# taz.de -- Tote an polnisch-belarussischer Grenze: Zurück über die Grenze geschleift
       
       > Nach dem Tod von vier Menschen in der Grenzregion zu Belarus werden neue
       > Details zur Leiche einer Irakerin bekannt. Viele Polen sind schockiert.
       
 (IMG) Bild: Warschau am Montag: Gedenkveranstaltung für die vier toten Migrant:innen
       
       WARSCHAU taz | Die vier [1][toten Flüchtlinge an der
       belarussisch-polnischen Grenze] lassen vielen Polen keine Ruhe. „Ich schäme
       mich für mein Land“, sagt ein weißhaariger Mann in der Warschauer Metro und
       deutet auf einen Artikel in der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita.
       „Ausnahmezustand und der Tod“ heißt die Schlagzeile.
       
       Darunter ist ein nicht mehr ganz aktuelles Bild von der Grenzsituation zu
       sehen: Polnische Soldaten stehen vor einer Gruppe von Flüchtlingen. Eine
       junge Frau versucht ihnen irgendetwas zu erklären. „Wahrscheinlich ist sie
       noch am Leben“, kommentiert der Mann das Bild. „Aber die tote Irakerin auf
       belarussischer Seite und die anderen drei Iraker auf unserer Seite – die
       haben wir auf dem Gewissen.“
       
       Der Ausnahmezustand, den Präsident Andrzej Duda am 2. September [2][über
       die Grenzregion zu Belarus verhängte], wirkt wie eine Nachrichtensperre.
       Journalist:innen haben keinen Zutritt, dürfen weder mit den Leuten vor
       Ort reden noch Fotos machen.
       
       Zunächst klang der Fall der toten Irakerin, die am Sonntag nur einen Meter
       von der polnischen Grenze entfernt auf belarussischer Seite gefunden wurde,
       mehr als mysteriös. „Die Schleifspuren zeigen, dass die Leiche der Frau
       über die Grenze gezogen wurde“, sagte ein belarussischer Grenzsoldat in die
       laufende Kamera. Der polnische Grenzschutz dementierte sofort. Das sei
       belarussische Propaganda.
       
       ## Gestorben vor den Augen der Familie
       
       Doch auch ihr Mann erzählte, und so fügte sich die Geschichte langsam
       zusammen. Die Irakerin, die leblos auf belarussischer Seite gefunden wurde,
       war mitsamt ihrem Mann, ihren drei Kindern und einer älteren Frau bereits
       auf polnischer Seite gewesen. In einem Dorf hatten sie ihre nassen Sachen
       und Schuhe trocknen und sich aufwärmen wollen. Doch der „Gastgeber“
       verständigte den polnischen Grenzschutz, der mit mehreren bewaffneten
       Soldaten die Familie – barfuß und ohne Jacken – sofort wieder in die Kälte
       und Richtung belarussischer Grenze trieb.
       
       Obwohl die Frau sagte, sie könne nicht mehr weiter, wurde sie heftig nach
       vorne gestoßen. Kurz vor der polnisch-belarussischen Grenze scheint sie
       hingefallen und gestorben zu sein – vor den Augen der Familie. Während die
       Familie zurück über die Grenze nach Belarus getrieben wurde, scheint die
       Leiche der Frau einige Meter über die Grenze gezogen worden zu sein. Dort
       wurde sie am Sonntag gefunden, umgeben von ihrer Familie. Ihre Schuhe aber
       wurden bei dem polnischen „Gastgeber“ entdeckt. Für Premier Mateusz
       Morawiecki ist das alles nur eine „belarussische Provokation“.
       
       21 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Grenzregion-zu-Belarus/!5797848
 (DIR) [2] /Gefluechtete-in-Polen/!5793122
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Krisenherd Belarus
 (DIR) Polen
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Belarus
 (DIR) Schwerpunkt Krisenherd Belarus
 (DIR) Kolumne Notizen aus Belarus
 (DIR) Schwerpunkt Krisenherd Belarus
 (DIR) Schwerpunkt Krisenherd Belarus
 (DIR) Schwerpunkt Krisenherd Belarus
 (DIR) Polen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Flüchtlingsdrama an Polens Ostgrenze: Sterben ohne lästige Zeugen
       
       Polens Regierung will den Ausnahmezustand verlängern. Für die
       Gefährlichkeit Geflüchteter werden „Beweise“ vorgelegt. Überprüfen kann die
       niemand.
       
 (DIR) Zweckoptimismus in Belarus: „So lange werden sie nicht sitzen“
       
       Was sagen Belaruss*innen über lange Haftstrafen? Und wer schafft das
       neue Belarus? Janka Belarus über stürmische Zeiten in Minsk. Folge 103.
       
 (DIR) Grenzregion zu Belrarus: Unsere Toten
       
       Vier Geflüchtete sind an der Grenze zwischen Polen und Belarus gestorben.
       Die geringe Beachtung zeigt: Wir haben uns an die Grausamkeiten gewöhnt.
       
 (DIR) Tote an polnisch-belarussischer Grenze: Brüsseler Balance
       
       EU-Politikerinnen geben Belarus die Schuld am polnisch-belarussischen
       Grenzstreit. Der hat jetzt vier Tote gefordert. Zu Polens Rolle schweigt
       man.
       
 (DIR) Grenzregion zwischen Polen und Belarus: Zynischer Machtpoker
       
       Der Streit zwischen Polen und Belarus fordert erste Tote. Die EU darf dem
       grausamen Spiel nicht tatenlos zusehen, wenn sie neue Opfer verhindern
       will.
       
 (DIR) Merkels Abschiedsbesuch in Polen: Noch viel auf der Agenda
       
       Bei ihrem Treffen mit Premier Mateusz Morawiecki spricht die Kanzlerin
       strittige Themen an. Weiterhin im Fokus bleibt die Pipeline Nord Stream 2.