# taz.de -- Mutierende Coronaviren: Varianten des Schreckens
       
       > Die Angst geht um, dass die nächste Coronavariante infektiöser ist als
       > die bereits existierenden. Über die Lambda-Mutante gibt es kaum Daten.
       
 (IMG) Bild: Impfärzte auf dem Weg zu einem abgelegenen Dorf in Peru
       
       Das griechische Alphabet hat 24 Buchstaben. Und je länger die Pandemie
       dauert, desto zweifelhafter erscheint, ob diese Zahl an Zeichen reichen
       wird, um allen Aufsehen erregenden Varianten von Sars-CoV-2 einen Namen zu
       geben. Immerhin ist man, während Alpha Geschichte ist und Delta sich noch
       zügig verbreitet, schon längst mit den nächsten Mutanten befasst.
       
       [1][Lambda zum Beispiel] wurde vor gut einem halben Jahr erstmals in Proben
       aus Peru entdeckt, die Variante breitete sich dort anschließend stark aus,
       weshalb sie schon als Delta-Nachfolger gehandelt wurde. Das Virus besitzt
       drei auffällige Mutationen im Stachelprotein, jenem Eiweiß, mit dem sich
       der Erreger an menschliche Zellen heftet, um in sie eindringen und sich
       vermehren zu können. Eine der veränderten Stellen wurde bisher bei keiner
       der anderen Variante gesehen, welche von Experten beobachtet werden.
       
       Was das bedeutet, ist trotz einiger Preprints, also vorab ins Netz
       gestellter, nicht begutachteter Studien, unklar. In Labortests wollen etwa
       [2][japanische Forscher] für Lambda zwar eine klar erhöhte Infektiosität
       und sogar eine Resistenz gegen Impfstoffe erkannt haben, allerdings geben
       die gemachten gentechnischen Experimente und Zellversuche keine so
       weitreichenden Schlüsse her, wie sie von den Autoren gezogen werden. Es
       bleibt abzuwarten, ob diese und zwei andere Arbeiten überhaupt ordentlich
       publiziert werden – oder wie viele andere der massenhaft online gestellten
       Preprints im Netz stecken bleiben.
       
       Lambda jedenfalls hatte in Peru wenig Konkurrenz. Wo sich dagegen die
       Deltavariante ausbreitet, taucht Lambda bislang nur sporadisch auf, so auch
       in Deutschland. Ähnliches gilt für die Variante Delta-plus, bei der es sich
       um Delta mit einer zusätzlichen Mutation handelt. Das Virus wurde im Juni
       schon als nächste Variante des Schreckens durch die Medien gejagt, konnte
       sich bislang aber nirgends durchsetzen.
       
       Das Mutantenkarussell dreht sich derweil jedoch zuverlässig weiter: Vor
       wenigen Tagen wurde aus Belgien bekannt, dass gleich [3][sieben Bewohner
       eines Altenheims starben,] nachdem sie und 14 weitere Menschen im Heim sich
       mit der noch nicht weiter benannten Variante B.1.621 infiziert hatten.
       
       ## Geschwächtes Immunsystem
       
       Alle sieben Verstorbenen waren vollständig geimpft gewesen, allerdings auch
       schwer vorerkrankt und hochbetagt. Gerade bei älteren Mitmenschen wirkt die
       Impfung wegen des im hohen Alter schwächeren Immunsystems oft nicht so gut
       wie bei jüngeren. Dennoch ist seit dem Zwischenfall wieder von Besorgnis
       die Rede.
       
       Das Virus war im Januar erstmals aus einer Probe aus Kolumbien isoliert
       worden und taucht beim [4][Robert Koch-Institut in der wöchentlichen
       Betrachtung (pdf-Datei)] der Varianten bislang nicht auf. Das Europäische
       Zentrum für Seuchenkontrolle [5][führt B.1.621 dagegen als Variant of
       Interest, also als dringend zu beobachten.] Die WHO stuft die Variante
       [6][wieder weniger besorgniserregend ein.] Die Uneinigkeit rührt vor allem
       daher, dass es bisher nur wenige tragfähige Erkenntnisse zum Charakter von
       B.1.621 gibt.
       
       Zwar besitzt das Virus gleich fünf nennenswerte Veränderungen im
       Stachelprotein, allerdings konnten aus dieser Information bisher nur
       Vermutungen über eine höhere Infektiosität und Effekte auf die Immunabwehr
       im Menschen abgeleitet werden. Alle fünf Mutationen sind aus früheren
       Varianten bereits bekannt, nur eben nicht in dieser speziellen Kombination.
       Auch die Zusammenstellung der Veränderungen ist für das ansteckende,
       krankmachende und immunitätsmodulierende Verhalten der Mutanten bisweilen
       bedeutsam.
       
       Dass B.1.621, anders als alle anderen Mutanten bisher, die Pandemie noch
       einmal zugunsten des Virus drehen könnte, muss aber wie bei den anderen
       Varianten bezweifelt werden. Einfache Immun-Escapes, die einzelne
       Antikörper der sehr komplex strukturierten Immunabwehr aus dem Verkehr
       ziehen, reichen für so ein Szenario nicht aus. Das würden einer aktuellen
       Untersuchung der Rockefeller University zufolge nicht einmal fünf gezielte
       Mutationen im Stachelprotein tun, im Vergleich zur oft [7][Wildtyp
       genannten Wuhanvariante.]
       
       Wie die Gruppe hochrangiger Forscher berichtet, abermals noch [8][in einem
       Preprint], ist die genetische Barriere sehr hoch, damit das Virus allein
       die erste Barriere einer Immunität gänzlich unterlaufen kann. Die
       sogenannte Antikörperantwort besteht aus einer Vielzahl verschiedener
       Immuneiweiße, die sich jeweils sehr spezifisch an Oberflächenmerkmale des
       Virus binden. Einige sind in der Lage, den Eindringling zu neutralisieren.
       Der Vorgang dient dem Abfangen von Erregern, die dem Körper durch vorherige
       Infektion oder Impfungen bekannt sind. Antikörper schützen also in erster
       Linie vor einer Infektion.
       
       20 gezielte Mutationen im Stachelprotein müsse Sars-CoV-2 in einer einzigen
       Variante anhäufen, um der Gesamtheit der Antikörper zu entwischen,
       schreiben die Wissenschaftler.
       
       Und selbst dann ist die Immunantwort noch nicht ausgeschaltet: T-Zellen,
       die für den Kampf gegen die Erkrankung zuständig sind, zielen wiederum auf
       andere Eigenschaften des Virus. In dieser zweiten Reihe der Verteidigung
       wurde bisher für keine der Varianten beobachtet, dass die Wirkung der
       Vakzine geschwächt wird. Der Schutz vor schwerer Erkrankung bleibt für alle
       Varianten bestehen, zumindest bei Menschen, deren Immunsystem durch die
       Impfung den nötigen Schutz aufbauen kann.
       
       Das ist, wie nicht nur der Fall in Belgien gezeigt hat, bei vielen
       Hochbetagten offenbar nicht zwingend die Regel. Die meisten Experten halten
       [9][Booster-Impfungen] für diese hochgefährdete Gruppe deshalb inzwischen
       für sinnvoll. In Deutschland hat die Regierung ein entsprechendes Angebot
       empfohlen, in Israel wird bereits aufgefrischt.
       
       Was die Zukunft des Mutantenkarussells betrifft, muss man vermutlich
       feststellen, was bislang schon zu erfahren war: Keine der Varianten ist in
       der Lage, sich den Maßnahmen zu entziehen. Solange nicht alle Erwachsenen
       weitgehende doppelt geimpft sind, bleiben Kontaktbeschränkungen und Hygiene
       das beste Mittel, die Pandemie zu stoppen. Man darf dabei nicht vergessen,
       dass Corona ein globales Ereignis ist, das weiterhin auch global zu
       bekämpfen ist.
       
       14 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Argentinien-in-der-Coronakrise/!5779914
 (DIR) [2] https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2021.07.28.454085v1.full
 (DIR) [3] https://www.tagesspiegel.de/wissen/alle-waren-vollstaendig-geimpft-sieben-tote-nach-ausbruch-von-kolumbien-variante-in-belgien/27492330.html
 (DIR) [4] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-08-05.pdf?__blob=publicationFile
 (DIR) [5] https://www.ecdc.europa.eu/en/covid-19/variants-concern
 (DIR) [6] https://www.who.int/en/activities/tracking-SARS-CoV-2-variants/
 (DIR) [7] /Deltavariante-in-China/!5786277
 (DIR) [8] https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2021.08.06.455491v1
 (DIR) [9] /Deltavariante-des-Coronavirus/!5782315
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kathrin Zinkant
       
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