang eingefordert
       hatte. Er verzichtete bei der Zeugung auf die Vaterschaft, und die Mütter
       gingen davon aus, dass er nicht Teil der Familie sein würde. Der Wunsch des
       Kindes ist noch nicht erörtert worden, er wird ebenfalls relevant sein.
       
       Es mag juristisch fair erscheinen, private Samenspender*innen
       gleichzubehandeln, ob sie nun an Heten oder Queers gespendet haben. Und
       ohne die Familie zu kennen: Irgendeine Form des Umgangs mit dem Spender
       wäre für das Kind wohl früher oder später nötig geworden. Biologische
       Erzeugerschaft ist in unserer Gesellschaft identitätsstiftend, ob man das
       nun sinnvoll findet oder nicht. Zu wünschen wäre den Müttern gewesen, dass
       sie dies nach eigenem Ermessen und in Abstimmung mit den Bedürfnissen des
       Kindes hätten umsetzen können. Klar, der Spender hat zur Zeugung eines
       Kindes beigetragen und wünscht sich Umgang, wünscht sich vielleicht, es
       heranwachsen zu sehen. Verständlich. Aber wessen Wunsch wiegt schwerer?
       
       Nun, die Mütter hätten ja zur Samenbank gehen können! Wenn sie keinen
       Umgang wünschen, ist eine anonyme Spende die rechtssichere Wahl, oder?
       
       ## Kein Spaziergang
       
       Man darf nicht so tun, als sei queeres Elternwerden ein Spaziergang. Als
       das betreffende Kind gezeugt wurde, bestand für homosexuelle Paare ein
       Eheverbot. Elternschaft bei Lesben ist weiter nur über den Umweg der
       „[2][Stiefkindadoption“] möglich. Kinderwunschbehandlungen übernimmt die
       Kasse meist nicht. Da setzt das Recht etwas gleich, was keine gleichen
       Voraussetzungen hatte.
       
       Bis vor Kurzem waren das Gesetz, der Staat und die Medizin noch erklärte
       Feinde queerer Familien. Da schien die Samenspende aus dem privaten Umfeld
       als die sicherere, die liebevollere Variante. Aber gut gemeinte Absprachen
       und Versprechen zwischen Menschen können sich mit der Zeit in der
       Erinnerung verzerren. Verträge, Mediationen und Gerichte mögen Klärung
       schaffen, aber nur ein Stück weit. Man kann den Beteiligten nur wünschen,
       dass sie irgendwann wieder miteinander zur Ruhe kommen – und dieser Fetzen
       Zeitgeschichte sie nicht zu lange verfolgt.
       
       23 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /BGH-Urteil-zu-Umgangsrecht/!5781712
 (DIR) [2] /Adoptionsrecht-fuer-lesbische-Paare/!5739956
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Weissenburger
       
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