# taz.de -- Fällungen am Schlachtensee: Plötzliches Absterben
       
       > Trockene Sommer machen die Fällung alter Waldbäume notwendig, sagt die
       > Senatsumweltverwaltung. NaturschützerInnen sehen das anders.
       
 (IMG) Bild: Vertikal noch schöner: Bäume (Symbolbild)
       
       Die jüngste Fällaktion der Berliner Forsten am Zehlendorfer Schlachtensee
       wirft Fragen auf: Wird der Klimawandel den Wäldern der Stadt massive
       Baumverluste bescheren, gerade in den Bereichen, die besonders zur Erholung
       genutzt werden? Oder liegt es eher an der mangelhaften Ausstattung mit
       Personal und Mitteln, wenn alte und wertvolle Bäume fallen müssen?
       
       Der Aufschrei der Naturschutzverbände Nabu, BUND und BLN (Berliner
       Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz) war am Mittwoch nicht zu überhören:
       [1][„Das darf doch nicht wahr sein!“], kommentierte der Nabu in den
       sozialen Medien die Tatsache, dass am Ufer des Schlachtensees „etwa 100
       Bäume“ gefällt worden seien, „darunter viele alte Eichen – und das noch
       während der Brutzeit“. Wertvolle Habitate für lnsekten, Vögel und
       Fledermäuse seien verloren gegangen – „dabei hätte sich ein Großteil der
       Bäume trotz ihrer Schäden wohl noch regenerieren können“.
       
       Die Senatsumweltverwaltung bestätigt stellvertretend für die ihr
       untergeordneten Berliner Forsten, dass die Motorsäge in den vergangenen
       Wochen bei rund 70 Bäumen am Seeufer angesetzt wurde, darunter 28 Eichen.
       Laut Sprecher Jan Thomsen standen Letztere in Hanglage und stellten „eine
       Gefährdung von Passanten auf dem sehr beliebten Rundweg dar“. Es sei
       „Pflicht der Berliner Forsten, auch in Schutzgebieten und notfalls auch
       innerhalb der Vegetationsperioden Gefährdungen durch umsturzgefährdete
       Bäume zu beseitigen“. Das zentrale Stichwort lautet „Verkehrssicherung“.
       
       ## Pilzbefall und Astabwürfe
       
       Ergeben habe sich die Notwendigkeit der Fällungen als direkte Folge von
       drei Dürresommern hintereinander, so Thomsen: „Alte Eichen reagieren sehr
       stark auf Änderung der Bodenwasserbedingungen.“ Die Beeinträchtigungen
       reichten von erhöhter Anfälligkeit gegenüber Pilzbefall, besonders
       Wurzelfäule, über spontane Astabwürfe zur Reduktion der Verdunstungsmasse
       bis hin zum teilweise schnellen Absterben ganzer Bäume.
       
       Es habe schon „Schiefstände über dem Weg wegen Querrissen in den Stämmen“
       gegeben, die Anfang des Jahres entdeckt worden seien. Aufgrund der Pandemie
       habe man aber erst später handeln können. Bei den Arbeiten zwischen März
       auf Juni seien dann weitere absterbende Bäume aufgefallen.
       
       Dass es diese klimabedingten Schäden gibt, bestreiten die
       NaturschützerInnen nicht, sie bezweifeln jedoch, dass Fällen den einzigen
       Ausweg darstellt: Dann müssten in Berlin „Abertausende Bäume abgeholzt
       werden“, schlägt der Nabu Alarm. Auch Manfred Krauß, ehrenamtlicher
       BUND-Mitarbeiter und Stadtnaturexperte, hält die Fällungen für unnötig und
       falsch: „Die Eichen waren nicht tot“, sagt er zur taz. Sie hätten zwar eine
       Wipfeltrocknis“ aufgewiesen, „aber die Bäume können sich immer noch
       regenerieren. Sie zu fällen ist Selbstmord aus Angst vor dem Tod.“
       
       Krauß zufolge sollen die Berliner Forsten Verbandsmitgliedern mitgeteilt
       haben, sie hätten für einen Teilbeschnitt weder ausreichend Personal noch
       die entsprechenden Gerätschaften, vor allem sogenannte Hubsteiger, von
       denen aus einzelne Äste beschnitten werden können. Jan Thomsen von der
       Senatsverwaltung hält dagegen: „Nach Einschätzung des für die
       Verkehrssicherung verantwortlichen Revierförsters und der Forstamtsleitung
       waren die genannten Bäume für niedrigschwellige Maßnahmen ungeeignet.“
       
       Es habe eine akute Gefahrenlage vorgelegen, und wegen „mangelnder sicherer
       Aufstandsflächen für Hubsteiger und der schwierigen Eigensicherung von
       Baumkletterern“ sei bei den betroffenen Bäumen nur eine Fällung infrage
       gekommen.
       
       ## Seewasser als Ausweg?
       
       Aber war die Problematik nach den Dürresommern nicht vorhersehbar? Hätte
       man ihr nicht sogar vorbeugen können, etwa durch Beregnung mit Wasser aus
       dem See? Letzteres wäre laut Thomsen kaum umsetzbar gewesen: Da der
       Schlachtensee im Gegensatz zu den Bäumen am Hang zum Naturschutzgebiet
       (FFH) Grunewald gehört, wäre eine Verträglichkeitsprüfung notwendig
       geworden.
       
       „Ob eine solche Seewasserentnahme – abgesehen vom Aufwand – überhaupt
       genehmigungsfähig gewesen wäre, ist unklar“, so Thomsen, „ein Biotop am
       ‚Tropf‘ wäre auf Dauer aber ohnehin keine Lösung.“ Im Übrigen habe man den
       „schnellen Schadfortschritt“ an manchen Bäumen noch Anfang des Jahres nicht
       vorhersehen können.
       
       Wie es nun weitergeht, ob es zu massenhaften Fällungen in den Forsten
       kommt, wie die NaturschützerInnen fürchten, ist offen. Laut
       Umweltverwaltungs-Sprecher Thomsen ist die Zahl weiterer Fälle „nicht
       abzuschätzen, eine deutliche Zunahme aber absehbar“. Gegenstrategien seien
       „alle klimaschützenden und -stabilisierenden Maßnahmen, im Wald selbst
       insbesondere das seit mehr als zehn Jahren laufende Mischwaldprogramm“.
       Allerdings: Beim Wald rund um den Schlachtensee handelt es sich bereits um
       Mischwald.
       
       Die Verbände haben ihre Kritik auch in einem Schreiben an Regine Günter und
       Umwelt-Staatssekretär Stefan Tidow gerichtet. Sie hoffen, mit ihrer
       Expertise künftig stärker in solchen Fällen einbezogen zu werden. Die
       Senatsverwaltung hat auch bereits angekündigt, dass es bald wieder wie
       schon früher einen „Runden Tisch Wald“ als Austauschmöglichkeit zwischen
       den Naturschutzverbänden und den Berliner Forsten geben werde.
       
       Dann hätten die UmweltschützerInnen wohl auch Gelegenheit, einmal Gunnar
       Heyne zu begegnen, der schon seit Januar die Forsten leitet. „Wir kennen
       ihn nicht“, sagt Manfred Krauß, „er hat sich uns noch nicht vorgestellt.“
       
       29 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
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