# taz.de -- Abgeordnetenmord in Großbritannien: Lebensgefährliche Demokratie
       
       > Wieder ist ein Mitglied des britischen Parlaments ermordet worden. Es ist
       > etwas zerbrochen, was kein einzelner Politiker kitten kann.
       
 (IMG) Bild: Gedenken an David Amess am Tatort
       
       Wieder ein Mord an einem Parlamentsabgeordneten, wieder steht
       Großbritannien unter Schock. Mit 17 Messerstichen in einer Kirche wurde
       David Amess, der konservative Abgeordnete für den Wahlkreis Southend West,
       [1][von einem 25-jährigen Londoner somalischer Herkunft niedergestreckt].
       Vor über fünf Jahren wurde die Labour-Abgeordnete [2][Jo Cox auf ähnlich
       brutale Weise getötet]. Beide starben im Rahmen ihrer wöchentlichen
       Bürgersprechstunde – ein unverzichtbarer Teil der Wahlkreisarbeit.
       
       Unterhausabgeordnete in Großbritannien sind exponierter als anderswo: Sie
       sind direkt gewählt, ihre Legitimation beziehen sie in erster Linie von
       ihren Wählern, nicht von ihrer Partei. David Amess saß 38 Jahre im
       Parlament, ohne je Minister zu werden – aus seiner Sicht kein Scheitern,
       sondern eine Bestätigung. Die Menschen im Wahlkreis standen für ihn an
       erster Stelle.
       
       Cox fiel einem Neonazi zum Opfer, [3][Amess einem mutmaßlichen Islamisten].
       Geheimdienste warnen schon seit einiger Zeit vor einem erhöhten Risiko
       neuen islamistischen Terrors. Der „Islamische Staat“ hat sich teilweise
       reorganisiert, der Taliban-Sieg in Afghanistan hebt die Moral, die
       Radikalisierung im Netz nimmt in Zeiten der Corona-Lockdowns und der
       Internet-Verschwörungstheorien wieder zu.
       
       Aber welche Motive auch immer der Tat zugrunde liegen: Für Gewalttäter
       jeder Couleur sind Politiker ohne Personenschutz geradezu eine Einladung.
       Es erfordert großen Mut, als Person des öffentlichen Lebens ungeschützt in
       der Öffentlichkeit zu stehen. Das gilt nicht nur für Großbritannien. In
       Deutschland werden immer wieder Bürgermeister – öffentlich ähnlich bekannt
       wie Abgeordnete in Großbritannien – Anschlagsziele.
       
       Was kann man da tun? Politiker vor den Bürgern abzuschotten, ist in einer
       Demokratie nicht die Lösung: Wenn sich die Politik vor den Menschen
       verschließt, verschließen sich die Menschen vor der Politik, und das
       Gemeinwesen zerbricht. Aber wenn ein Mord wie der an David Amess möglich
       ist – dann ist ohnehin schon viel zerbrochen, was kein einzelner Politiker
       kitten kann.
       
       17 Oct 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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