# taz.de -- Die Wahrheit: Trinkfeste Tiefkühlbrasilianer
       
       > Góða ólavsøku! Am 29. Juli feiern die Bewohner der Färöer-Inseln
       > feuchtfröhlich ihren Nationalfeiertag zu Ehren des Heiligen Olav.
       
 (IMG) Bild: Qualmwunder Margrethe besuchte gerade die Färöer-Inseln
       
       Als hätten sie nicht schon genug zu feiern gehabt in diesem Jahr: Das 1:1
       der Nationalmannschaft in Moldawien im März. Die Einweihung des
       „Eysturoyartunnilin“ mit dem weltweit einzigen Kreisverkehr unter Wasser.
       Bereits im Februar haben sich die Inseln für offiziell coronafrei erklären
       dürfen. Schließlich, soeben, den Besuch von Königin Margrethe von Dänemark,
       eine Herausforderung für das Staatsoberhaupt, denn statt mit dem Schiff
       (Motorschaden) musste sie mit dem Flugzeug vorlieb nehmen – zweieinhalb
       Stunden ohne Zigarette!
       
       Wobei Margrethe den Nationalfeiertag um zwei Wochen verpasst hat. Warum?
       Zufall? Absicht? Was genau wollen diese Inselchen im Nordatlantik überhaupt
       darstellen?
       
       Mit dem Namen fängt es an: Faro, Føroyar, Färö, Fargo? Die Färöer sind ein
       Gewimmel von Eilanden zwischen Island und Südnorwegen, auch Schafsinseln
       genannt, da es dort mehr Wollträger gibt als Einwohner, die – nebenbei
       bemerkt – allesamt unter der dänischen Fuchtel stehen.
       
       Natürlich dominieren Schafe und Fische den Speisezettel, und dies in
       unterschiedlichsten Aggregatzuständen: „Ræstur“, also abgehangen, am
       Anfang der Gärung. „Skarpræstur“ – das heißt: scharf abgehangen sind Fisch
       oder Fleisch nach sechs bis neun Monaten Lagerhaft, nichts für
       zartbesaitete Mägen. Gegen diese Rezepte kann der Reisende aber
       Rechtsmittel einlegen, am besten in Salzlake.
       
       ## Öffentlich anpökeln
       
       Überhaupt pökeln sich die Einheimischen gern in aller Öffentlichkeit an.
       Bestellungen in den Restaurants von Tórshavn scheitern häufig daran, dass
       die Färinger ihre eigene Sprache nicht verstehen, nicht zuletzt wegen der
       ulkigen Buchstaben, weshalb sie manchmal auf Gebrauchsenglisch ausweichen
       müssen.
       
       Der stets niedrigen Temperaturen wegen bezeichnet man die Färinger auch
       als Tiefkühlbrasilianer, nicht zuletzt weil sie unverdrossen Gemüsearten
       im Freien anbauen: Hot Dog mit Rotkohl zählt zu den Nationalgerichten.
       
       Trotz ungünstiger Prognosen streben die Färöer den Austritt aus der
       Reichsgemeinschaft mit Dänemark an, weil sie es leid sind, von einer
       Kettenraucherin repräsentiert zu werden. Interessanterweise gehören sie
       trotz dänischer Kuratel nicht zur EU, könnten aber mit ihren alkoholischen
       Gepflogenheiten durchaus mithalten. Die trinkfeste Hauptstadt Tórshavn
       ist übrigens entstanden aus einer zufälligen Ansammlung von Treibholz.
       
       Natürlich eignen sich die langen Nächte im Winter zu ausufernden Gelagen,
       sommers behilft man sich mit Zechereien unter freiem Himmel. Nach
       erfolgreicher Pirsch schluckt der Jäger locker eine Flasche „Mouton
       Røðskild“ weg – Mouton heißt bekanntlich Schaf. Das Verdikt, den Verkauf
       harter Spirituosen – den beliebten Likör aus Schafswolle eingeschlossen –
       auf die staatlichen Filialen der „Rúsdrekkasøla Landsins“ zu beschränken,
       trifft vor allem die Bewohner der abgelegenen Inseln wie Skúvoy oder
       Suðuroy hart.
       
       ## Heiliger ohne Insel
       
       Am 29. Juli feiern sie ihren Nationalfeiertag, Ólavsøka, benannt nach dem
       Heiligen Olav von Norwegen, der fast tausend Jahre unter der Erde liegt und
       nachweislich keine der Inseln je betreten hat. Aber war George Washington
       je in Washington State? Na bitte.
       
       Nicht einmal eine Straße ist nach Olav benannt. Ólavsøka ist jedenfalls
       der wichtigste Tag des Jahres, die Straßen der Hauptstadt sind voll mit
       Menschen, mit vollen Menschen, sie feiern die Parlamentseröffnung, die
       Ruderwettbewerbe und ein gigantisches Volksfest mit 99-prozentiger
       Regengarantie, die freilich auch für alle anderen Tage auf den Färöer gilt
       – bis auf jene mit Schneefall.
       
       Rudern ist nach Fußball das große Ding, die meisten rudern mit den Armen,
       die wenigen Würdenträger natürlich mit den Reichen. Uns armen
       Nicht-Inselbewohnern bleibt bei so viel Fülle nordischen Lebens nur, den
       Färingern mit weithin sichtbar rudernden Armen „Góða ólavsøku“ zuzurufen!
       
       28 Jul 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas C. Breuer
       
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