# taz.de -- Hilfe für belarussische Zivilgesellschaft: Fördergelder stecken fest
       
       > Zugesagte Fördergelder für den deutsch-belarussischen Austausch fließen
       > nicht. Das Auswärtige Amt ist überfordert.
       
 (IMG) Bild: Außenminister Heiko Maas: Woran hapert es bei der Hilfe für Belarus?
       
       BERLIN taz | Seit Beginn der [1][Proteste im Zuge der belarussischen
       Präsidentschaftswahlen] im August vergangenen Jahres geht Machthaber
       Alexander Lukaschenko rigoros gegen Oppositionelle und Journalist:innen
       vor. Auch Akteur:innen der Zivilgesellschaft sind heftigen Angriffen
       ausgesetzt. Erst im Juli hat das Justizministerium [2][rund 50 NGOs
       verboten], darunter auch Menschenrechtsorganisationen. Recherchen der taz
       ergeben, dass in dieser dramatischen Situation auch zivilgesellschaftliche
       Projekte in Belarus vor dem Aus stehen, weil das Auswärtige Amt eigentlich
       zugesagte Fördergelder nicht endgültig bewilligt. Der Grund: Die zuständige
       Behörde ist überfordert.
       
       „Unser Projekt ist eines der wenigen noch möglichen, das unabhängige
       Menschenrechtsarbeit in Belarus vorsieht – oder besser: vorsähe. Wenn es
       denn finanziert würde“, erklärt Frank Brendle. Er ist Geschäftsführer vom
       Bildungswerk für Friedensarbeit. Die deutsche Organisation führt mit
       belarussischen Partnerorganisationen ein Projekt gegen die Diskriminierung
       von Rom:nja in Belarus durch.
       
       Geplant sind fünf Ausstellungen zum Genozid an Rom:nja während des Zweiten
       Weltkrieges. Außerdem: Seminare mit Vertreter:innen der
       Zivilgesellschaft und von Behörden, Lehrer:innen sowie Akteur:innen
       aus Deutschland. Es gehe darum, „allen Beteiligten die staatsbürgerlichen
       Rechte von Minderheiten zu vermitteln“, so Brendle.
       
       Doch das Projekt ist gefährdet. Noch immer wartet das Bildungswerk auf
       50.000 Euro. Dabei wurde das Geld durch das Auswärtige Amt eigentlich schon
       zugesagt – im Rahmen des Programms „Austausch mit der Zivilgesellschaft in
       den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland“ (ÖPR-Programm). „Am
       23. Juni wurde uns mitgeteilt, die inhaltliche Prüfung sei mit positivem
       Votum abgeschlossen“, sagt Brendle. Doch die endgültige Budgetbewilligung
       steht noch aus.
       
       ## Das Auswärtige Amt bittet erstmal um Verständnis
       
       Die hätte laut Brendle eigentlich schon im April oder Mai erfolgen sollen.
       „Wir haben nun einen Teil aus eigenen Mitteln vorgeschossen, können aber
       jetzt nicht weiter. Das Projekt muss wahrscheinlich abgebrochen werden“,
       meint er. Das hat Brendle auch dem Auswärtigen Amt mitgeteilt. Zumindest
       soll der Projektantrag jetzt prioritär behandelt werden. Am Donnerstag
       erhielt Brendle eine E-Mail mit Nachfragen zum Finanzierungsplan. Immerhin
       scheint nun etwas Bewegung in die Sache zu kommen.
       
       Denn lange Zeit passierte wenig: Der Grund für die Verzögerung sind
       Bürokratieprobleme im Auswärtigen Amt. Seit Anfang des Jahres wird dort das
       Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten aufgebaut. Das ist für die Prüfung
       und Bewilligung der Budgets im Rahmen der ÖPR-Projektförderung zuständig.
       Aber die neue Behörde, die dem Auswärtigen Amt untersteht, ist offenbar
       stark überfordert.
       
       In einer Mail an das Bildungswerk von Anfang Juni, aus der Brendle zitiert,
       erklärt das Auswärtige Amt: Man bitte um Verständnis für die
       Kolleg:innen beim Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten. „Der zu
       leistende Aufbau einer neuen Bundesbehörde und die parallele Übernahme der
       finalen Projektbearbeitung im ÖPR-Programm bringen leider Verzögerungen mit
       sich.“ Man bedaure die Situation und sei sich bewusst, dass die lange
       Überbrückung bis zum Erhalt des Förderbescheids nicht leicht sei und
       mitunter große Schwierigkeit mit sich bringe.
       
       Der Zeitpunkt für die Verzögerungen könnte kaum ungünstiger sein. Als die
       Regierung [3][im Juli belarussische NGOs dichtmachte], wurde auch eine
       Razzia bei einem Projektpartner des Bildungswerks, dem Belarussischen
       Helsinki-Komitee, durchgeführt. „Niemand war im Büro, die Sicherheitskräfte
       haben die Tür eingeschlagen“, schrieb die Menschenrechtsorganisation auf
       Twitter.
       
       ## Kein Einzelfall?
       
       Das Komitee appelliert nun an internationale Organisationen, öffentlich
       Stellung zu beziehen und die Zivilgesellschaft zu unterstützen. An die
       Projektförderung aus Deutschland glaube das Helsinki-Komitee aber nicht
       mehr, meint Brendle. „Unsere Partner halten sich mit Kommentaren sehr
       zurück, aber ich kann ihnen kaum glaubhaft machen, dass die Kooperation der
       deutschen mit der belarussischen Zivilgesellschaft höchste Priorität für
       das Auswärtige Amt hat.“
       
       Das Auswärtige Amt will den Fall des Bildungswerks auf taz-Nachfrage nicht
       kommentieren. Es lässt aber verlautbaren: „Die Stärkung der belarussischen
       Zivilgesellschaft ist ein zentrales Element der deutschen und europäischen
       Politik gegenüber Belarus, insbesondere angesichts der massiven Repression
       gegen die Zivilgesellschaft.“ Mit dem „Aktionsplan Zivilgesellschaft
       Belarus“ habe man seit Jahresbeginn 21 Millionen Euro zur Verfügung
       gestellt.
       
       Dieses Geld sei auch für die Projektförderung im Rahmen des ÖPR-Programms
       gedacht. Für 2021 seien 72 Projektanträge mit Partnerorganisationen aus
       Belarus gestellt worden. Bisher haben laut Auswärtigem Amt nur 24 einen
       endgültigen Förderbescheid erhalten.
       
       Ob bereits Fördermittel ausgezahlt wurden, wollte ein Pressesprecher nicht
       sagen. Auch nicht, welchen Bearbeitungsstatus die anderen 48 Projektanträge
       haben. Sie könnten – wie das Bildungswerk – ebenfalls von der Überforderung
       des neuen Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten betroffen sein.
       Gegenüber der taz bestätigte bisher ein anderes Projekt die Verzögerung der
       Mittelbewilligung im Rahmen des ÖPR-Programms. Brendle ist sich sicher,
       dass das Bildungswerk kein Einzelfall ist.
       
       13 Aug 2021
       
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