# taz.de -- Konjunktur nach Katastrophen: Kein Boom nach der Flut
       
       > Der Wiederaufbau nach den Überschwemmungen macht Milliardeninvestitionen
       > nötig. Eine Konjunkturschub ist dennoch nicht zu erwarten.
       
 (IMG) Bild: Wo viel kaputt geht und entsorgt werden muss, muss auch viel neu gebaut und angeschafft werden
       
       BERLIN taz | Autowerkstätten und Hersteller können sich zumindest
       theoretisch auf eine Sonderkonjunktur einstellen. [1][Grund ist die
       Flutkatastrophe]. Rund 40.000 Fahrzeuge wurden von den Wassermassen
       beschädigt oder zerstört. So meldet es der Gesamtverband der Deutschen
       Versicherungswirtschaft (GDV). Allein diese Schäden kosten die
       Versicherungen 200 Millionen Euro. Insgesamt geht der Verband von bis zu
       5,5 Milliarden Euro aus, die von der Branche zur Schadensregulierung
       aufgebracht werden müssen.
       
       Das ist längst nicht der gesamte Aufwand für die Bewältigung der
       Katastrophe, die vor allem Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, aber in
       geringerem Ausmaß auch Sachsen und Bayern getroffen hat. [2][Viele Schäden
       sind nicht versichert]. Private Haushalte müssen vom Wasser zerstörte Möbel
       oder Haushaltsgeräte ersetzen und vielfach auch Häuser reparieren oder
       Gärten neu anlegen. Handwerksbetriebe oder Fabriken können nicht mehr
       arbeiten.
       
       Individuell sind die finanziellen Folgen oft dramatisch.
       Volkswirtschaftlich könnte die Beseitigung der Schäden eine kleine
       Sonderkonjunktur auslösen, weil plötzlich Milliarden in die Wirtschaft
       gepumpt werden.
       
       Doch so üppig, wie sich der Konjunkturschub auf den ersten Blick darstellt,
       wird er nicht ausfallen. „Eine [3][Naturkatastrophe hat zwei Gesichter]“,
       erläutert der Ökonom Michael Grömling vom Kölner Institut der Deutschen
       Wirtschaft (IW). Regional entstehe zunächst ein Angebotsschock. Das heißt,
       Produktionsanlagen liegen still, Geschäfte sind geschlossen, es gibt für
       viele Arbeitnehmer kurzfristig keine Beschäftigung.
       
       ## Bremsen, beschleunigen, bremsen
       
       Auf der anderen Seite entstehe ein Nachfrageschub. Die Infrastruktur muss
       wiederhergestellt, langlebige Konsumgüter müssen ersetzt werden. „Das hat
       klar konjunkturelle Impulse“, sagt der Experte.
       
       Doch insgesamt sieht er mehr Effekte, die wiederum Bremsspuren
       hinterlassen. [4][Denn das Angebot hält mit der Nachfrage an vielen Stellen
       nicht mehr mit, etwa bei Bauleistungen]. Die Handwerksfirmen sind schon
       lange gut ausgelastet. Knappe Rohstoffe wie Holz sorgen für steigende
       Preise, aber nicht für wachsende Kapazitäten. So verpuffen die vielen
       Ausgaben, statt das Wachstum anzukurbeln.
       
       Das ist auch bei den privaten Konsumausgaben wenigstens teilweise der Fall.
       Die Hersteller von Haushaltsgeräten verzeichnen beispielsweise seit dem
       vergangenen Herbst einen kräftigen Nachfrageschub und kommen mit der
       Produktion auch ohne die Flutschäden kaum mehr hinterher. Lange Wartezeiten
       auf den neuen Kühlschrank oder Geschirrspüler gehören dazu. Hinsichtlich
       der Folgen der Flut für ihr Geschäft zeigen sich die Firmen ohnehin
       zugeknöpft. Niemand möchte gerne als Krisengewinner genannt werden.
       
       Die vielen Verlierer dagegen belasten die Wirtschaftsentwicklung ganz klar.
       Die Sparkassen sind ein anschauliches Beispiel dafür. 60 Zweigstellen
       mussten zunächst als Folge der Sturzfluten schließen. Mit rollenden
       Filialen konnten sie die Bargeldversorgung in einigen betroffenen Regionen
       sicher stellen. Zugleich aber stellten die Institute Beschäftigte für
       Hilfseinsätze ab. Mit Sonderkreditprogrammen helfen sie Flutbetroffenen,
       nach Angaben des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) überwiegend
       zinsfrei. Das alles kostet sie weit mehr, als es ihnen einbringt. Auch hier
       verpufft die Sonderkonjunktur also.
       
       29 Jul 2021
       
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