# taz.de -- Gehen leichter gemacht: Fußgänger vor!
       
       > Die Stadt Flensburg will den innerstädtischen Fußverkehr fördern. Dafür
       > müssen Wege frei gemacht werden.
       
 (IMG) Bild: Sollen bald noch mehr werden: zu Fuß Gehende in Flensburg
       
       Es sind 35 Milliarden Kilometer, die die Deutschen pro Jahr zu Fuß gegen –
       ein beachtlicher, aber selten beachteter Beitrag zum Verkehr, sagt der
       Fachverband Fußverkehr Deutschland, kurz FUSS e. V. Wie es besser geht mit
       dem Gehen, testen bundesweit einige Modellstädte, darunter Flensburg. Die
       Verwaltung will „andere Arten der Fortbewegung attraktiver machen, um den
       Verzicht aufs Auto zu erleichtern“, sagt Rathaussprecher Christian Reimer.
       
       So weit die schleswig-holsteinische Landschaft um die Stadt herum reicht,
       so eng ist es im Flensburger Zentrum: Auf der einen Seite liegt die Förde,
       auf der anderen steigen schroffe eiszeitliche Hügel auf. Alte
       Backsteinhäuser stehen an engen Straßen, hinter Toreinfahrten öffnen sich
       Höfe, die teilweise privat, teils von Cafés und Läden genutzt werden. An
       den Fahrbahnrändern parken Fahrzeuge dicht an dicht, im Schneckentempo
       schieben sich Wagen vorbei, offenkundig auf der Suche nach einer Lücke.
       Dass der Verkehr ein Problem ist, ist zu sehen. Zudem will die Stadt ihre
       Klimaziele erreichen und muss die Produktion von CO2 abbauen, „und da haben
       wir im Bereich Mobilität am meisten zu tun“, [1][so Oberbürgermeisterin
       Simone Lange (SPD)].
       
       Mit einem „Masterplan Mobilität“, der bis 2030 umgesetzt werden soll, will
       Flensburg die Zahl der privaten Fahrzeuge verringern. Unter anderem fand in
       diesem Jahr eine Bürger*innenbefragung statt, um neue Parkkonzepte zu
       entwickeln und Verkehr aus der Stadt herauszuhalten. Ergebnisse lägen aber
       noch nicht vor, bedauert Rathaussprecher Reimer.
       
       ## Gehen ist höchst effizient
       
       Den Fußverkehr zu stärken, ist ein neuer Ansatz. Der Fachverband FUSS,
       dessen Zentrale in Berlin liegt, wirbt dafür, den Beitrag des Gehens für
       den Verkehr und den Klimaschutz wichtiger zu nehmen. Denn Gehen sei höchst
       effizient: Das Auto als meist benutztes Verkehrsmittel lege zwar 75 Prozent
       aller Kilometer zurück, bringe die Menschen aber oft gar nicht bis ganz ans
       Ziel. Dieses Argument habe auch im Flensburger Rathaus überzeugt, sagt
       Christian Reimer: „Wir sind immer auch Fußgänger.“
       
       Daher hat sich die 90.000-Einwohner*innen-Stadt an der dänischen Grenze für
       das Programm beworben. In diesem Jahr hat FUSS außerdem Braunschweig,
       Erfurt, Meißen und Wiesbaden ausgewählt. Alle Städte erhalten Beratungen
       und „Bausteine für Fußverkehrsstrategien“, die der Verband, gefördert durch
       das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt, in den vergangenen
       Jahren entwickelt hat.
       
       „Besonders spannend waren die Fußverkehrschecks, die wir überall gemacht
       haben“, so Projektkoordinator Patrick Riskowsky. „Verwaltungsbeschäftigte
       und Kommunalpolitiker*innen waren zwar schon vorher zu Fuß in ihrer
       Stadt unterwegs, hatten aber Stärken und Schwächen der
       Fußverkehrsinfrastruktur noch nie systematisch betrachtet – von der
       idyllischen Wohnstraße bis zur [2][fußgängerfeindlichen Großkreuzung].“
       
       ## Gehwegparken als Problem
       
       [3][Flensburg und die anderen diesjährigen Modellkommunen] werden in den
       kommenden Monaten Konzepte entwickeln, um Wege für das Gehen frei zu machen
       – das ist durchaus buchstäblich gemeint. Denn „es gibt Probleme, die in
       fast allen Städten auftraten: Das erste ist Gehwegparken zu Lasten der zu
       Fuß Gehenden, das zweite sind Konflikte mit dem Radverkehr“, so Riskowsky.
       
       Auch einige Wünsche wiederholen sich fast überall: Mehr verkehrsberuhigte
       Bereiche, mehr Zebrastreifen, Mittelinseln und Gehweg-Nasen, mit denen
       Fahrbahnen verschmälert und Sichtbeziehungen zwischen Gehenden und
       Fahrenden verbessert werden.
       
       In den nächsten Monaten wird in Workshops ein Maßnahmenkatalog entstehen.
       Parallel sucht die Stadt Freiwillige als „Quartiers-Geher*innen“. Sie
       werden vom Fachverband Fußverkehr eine Schulung erhalten und sollen in
       ihren Stadtteil „zum Bindeglied zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltung“
       werden.
       
       24 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Buergerinnenbefragung-an-der-Kueste/!5783195
 (DIR) [2] https://www.fuss-ev.de/buerger-und-staedte/staedte-kommunales
 (DIR) [3] http://www.presse-service.de/data.aspx/static/1083386.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Stadtland
 (DIR) Fußgänger
 (DIR) Flensburg
 (DIR) Verkehr
 (DIR) Parkplätze
 (DIR) Klimakonferenz in Dubai
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Regine Günther
 (DIR) Liebeserklärung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Klage gegen aufgesetztes Parken: Rechtsweg voller Hindernisse
       
       In Bremen verklagen Anwohner*innen die Stadt, damit sie Maßnahmen gegen
       das Gehwegparken ergreift. Die Klage bewegt sich auf neuem Terrain.
       
 (DIR) Schauspieler Wanja Mues über Klimawandel: „Das Auto belästigt den Menschen“
       
       In einer klimaneutralen Welt könne es keinen Kapitalismus geben, sagt der
       Schauspieler Wanja Mues. Aufs Fliegen zu verzichten, sei hingegen einfach.
       
 (DIR) Das Ringen um den Parkraum: Platz da!
       
       Lange galt es als selbstverständlich, dass Autos große Teile des Stadtraums
       besetzen dürfen. Jetzt formiert sich auch in Hamburg Widerstand.
       
 (DIR) Friedrichstraße bleibt autofrei: Wer will hier schon flanieren?
       
       Die Friedrichstraße bleibt in der Mitte autofrei. Das ist nicht schlecht.
       Aber richtig durchdacht ist es auch nicht.
       
 (DIR) Falsche Ampeln in Stadt und Land: Zur Not eben bei Rot
       
       Wer zu Fuß unterwegs ist, verbringt zu viel Lebenszeit auf Verkehrsinseln.
       Berlin will das Problem jetzt endlich angehen – doch es droht neue Gefahr.