# taz.de -- Sicherheitscheck am Flughafen Hannover: Warten, bis das Flugzeug weg ist
       
       > Am Flughafen Hannover sorgen Verzögerungen beim Sicherheitscheck für
       > Unmut. Die Bundespolizei hat die Aufgabe einem privaten Dienstleister
       > übertragen.
       
 (IMG) Bild: In der Kritik: Der Sicherheitscheck der Firma Securitas. Hier ein Mitarbeiter am Flughafen Tegel
       
       GÖTTINGEN taz | Was auf der Internetseite des Flughafens Hannover
       zurückhaltend als „Verzögerungen“ und „längere Wartezeiten“ umschrieben
       wird, beschreiben Reisende als „chaotisch“ und „schrecklich“: Seit Beginn
       der Sommerferien hagelt es Beschwerden über stundenlanges Schlangestehen an
       den Sicherheitskontrollen und, als Folge, verspätete oder sogar verpasste
       Flüge. In der Nacht zum vergangenen Samstag musste die Polizei eingreifen,
       weil genervte Passagiere in der Warteschlange aneinandergeraten waren.
       
       Medienberichten zufolge waren zunächst vor allem Nachtflüge etwa nach
       Mallorca oder in die Türkei betroffen. Inzwischen häufen sich Frust und
       Klagen aber auch bei Tagesflügen. „Trotz langer Schlangen war nur ein Band
       bei den Sicherheitskontrollen geöffnet“, [1][berichtete ein Leser der
       Hannoverschen Allgemeinen Zeitung] über seine Erfahrungen bei einem Flug
       nach Paris am Montag vergangener Woche. „Und es ist absurd: Es werden immer
       die vorgelassen, deren Flugzeug gerade weg ist, sodass diejenigen weiter
       warten, deren Flugzeug gleich abhebt.“
       
       Grund für die Verzögerungen und Verspätungen ist ein dramatischer
       Personalmangel. Eigentlich ist der Sicherheitscheck von Fluggästen und
       ihrem Gepäck eine hoheitliche Aufgabe, also Sache des Bundes. Weil es
       billiger ist, hat die Bundespolizei die Arbeit jedoch an den meisten
       deutschen Flughäfen an private Dienstleister delegiert. In
       Hannover-Langenhagen, der zu den größten deutschen Verkehrsflughäfen zählt,
       übernimmt das seit gut einem Jahr die Firma Securitas.
       
       Während der Pandemie, als die meisten Flugzeuge am Boden blieben, sprangen
       bei diesen Unternehmen zahlreiche Mitarbeiter ab und suchten sich andere
       Jobs. Die Ausbildung von neuem Personal wiederum dauert Monate, weil
       spezielle Sicherheitszertifikate benötigt werden.
       
       „Securitas ist wie alle anderen am Abfertigungsprozess am Flughafen
       Hannover-Langenhagen Beteiligten mit der aktuellen Situation nicht
       zufrieden“, sagte Unternehmenssprecher Sebastian Schwarzenberger am
       Dienstag der taz. Als wichtigste Ursache für die derzeitige Situation nennt
       er, dass der Flughafenbetrieb wegen der Coronapandemie für längere Zeit
       heruntergefahren war. So habe es im August 2021 es ein 25-fach höheres
       Passagieraufkommen gegeben als im Februar 2021.
       
       Zudem, sagt Schwarzenberger, verlangsamten die pandemiebedingten
       Vorschriften die Prozesse beim Sicherheitscheck. Die Fluggäste träfe aber
       ebenfalls eine Mitschuld. Vielen Reisenden seien die Regularien und
       gesetzlichen Vorgaben offensichtlich nicht oder nicht mehr bekannt. Bei den
       Handgepäckkontrollen hätten viele Menschen mehr Flüssigkeit dabei als
       erlaubt, schreibt etwa die Bundespolizei. Auch das führe wegen der
       Nachkontrollen zu Verzögerungen.
       
       Eine kurzfristige Aufstockung des Kontrollpersonals in der notwendigen Höhe
       sei aufgrund der langwierigen Ausbildung nur begrenzt möglich, so
       Schwarzenberger. Nichtsdestotrotz habe Securitas bereits „zahlreiche
       Maßnahmen“ getroffen.
       
       Auf taz-Anfrage schreibt ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Hannover,
       die Bundespolizei erwarte „von dem beauftragten Sicherheitsdienstleister
       eine umfassende Einhaltung aller vertraglichen Grundlagen“. Die
       Coronapandemie habe aber „in nahezu allen Branchen zu
       arbeitsmarkttechnischen Verwerfungen geführt“. Eine Folge der Kurzarbeit
       sei der nun feststellbare Fachkräftemangel, auch im Sicherheitssektor.
       
       Die Gewerkschaft Ver.di will Securitas nicht so billig davonkommen lassen.
       Securitas trage „eine wesentliche Mitverantwortung“ an dieser Situation,
       sagt Lars Kalkbrenner, bei Ver.di zuständig für die private
       Flughafensicherheit am Flughafen Hannover. Seit der Auftragsübernahme im
       vergangenen Jahr klagten Beschäftigte über mangelhafte Planbarkeit der
       eigenen Tätigkeit. Es habe mehrere Berichte über Verstöße gegen das
       Arbeitszeitgesetz, nicht eingehaltene Pausenzeiten, enorm lange Pausenwege
       und überlange Schichtzeiten gegeben.
       
       ## Schwindel und Kopfschmerzen
       
       „Zwischenzeitlich wussten Beschäftigte heute nicht, ob und wie sie morgen
       arbeiten mussten“, so Kalkbrenner. Schichtpläne seien ohne die gesetzlich
       vorgeschriebene Einbeziehung des gewählten Betriebsrats veröffentlicht
       worden. Hinzu komme, dass bis heute Empfehlungen der Berufsgenossenschaft
       zur Trage- und Erholungszeit bei der Arbeit mit Mund-Nase-Bedeckungen
       keinerlei Beachtung fänden. Beschäftigte klagten über Schwindelgefühle und
       Kopfschmerzen.
       
       Kalkbrenner zufolge umgeht und ignoriert Securitas häufig auch die
       betriebliche Interessenvertretung. Vom Betriebsverfassungsgesetz
       vorgesehene Freistellungsmöglichkeiten würden infrage gestellt, Mitgliedern
       des Gremiums öffentlich mit Kündigung gedroht und einige
       Betriebsvereinbarungen wiederholt missachtet.
       
       ## Probleme auch an anderen Flughäfen
       
       „Die Missachtung arbeitsrechtlicher Vorgaben geschieht mit einer solchen
       Systematik, dass man nahezu von Vorsatz ausgehen muss“, betont Kalkbrenner.
       „Solche Methoden kennen wir aus dem ‚Union Busting‘, also der gezielten,
       professionalisierten Bekämpfung von Mitbestimmungsstrukturen und
       Gewerkschaften.“
       
       Auch an den Flughäfen Stuttgart sowie Köln/Bonn sei Securitas ähnlich
       negativ aufgefallen. Vor diesem Hintergrund sei kaum verwunderlich, dass
       dringend benötigtes Sicherheitspersonal am Flughafen weiterhin schwer zu
       finden sei. „Dass dieser Laden überhaupt noch läuft, liegt an der enormen
       Leidensfähigkeit der verbliebenen Belegschaft“, zitiert Ver.di einen
       Securitas-Mitarbeiter.
       
       Bevor spätestens ab Frühjahr wieder ausreichend Sicherheitspersonal im
       Einsatz sein soll, werden nun eifrig Übergangslösungen gesucht. Am Freitag
       tagte dazu erstmals eine Taskforce mit allen Beteiligten. Als Möglichkeit
       zeichnet sich ab, dass Aushilfen in einer Art Vorkontrolle eingesetzt
       werden. Die Reisenden könnten zum Beispiel schon vor der
       Sicherheitskontrolle auf Flüssigkeiten in ihrem Gepäck angesprochen werden.
       
       29 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Wartezeit-am-Hannover-Airport-Bundespolizei-nennt-Zustand-am-Check-in-inakzeptabel
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
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