# taz.de -- Algerischer Ex-Präsident: Abdelaziz Bouteflika ist tot
       
       > Der einstige Unabhängigkeitskämpfer regierte Algerien 20 Jahre, bis ihn
       > eine Massenbewegung zum Rücktritt zwang. Nun ist er 84-jährig verstorben.
       
 (IMG) Bild: Der schon damals schwer kranke Abdelaziz Bouteflika im Mai 2017
       
       MADRID taz | Mit Präsident Abdelaziz Bouteflika starb am Freitag einer der
       letzten bekannten Politiker des algerischen Unabhängigkeitskrieges gegen
       Frankreich. Bouteflika war bis zum 1. April 2019 Staatschef und hatte
       insgesamt 20 Jahre regiert. Er starb im Alter von 84 Jahren, eine
       Todesursache wurde nicht genannt.
       
       Der verstorbene Bouteflika hinterlässt ein weitgehend befriedetes Land. Als
       er 1999 erstmals zu den Wahlen antrat, versprach er die „nationale
       Aussöhnung“. Die bewaffneten Untergrundgruppen der „Islamischen Heilsfront“
       (FIS) legten die Waffen nieder und wurden amnestiert. Hunderte von noch
       radikaleren Kämpfern taten es ihnen gleich. Auch wenn Algeriens Armee und
       Gendarmerie vor allem im Süden des Landes weiterhin gegen Anhänger
       al-Qaidas und jetzt auch des „Islamischen Staates“ kämpfen, hat der Staat
       in weiten Landesteilen die Oberhand.
       
       Doch die Reformen des Systems, von denen Bouteflika immer wieder sprach,
       blieben aus. Stattdessen ließ er die Verfassung ändern, um nach zwei
       jeweils fünfjährigen Amtszeiten weiter regieren zu können. Auch eine
       schwere Operation 2005 – vermutlich ein blutendes Geschwür im Magen – und
       ein Schlaganfall im Jahr 2013 hinderten ihn nicht daran, zu einer dritten
       und dann gar einer vierten Amtszeit zu kandidieren und mit der
       Unterstützung des Machtapparates die Wahlen zu gewinnen.
       
       Doch die Ankündigung, für eine fünfte Amtsperiode anzutreten, brachte das
       Fass zum Überlaufen. Es entstand eine friedliche Massenbewegung, die
       Bouteflika zum Rücktritt am 1. April 2019 zwang. Ernsthafte Reformen lassen
       allerdings auch unter [1][seinem Nachfolger Abdelmadjid Tebboune] auf sich
       warten.
       
       Der über Jahre schwer kranke Präsident saß im Rollstuhl und galt den Clans
       im Hintergrund als Garant für ein schwieriges Gleichgewicht. Bouteflika
       versetzte mehrere mächtige Militärs in den Ruhestand und sicherte sich über
       die Jahre seine eigene Hausmacht. In seinem Schatten entstand ein neuer
       Clan, der in den Jahren seiner Krankheit von seinem knapp 21 Jahre jüngeren
       Bruder und Berater im Präsidentialamt Said kontrolliert wurde.
       
       ## Die richtigen Fäden der Macht
       
       Geboren am 2. März 1937 im marokkanischen Grenzort Oujda, schloss sich
       Bouteflika im Alter von nur 20 Jahren den Rebellen im Kampf gegen die
       französische Kolonialmacht an.
       
       Zuerst kämpfte er in Westalgerien, dann an der Front zum Nachbarstaat Mali,
       wo er unter dem Namen „Si Abdelkader el-Mali“ bekannt wurde. Gegen Ende des
       Krieges weilte er in geheimer Mission in Frankreich und organisierte dort
       die Kontakte zu inhaftierten Unabhängigkeitskämpfern. Nach dem
       Waffenstillstand und der Unabhängigkeit wurde Bouteflika im Alter von 25
       Jahren Tourismus-, Sport- und Jugendminister unter dem neuen Präsidenten
       Ahmed Ben Bella. Ein Jahr später wurde Bouteflika Außenminister.
       
       Er verstand es sein Leben lang, an den richtigen Fäden der Macht zu ziehen.
       Erstmals bewies Bouteflika das 1965. Als der übermächtige Apparat der
       einstigen Exilführer in der „Nationalen Befreiungsfront“ (FLN) unter Houari
       Boumedienne Präsident Ben Bella unblutig wegputschte, war Bouteflika auf
       der richtigen Seite.
       
       ## Schlaghose, Lackschuhe und Sonnenbrille
       
       Er organisierte den Staatsstreich von innen heraus und gehörte dadurch auch
       der neuen Regierung unter Boumedienne erneut als Außenminister an.
       Bouteflika war ein Kind seiner Zeit: Schlaghosen, Lackschuhe und
       Sonnenbrille galten als seine Markenzeichen. Er sollte zu einem der
       wichtigsten Sprecher der Blockfreien Bewegung werden. Als
       „Dandy-Diplomaten“ bezeichneten seine Kollegen auf der internationalen
       Bühne den jungen Minister.
       
       Drei Anläufe hat der ehrgeizige Bouteflika gebraucht, um Präsident
       Algeriens zu werden. Als sein politischer Ziehvater Präsident Boumedienne
       1979 überraschend starb, griff er erstmals nach der Macht im erdölreichen
       Algerien und scheiterte, weil die Armee Chadli Bendjedid unterstützte.
       Unter Bendjedid geriet das Einparteiensystem in die Krise, andere Parteien
       wurden zugelassen. Wegen eines Korruptionsskandals ging Bouteflika 1981 ins
       Exil.
       
       Als die FIS zuerst die Kommunalwahlen und dann den ersten Durchgang der
       Parlamentswahlen gewann, putschte die Armee Anfang 1992. Die islamistische
       FIS wurde verboten, Bendjedid musste gehen und und die Generäle trugen
       Bouteflika 1994 das Amt an der Staatsspitze an. Doch er lehnte ab und
       beobachtete vom Ausland aus, wie sein Land unter dem neuen Präsidenten,
       General Liamine Zéroual, in einen blutigen Konflikt abglitt, bei dem etwa
       200.000 Menschen starben.
       
       1999 war es dann soweit. General Zéroual trat ab und setzte die ersten
       „pluralistischen Präsidentschaftswahlen“ an. Als Bouteflika gewählt wurde,
       war er dennoch alleine, weil sich die sechs anderen Kandidaten im Block
       zurückgezogen hatten. Armee, die ehemalige Einheitspartei FLN und der
       Staatsapparat hätten sich bereits im Vorfeld abgesprochen, um Bouteflika
       den Weg an die Macht zu ebnen, lautete ihr Vorwurf. Trotzdem zog Bouteflika
       in den Präsidentschaftspalast ein und blieb dort bis zum 1. April 2019.
       
       18 Sep 2021
       
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