# taz.de -- Die Wahrheit: Döppen mit Pferdchenprüfung
       
       > In Coronazeiten ist der morgendliche Besuch des Schwimmbads ein
       > Rettungsring gegen die Rettungsringe am gewichtigen Körper.
       
       Nächste Woche schließt das Sommerbad. Eine Katastrophe. Ich schwimme
       wöchentlich mindestens dreimal 1.000 Meter. Das ist die einzige
       Möglichkeit, mich einigermaßen lustvoll ernähren zu können, ohne dass es zu
       einem Aufschrei meiner Waage kommt. Wie soll ich durch den Winter kommen,
       ohne Schwimmen zu gehen?
       
       Ich habe als Antwort auf Corona seit 2020 eine Jahreskarte und mir vor
       allem aufgrund meines schlechten Stils mindestens zehn Kilo von den Hüften
       geschwommen. In Summe mit allen zwischenzeitlichen Gewichtswiederanstiegen
       waren es sicherlich an die 100 Kilo, die kamen und gingen.
       
       Außerdem habe ich Unmenschliches geschafft. Ich habe auf alle Erzeugnisse
       der Firma Haribo verzichtet, besonders auf Goldbären. Mit etwa sechs Jahren
       wurde ich hochgradig abhängig von diesem Stoff, und gäbe es Weingummi
       flüssig, ich hinge seit Jahrzehnten an der Nadel! Dieser Verzicht ist
       schwerer, als die Disziplin aufzubringen, morgens um sechs ins Schwimmbad
       zu fahren.
       
       Dort gehöre ich zu den Frühschwimmern, zwischen sechs und acht Uhr. Eine
       Zeit, zu der ich früher ins Bett ging, nun aber regelmäßig wach werde und
       meistens fragt dann schon eine SMS meiner Nachbarin, ob ich mitkäme. Eine
       echte Motivatorin.
       
       In meiner Jugend, in der es noch nicht einmal das berühmte Schwimmabzeichen
       „Seepferdchen“ gab, war ich eher am „Döppen“ interessiert. Das alte Spiel:
       Wir Jungs versuchten, Mädchen unterzutauchen, vornehmlich jene, in die wir
       verliebt waren. Eine so unbeholfene wie aufrichtige Liebeserklärung, die
       immerhin einen ersten Körperkontakt ermöglichte.
       
       Meine Nachbarin ist inzwischen „Mitglied“ einer Frühgruppe, mit einer
       weiteren Dame und zwei Herren. „Das vierblättrige Chlorblatt“, wie ich sie
       insgeheim nenne, dreht täglich seine Runden im Wasser. Ich schaffe
       höchstens die halbe Frequenz, darf mich aber als fünftes Blatt dazu zählen.
       Neulich erzählte ich ihnen von meinem fehlenden Seepferdchen. Sie lachten
       herzlich.
       
       Als ich aber ein paar Tage später das Schwimmbad betrat, erwarteten mich
       die vier gemeinsam mit der Schwimmmeisterin: „Bernd, da du noch keine
       Seepferdchen-Prüfung gemacht hast – heute ist der Tag!“ Dann musste ich
       unter strengen Augen vom Rand ins Becken springen, 25 Meter schwimmen, ohne
       mich zwischendurch festzuhalten, und einen Ring aus „schultertiefem Wasser“
       ertauchen. Danach stellte mir die Schwimmmeisterin die Urkunde aus, auf der
       es offiziell heißt: „Zeugnis für Frühschwimmer“. Dann schenkte mir das
       vierblättrige Chlorblatt eine Badehose mit aufgenähtem
       Seepferdchen-Abzeichen, in der ich seither stolz und zertifiziert das
       Becken durchpflüge.
       
       Schon Konfusion, der große ostwestfälische Weise sagte: „Die wichtigen
       Dinge im Leben müssen nicht sofort getan werden. Hauptsache, man macht sie
       irgendwann.“
       
       15 Sep 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Gieseking
       
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