# taz.de -- Neue EU-Gesundheitsbehörde Hera: Eine wackelige Konstruktion
       
       > Eine neue EU-Behörde soll Gesundheitspolitik direkt bei der EU-Kommission
       > ansiedeln. Dabei sind dafür die Mitgliedsländer zuständig.
       
 (IMG) Bild: Die EU plant eine neue Behörde, um im Pandemiefall eingreifen zu können
       
       BRÜSSEL taz | Die EU-Kommission greift nach mehr Macht in der
       Gesundheitspolitik. Nachdem die Brüsseler Behörde 2020 [1][den Start der
       Coronakrise verschlafen hatte], will sie nun mit einer neuen Einrichtung
       namens Hera gegensteuern. Die „Health Emergency Preparedness and Response
       Authority“ soll Pandemien und andere Gesundheitsgefahren frühzeitig
       erkennen und für die flächendeckende Versorgung mit Masken, Schutzkleidung
       und Medikamenten sorgen.
       
       Als Vorbild gilt die US-amerikanische Barda, die auf Bioterrorismus und
       andere medizinische Bedrohungen spezialisiert ist. Hera werde über ähnliche
       Finanzmittel verfügen und eng mit der Industrie zusammenarbeiten, erklärte
       EU-Binnenmarktkommissar [2][Thierry Breton]. Künftig werde man keine
       Krisenstäbe mehr einrichten und bei der Industrie um Hilfe betteln müssen,
       wenn eine Pandemie droht. Breton hatte 2020 den Krisenstab geleitet.
       
       Allerdings stehen Struktur und Finanzierung auf wackligen Füßen. Die neue
       Behörde mit dem göttlichen Namen soll in der EU-Kommission angesiedelt und
       keine eigenständige Agentur werden. Damit verschafft sich die Kommission
       unter Leitung der studierten Medizinerin Ursula von der Leyen neue
       Kompetenzen, die ihr laut EU-Vertrag überhaupt nicht zustehen –
       Gesundheitspolitik ist Ländersache. Zudem wäre das Europaparlament außen
       vor.
       
       Nach Angaben von Kommissionsvize Margaritis Schinas soll Hera bis 2027 über
       bis zu 50 Milliarden Euro verfügen. Sie wäre damit eine der
       bestfinanzierten EU-Behörden. Allerdings beträgt das Jahresbudget nur eine
       Milliarde Euro. Dazu sollen noch 24 Milliarden Euro aus „verwandten“
       EU-Programmen abgezweigt werden. Außerdem rechnet Schinas noch großzügig
       nationale Gesundheitsprogramme mit, die er mit 20 Milliarden Euro
       veranschlagt.
       
       Trotz dieser wackligen Konstruktion soll Hera das Recht erhalten, den
       Gesundheitsnotstand auszurufen und Geld aus dem EU-Budget anzuzapfen. Bis
       2022 werde die Behörde „mindestens drei Gesundheitsgefahren mit potenziell
       weitreichenden Folgen ermitteln“, so die EU-Kommission. Dabei soll sie eng
       mit der Wirtschaft zusammenarbeiten und die industriellen Kapazitäten
       stärken. Von Unabhängigkeit und Transparenz ist keine Rede.
       
       Gestützt wird der Vorstoß von den Konservativen im Europaparlament. Sie
       sehen Hera als Baustein für eine neue „Gesundheitsunion“. Kritik kommt
       dagegen von der SPD. Die EU-Kommission beteilige die Industrie stärker als
       die Bürger, moniert der Europaabgeordnete Tiemo Wölken.
       
       16 Sep 2021
       
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