# taz.de -- Öffentlicher Dienst der Länder: Hoffnung auf 5 Prozent mehr
       
       > Die Tarifverhandlungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Länder
       > starten. Noch liegen Gewerkschaften und Arbeitgeber weit auseinander.
       
 (IMG) Bild: Können auf mehr Lohn hoffen: Polizeianwärterinnen in Sachsen-Anhalt bei der Vereidigung 2021
       
       BERLIN taz | An diesem Freitag starten die Verhandlungen für den
       öffentlichen Dienst. Noch ist unklar, wer schneller verhandeln wird: Die
       SPD mit Grünen und FDP über die nächste Bundesregierung oder die
       Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und der Deutsche Beamtenbund (DBB) mit
       der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über ihren neuen Tarifvertrag.
       Auf jeden Fall ist nicht davon auszugehen, dass es schon in ersten
       Verhandlungsrunde zu einer Annäherung der Positionen kommen wird.
       
       Unmittelbar betroffen von den Verhandlungen sind die 1,1 Millionen
       Tarifbeschäftigten der Länder mit Ausnahme von Hessen, das 2004 aus der TdL
       ausgetreten ist und seitdem in Eigenregie verhandelt. Hinzu kommen noch
       knapp 1,4 Millionen Beamt:innen sowie eine Millionen
       Versorgungsempfänger:innen, also Pensionäre, auf die das Tarifergebnis
       üblicherweise übertragen wird.
       
       Verdi und DBB fordern eine Entgelterhöhung von 5 Prozent, mindestens jedoch
       150 Euro monatlich mehr. Für Auszubildende, Studierende und
       Praktikant:innen fordern die Gewerkschaften 100 Euro mehr. „Angesichts
       einer steigenden Inflation geht es um den Erhalt von Kaufkraft für alle
       Beschäftigten der Länder“, begründet das [1][Ver.di-Chef Vorsitzende Frank
       Werneke]. Die Löhne für Beschäftigte im Gesundheitswesen sollen um 300 Euro
       angehoben werden. Es müsse „jetzt endlich honoriert werden“, dass sie „mit
       maximalem Einsatz gegen die Corona-Pandemie gekämpft“ hätten, so Werneke.
       
       Die TdL bietet wie üblich erstmal nichts. Den eingefahrenen Ritualen der
       Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst entsprechend, dürfte sie ihr
       erstes Angebot erst ein paar Tage vor der dritten Verhandlungsrunde Ende
       November präsentieren. Die Forderungen der Gewerkschaften bezeichnet der
       TdL-Verhandlungsführer und niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers
       (CDU) als „illusorisch“. Angesichts der großen Löcher, für die Corona in
       den Landeskassen gesorgt habe, gäbe es nur „wenig Spielraum für
       Gehaltssteigerungen“.
       
       ## Arbeitgeber: Kein Angebot, aber eigene Forderung
       
       Keine Frage: Es geht um viel Geld. Ein Lohnerhöhung von einem Prozent
       bedeutet Mehrkosten für die Länder von rund 1,37 Milliarden Euro im Jahr, 5
       Prozent kosteten also 6,85 Milliarden Euro. Hinzu käme, dass durch die
       geforderten Mindestbeträge schlechter bezahlte Beschäftigte eine deutlich
       höhere prozentuale Lohnsteigerung erhalten würden. So würde sich das Gehalt
       einer Schleusenwärterin um bis zu 6,25 Prozent erhöhen, das eines
       Pflegehelfers um bis zu 12,8 Prozent. Das ergäbe summiert Mehrkosten für
       die Länder von jährlich 7,5 Milliarden Euro.
       
       Auf der anderen Seite steht allerdings, dass die Länder nach den
       Coronaausfällen vom Vorjahr jetzt wieder mit spürbar höheren
       Steuereinnahmen rechnen können, laut Steuerschätzung sollen sie bis 2025 um
       jährlich 2,8 Prozent steigen.
       
       Soweit die grundsätzliche Ausgangslage, die trotz allen Säbelrasselns
       eigentlich nicht nach einem längeren Arbeitskampf aussieht, der über ein
       paar Warnstreiks hinausgeht. Aber es gibt einen Haken: Verkompliziert
       werden die Tarifverhandlungen diesmal allerdings dadurch, dass die
       Arbeitgeberseite zwar nicht mit einem Angebot, aber dafür mit einer
       Forderung in die Gespräche geht: Mit Nachdruck verlangt sie von den
       Gewerkschaften, dass sie sich bereit erklären, per Tarifvertrag ein Urteil
       des Bundesarbeitsgerichts zum „Arbeitsvorgang“ auszuhebeln.
       
       Dabei geht es um die Frage, welchen Stellenwert bestimmte Tätigkeiten für
       die Eingruppierung von Beschäftigten haben. Was nach einem drögen
       Verwaltungsdetail klingt, sorgt konkret gerade für mächtigen Ärger im
       Justizbereich. Denn dort erstreckt sich mittlerweile die Arbeit von
       Justizfachangestellten über ein breites Feld von eher anspruchslosen bis zu
       komplexeren Tätigkeiten, also von Sortierarbeiten in der Poststelle bis zur
       finalen Bearbeitung einer Akte.
       
       ## Umstrittene Neubewertung des „Arbeitsvorgangs“
       
       Im Fall einer Berliner Justizfachangestellten hat nun unlängst [2][das
       Bundesarbeitsgericht entschieden], dass entgegen der bisherigen Praxis eine
       höhere Eingruppierung zu erfolgen hat, wenn die Arbeit neben mehrheitlich
       einfachen auch schwierigere Tätigkeiten „in rechtserheblichem Ausmaß“
       beinhaltet, wofür bereits ein Anteil von 15 Prozent ausreichend sein kann.
       Für die Länder droht diese gerichtliche Bewertung des Arbeitsvorgangs teuer
       zu werden, sehen sie sich doch inzwischen mit Tausenden solcher
       Eingruppierungsklagen konfrontiert.
       
       Deswegen haben die Länder einerseits Verfassungsbeschwerde gegen das
       Karlsruher Urteil eingelegt, versuchen jedoch andererseits auf dem
       Verhandlungswege eine Kostenreduzierung zu erreichen. „Wir wollen niemandem
       etwas wegnehmen, sondern nur den Konsens wiederherstellen, den es bei der
       Bewertung des Arbeitsvorgangs lange gab“, versicherte der
       TdL-Verhandlungsführer Reinhold Hilbers gegenüber dem Handelsblatt.
       
       Doch genau daran hat die Gewerkschaftsseite erhebliche Zweifel. Sie zeigt
       sich zwar gesprächsbereit, eine gemeinsame Lösung für das konkrete Problem
       im Justizbereich zu finden, lehnt aber eine generelle Vereinbarung für den
       gesamten öffentlichen Dienst strikt ab, wie es die Länder fordern. Denn das
       könnte zu einer generellen Neubewertung des Arbeitsvorgangs führen.
       
       Die Folgen könnten Herabgruppierungen von vielen Beschäftigten sein, die
       dann weniger verdienen würden als heute, befürchtet das für den
       öffentlichen Dienst zuständige Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle.
       „Das werden wir natürlich nicht zulassen“, gibt sich Behle kämpferisch und
       spricht von einem „ganz dicken Konflikt“. Verdi könne hier „überhaupt nicht
       nachgeben“.
       
       8 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Verdi-Bundeskongress-in-Leipzig/!5626392
 (DIR) [2] https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/4-azr-195-20/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
       
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